Eigentlich bleibt den Brexit-Verhandlern kaum noch Zeit für eine Einigung. Bis Sonntag um Mitternacht soll das Abkommen stehen, das die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU ab dem 1. Januar regelt. Doch es gibt noch immer Uneinigkeit – unter anderem bei den Fischereirechten.
Sollten sich die Verhandler nicht rechtzeitig einigen können, könnte es zu einem No-Deal-Brexit kommen – wenn es nicht noch eine Fristverlängerung gibt. Großbritannien ist bereits Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten, ist aber noch bis Ende dieses Jahres Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Ab dem 1. Januar 2021 soll nun ein Abkommen die Handelsbeziehungen mit der EU regeln. Ohne Abkommen würden dann Zölle und andere Handelshemmnisse in Kraft treten.
Die Fischerei ist ein wichtiger Streitpunkt in den aktuellen Verhandlungen – ideologisch hoch aufgeladen, aber ökonomisch kaum bedeutsam. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Streit um den Fisch.
Worum streiten sich die Briten und EU?
Im Streit um die Fischerei geht es darum, ob und unter welchen Bedingungen EU-Fischer künftig noch in britischen Gewässern fischen dürfen. Die EU möchte, dass Fischer aus der EU weiterhin wie bisher in britischen Gewässern fischen dürfen, die britische Regierung möchte die eigenen Gewässer künftig selbst kontrollieren. Fischer eines EU-Mitgliedsstaates dürfen grundsätzlich in den Hoheitsgewässern aller EU-Staaten fischen. Allerdings gibt es auch hier Regeln. Es werden jährlich Fangquoten vereinbart, die festlegen, welche Fischer wo wie viel fangen dürfen. Britische Fischer sehen sich durch diese Regelungen benachteiligt, weil sie vergleichsweise wenig aus den eigenen Gewässern fischen dürfen.
Warum dürfen die britischen Fischer vergleichsweise so wenig in ihren eigenen Gewässern fischen?
Viele Fischer geben dafür den Fangquoten der EU die Schuld. Diese beruhen auf einem historischen Schlüssel. Ein wichtiger Faktor ist aber auch, dass die britische Regierung selbst für die Verteilung der Fangquoten im eigenen Land verantwortlich ist. Ein Problem für kleine Fischer ist, dass ein großer Teil der Fangrechte wenigen großen Unternehmen gehört. Den Rest der Fangquote müssen die kleineren Fischer unter sich aufteilen – und bekommen so deutlich weniger.
Wie bedeutend ist die Fischerei als Wirtschaftsfaktor?
Wirtschaftlich ist die Fischerei für Großbritannien relativ unbedeutend. Es gibt natürlich Küstenregionen, in denen die Fischerei eine große Rolle spielt, gesamtwirtschaftlich ist die Bedeutung aber gering: Gerade einmal 0,12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes stammen aus der Fischerei. Und auch für die EU ist die Fischerei kein entscheidender Anteil des BIP. Das Ifo Institut schätzt den Gesamtwert der EU-Fangmengen in britischen Gewässern auf etwa 520 Millionen Euro. Das ist zwar eine hohe Summe, aber nur ein Bruchteil des Handelsvolumens zwischen Großbritannien und der EU.
Warum ist die Fischerei dann trotzdem ein Knackpunkt?
Das Thema ist ideologisch stark aufgeladen, und das schon seit dem Brexit-Referendum. Die Forderung, die Kontrolle über die eigenen Hoheitsgewässer zurück zu bekommen, war eine wichtige Forderung der Pro-Brexit-Kampagne. Darum haben auch viele Fischer für den Brexit gestimmt. Das Büro des britischen Premierministers Boris Johnson teilte mit, man könne keine Vereinbarung akzeptieren, die Großbritannien nicht die Kontrolle über die eigenen Gesetze und Gewässer überlasse.
Wie geht es jetzt weiter?
Sollte es zu keiner Einigung kommen und beide Seiten an ihrer Position festhalten, dann könnte ein Brexit-Abkommen tatsächlich an der Fischerei scheitern. Sollte es kein Abkommen geben, dürften Fischer aus der EU künftig keine Fische mehr in britischen Gewässern fangen. Das würde wirtschaftlich vor allem Frankreich treffen. Das Land macht laut eines Berichts des EU-Parlaments 30 Prozent des durch die Flotte der EU-Staaten in britischen Gewässern generierten monetären Wertes aus. Auch die Niederlande und Irland wären stark betroffen. Das Ifo Institut betont, dass auch deutsche Fischer betroffen wären, weil sie über die Hälfte ihrer Fänge in britischen Gewässern tätigen. Sollte es so weit kommen und die EU-Fischer keinen ausreichenden Zugang mehr zu britischen Gewässern bekommen, könnte die EU im Gegenzug Zölle auf britischen Fisch erheben. Das wiederum würde Großbritannien hart treffen, denn ein Großteil des britischen Fischs wird exportiert. Sollte das ganze Abkommen scheitern, treten zum 1. Januar 2021 Zölle und andere Handelshemmnisse in Kraft. Noch verhandeln die Parteien aber.