Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, hält im Russlandgeschäft weiterhin alles für „legitim“, was nicht ausdrücklich verboten ist. Unmittelbar vor dem bewegenden Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag klagte der Vorstandschef des Pumpenherstellers Wilo über den „öffentlichen Druck“ auf deutsche Konzerne, sich aus Russland zurückzuziehen. Seine eigene Firma will dort so weitermachen wie bisher. Zwei Tage vor dem militärischen Überfall auf die Ukraine warb die Tochterfirma Wilo Rus noch „mit Stolz“, sie sei als einer der 100 besten Arbeitgeber im Reich Wladimir Putins ausgezeichnet worden.
So wie Hermes denken nicht wenige Chefs deutscher Unternehmen, die in Russland in der Vergangenheit gutes Geld verdient haben. Weiter machen wie bisher möchten zum Beispiel der Gipsplattenhersteller Knauf oder der Autozulieferer Schaeffler, aber vor allem Hunderte von kleinen und mittleren deutschen Unternehmen, die sich auf Russland spezialisiert haben. Sie verschwenden viel Gehirnschmalz darauf, wie sie die westliche Blockade gegen Putin brechen können, in dem sie Lücken in den Sanktionen ausnutzen.
Rat können sie sich bei Verbänden und Institutionen wie dem Ost-Ausschuss holen, die seit Jahren die Gefahren des Putin-Regimes verharmlosen. In der nächsten Woche veranstaltet der Ost-Ausschuss beispielsweise ein Seminar über den „Umgang mit der wirtschaftlichen Situation in Russland“ – selbstverständlich nur für Mitgliedsunternehmen. Man möchte die Öffentlichkeit in diesen heiklen Zeiten lieber draußen halten, wie auch das Beispiel der Außenhandelskammer (AHK) in Moskau zeigt. Eine „AHK Krisenhotline“ steht telefonisch 16 Stunden am Tag bereit, ihre Website aber hat die Kammer vorsichtshalber erst einmal abgeschaltet, zwecks „Überarbeitung“.
Ganz besonders verwunderlich: Auch die bundeseigene Agentur Germany Trade and Invest (GTAI) tut sich mit vielen „Handlungsempfehlungen“ hervor, um durch „die Krise zu navigieren“: So sollten deutsche Unternehmen doch ihre Konten zu einer „nicht sanktionierten Bank“ in Russland „transferieren“ und dabei nicht vergessen, die neuen Verbindungen auch ihren Lieferanten und Kunden umgehend mitzuteilen. Wichtig auch aus Sicht der GTAI: „Kommunizieren Sie vorsichtig und umsichtig nach Außen!“
Um es klar zu sagen: Nichts davon ist illegal. Alle Berater verweisen ausdrücklich auf die Notwendigkeit, alle Sanktionen einzuhalten. Das ist allerdings auch völlig selbstverständlich – geht es doch um die Beachtung von Recht und Gesetz. Vieles, was passiert, erinnert jedoch an die Zeit nach der Besetzung der Krim 2014. Damals machten sich viele deutsche Konzerne daran, die damals verhängten Sanktionen so trickreich wie möglich zu umgehen – zum Beispiel durch die Gründung von rechtlich selbständigen russischen Töchterfirmen. Auch Wilo Rus gehört in diese Kategorie.
Doch heute ist das Reputationsrisiko um ein Vielfaches höher. Denn durchaus nicht alles, was gerade noch legal ist, ist auch legitim. Nicht nur der Ost-Ausschuss-Chef Hermes wird es noch merken.