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Das Bundeskabinett hat beschlossen, dass Menschen, die neben ihrem Bürgergeld-Bezug noch schwarz arbeiten, ihre Sozialleistung gemindert werden soll, wenn sie dabei erwischt werden. Was steckt dahinter und ist das überhaupt sinnvoll?
Wie verbreitet ist Schwarzarbeit?
Schwarzarbeit ist ein Problem in Deutschland. Etwa elf Prozent der wirtschaftlichen Gesamtleistung werden hier laut Modellrechnungen in der sogenannten Schattenwirtschaft erzielt, ein Großteil mit Schwarzarbeit. „Deutschland ist bei der Größe der Schattenwirtschaft im Vergleich der Industrieländer im Mittelfeld“, sagt Bernhard Boockmann, der am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung zu dem Thema forscht.
Wie verbreitet ist Schwarzarbeit unter Bürgergeld-Empfängern?
Wie bei der allgemeinen Messung von Schwarzarbeit ist es auch bei der konkreteren Zuspitzung auf Bürgergeld-Empfänger unmöglich, tatsächlich zu erfassen, wie verbreitet das Problem ist. Es gibt aber unterschiedliche Ansätze, um das Phänomen einzukreisen.
Zum einen zeigen Umfragen zur Schwarzarbeit in der gesamten Bevölkerung, dass sie bei Arbeitslosen wahrscheinlicher ist als unter Beschäftigten. „Das ist auch plausibel, denn sie haben weniger zeitliche Restriktionen“, sagt Boockmann. Arbeitslose haben in der Regel mehr Zeit, um anderen Aufgaben – auch Schwarzarbeit – nachzugehen. Zudem gibt es den Anreiz, sich etwas hinzuzuverdienen und es nicht zu melden, weil man so die staatlichen Hilfen nicht verliert.
Andreas Peichl, der am ifo Institut unter anderem zum Bürgergeld forscht, sieht noch ein anderes Indiz für Schwarzarbeit: „Wenn man sich die Daten anschaut, wie viel Bürgergeld-Empfänger hinzuverdienen, dann fällt die größte Anhäufung bei genau 100 Euro auf.“ Wer 100 Euro neben dem Bürgergeld verdient, muss sie nicht anrechnen lassen. „Das wäre ein Tag Arbeit bei Mindestlohn im Monat, also ein sehr unwahrscheinlicher Fall.“ Er vermutet: Die Bürgergeld-Empfänger melden einen Job mit diesem Lohn an, verdienen dann aber schwarz mehr als die 100 Euro – ein sogenannter Tarnkappenjob. „Insgesamt sind es etwa 15 bis 20 Prozent, die weniger als 100 Euro verdienen“, erklärt Peichl. „Gut möglich, dass ein Großteil von ihnen schwarzarbeitet.“
Schwarzarbeit ist bereits illegal, warum reicht das nicht aus?
„Es gibt Instrumente, die vor Schwarzarbeit abschrecken sollen und die gelten natürlich auch für Bürgergeld-Empfänger“, sagt Boockmann. Es ist auch jetzt schon eine Straftat, unangemeldet zu arbeiten, für die man sogar im Gefängnis landen kann. Aber: „In vielen Fällen ist das Risiko erwischt zu werden einfach zu gering, um es zu unterlassen.“
Auch das hat mit den 100 Euro Freibetrag zu tun. Denn wenn der Zoll zur Kontrolle an den Arbeitsplatz kommt, können die Beschäftigten ihren Arbeitsvertrag zeigen – es könnte schließlich sein, dass ausgerechnet an diesem Kontrolltag die Stunden liegen, an denen sie in diesem Monat arbeiten. Dass sie am Tag vorher schon da waren, sieht der Zoll bei der Kontrolle nicht.
Was bringt es, Schwarzarbeitern weniger Bürgergeld zu zahlen?
„Ich würde mir keine große Wirkung der Sanktionierung von Schwarzarbeit versprechen“, sagt Andreas Peichl. „Wenn die Androhung von Sanktionen dabei helfen würde, Schwarzarbeit zu bekämpfen, wäre das sinnvoll. Ich glaube aber nicht an die abschreckende Wirkung.“ Das Problem: Wenn es unwahrscheinlich ist, bestraft zu werden, ist auch die Höhe der Bestrafung nicht entscheidend.
Was wäre eine gute Alternative?
„Warum haben wir Schwarzarbeit? Weil Menschen das Gefühl haben, sie haben am Ende mehr Geld, als wenn sie legal arbeiten“, sagt Peichl. Man müsse also die Anreize für legale Arbeit verbessern. Bisher wird ein großer Teil des Verdienstes über den 100 Euro Freibetrag angerechnet. Wenn die Menschen mehr behalten dürften, wäre es attraktiver, einer legalen Beschäftigung nachzugehen.
Neben den positiven Anreizen würden auch negative Anreize helfen, ihre Wirksamkeit müsste aber durch bessere Kontrollen verbessert werden. Dafür müsste es laut Peichl eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Zoll und Jobcentern geben – der Zoll könnte dann schwerpunktmäßig die Menschen kontrollieren, die knapp unter der 100-Euro-Grenze verdienen. Da will auch die Bundesregierung ansetzen: Die Jobcenter sollen verpflichtet werden, Verdachtsfälle an den Zoll zu melden.
Transparenzhinweis: Wir haben diesen Text bereits veröffentlicht, als die SPD im Juni 2024 den Vorschlag zur Schwarzarbeit machte. Nun haben wir ihn aufgrund des Kabinettbeschlusses aktualisiert.