Marc Gumpinger ist Venture Partner beim Münchner Venture Capital Unternehmen Target Partners. Von 2011 bis Mitte 2014 war er bei Blackberry für die mobile Social-Gaming-Plattform Scoreloop verantwortlich. Gleichzeitig war er von 2009 bis Mitte 2014 CEO und Co-Founder der Scoreloop AG, die 2011 von Blackberry gekauft wurde.
Geld ist im Alltag gefühlt all das, was man im Geldbeutel hat, um sich davon etwas zu kaufen. In diesem Verständnis war die Welt lange einfach – zumindest aus heutiger Sicht. Geld sind Münzen, Scheine und ein paar Plastikkarten. Inzwischen haben wir jedoch nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das Smartphone ständig griffbereit. Außerdem kaufen wir immer häufiger online ein, wo die Scheine und Münzen im Geldbeutel gar nicht mehr zum Einsatz kommen.
Es liegt also nahe, das Smartphone für das Bezahlen einzusetzen. So einfach, so kompliziert. Denn wie kommt das Geld ins Smartphone, wie zahle ich und wer akzeptiert das? „Smartphone“ ist für viele entweder ein iPhone oder ein Android-Handy. Damit liegen Apple Pay und Google Wallet nahe. Apple Pay ist ein als „Geldbeutel ohne den Geldbeutel“ beworbener Dienst. Vorausgesetzt wird ein iPhone 6 oder die neue Apple Watch sowie eine amerikanische Kreditkarte für die Abrechnung. Und nicht zu vergessen: die Akzeptanz von Apple Pay als Zahlungsmittel durch die Händler. Ähnliches gilt für Google Wallet oder die händlerspezifischen Bezahl-Apps wie beispielsweise von Edeka.
So schön das alles sein könnte, so ernüchternd stellt sich der Alltag dar. Zwar können Sie jetzt grundsätzlich mit Ihrem Smartphone ganz einfach bezahlen. Dies aber nur, wenn Sie eine Liste von Anforderungen erfüllen – und der Händler das Verfahren unterstützt. Und nachdem ohnehin über ein etabliertes Verfahren wie zum Beispiel Kreditkarten abgerechnet wird, ist der Griff zur eben jener Karte derzeit möglicherweise doch einfacher.
Bitcoins: Anonymität bei größter Transparenz
Oder wie wäre es mit Bitcoins zu bezahlen? Bitcoins werden häufig als „Kryptowährung“ bezeichnet. Das klingt spannend und wirkt in Verbindung mit der gängigen Einheit „BTC“ durchaus offiziell. Ist es aber nicht, denn nur die von den Regierungen ausgegebenen Währungen sind gesetzliche Zahlungsmittel, die Verkäufer akzeptieren müssen. Was Bitcoins nun genau sind, ist tatsächlich nicht ganz einfach einzuordnen. Sind sie nicht-gesetzliches Zahlungsmittel, Tauschgut oder Investitionsobjekt? Ein bisschen von allem. Letztendlich leiden sie wie Apple Pay und andere an denselben Beschränkungen.
Warum nun also der Hype um Bitcoins? Dazu ein kurzer Ausflug in die Technik. Einer der revolutionären Aspekte an Bitcoins ist das dezentrale Buchungssystem. Dieses wird nicht von einer Organisation wie einer Zentralbank oder einem Konzern geführt, sondern durch einen Zusammenschluss aus vielen unabhängigen Rechnern; ein sogenanntes Peer-To-Peer-Netzwerk. Diese Rechner prüfen jede Transaktion gegen einen Algorithmus. Ist eine Transaktion gültig, wird diese in ein ebenfalls dezentrales und öffentlich verfügbares Kontobuch geschrieben – die sogenannte Block Chain.
Ebenso revolutionär ist, dass jeder mitmachen und jeder alles einsehen kann, aber jede Transaktion anonymisiert erfolgt. Einzig der Algorithmus entscheidet ob eine Transaktion gültig ist. Das klingt vielleicht nach George Orwells „1984“, ist es aber nicht, da auch der Algorithmus offengelegt ist und damit nicht von einer Organisation kontrolliert wird.
Akzeptanz-Problem bei Bitcoins
Zur Veranschaulichung ein Beispiel. A möchte B einen Bitcoin übertragen. Dazu gibt B seine Kontonummer an A. A öffnet sein digitales und passwortgeschütztes Konto auf seinem Smartphone oder im Web und sendet einen Betrag von 1 BTC an die Kontonummer von B. Diese Transaktion wird daraufhin in das Bitcoin-Netzwerk zur Validierung gestellt. Beliebige Rechner können diese Transaktion dann, sehr vereinfacht ausgedrückt, gegen den Bitcoin-Algorithmus prüfen. Ist diese Prüfung erfolgreich, schreibt der entsprechende Rechner die Transaktion in die Block Chain und erhält dafür als Bezahlung für den Prüfaufwand eine bestimmte Menge an Bitcoins. Deshalb wird dieser Prozess auch als „Mining“ bezeichnet.
Sobald diese Transaktion durch einige weitere Rechner bestätigt wurde, erscheint der übertragene Bitcoin auf dem Konto von B. Diesem Verfahren inhärent ist übrigens, dass es „einen Bitcoin“ im Sinne einer Münze gar nicht gibt. Bitcoin ist lediglich eine Einheit, um den Wert einer Transaktion zu definieren. Deshalb kann auch ein nahezu beliebig kleiner Teil an Bitcoins übertragen werden – etwa 0,06718839 BTC.
Zwar leiden Bitcoins ebenfalls am Akzeptanz-Problem. Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch zu den bisher betrachteten nicht-gesetzlichen Zahlungsmitteln: Eine offizielle Währung wie Euros muss nur einmal in Bitcoins gewechselt werden. Von da ab kann der Wert rein im Bitcoin-Universum bleiben und damit anonym, sehr schnell und vor allem extrem kostengünstig zur Bezahlung verwendet werden.
Wegen dieses Potentials wurden und werden Bitcoins auch als Investitionsobjekt gehandelt. So stieg der Preis für 1 BTC Anfang 2010 von weniger als 0,01 USD in nur vier Jahren auf über 1000 US-Dollar. Heute liegt er bei rund 200 Dollar.
Es liegt im Auge des Betrachters, darin Chance oder Risiko zu sehen. Dies gilt wohl auch für die kaum vorhandene rechtliche Regulierung. So haben viele Bitcoin-Kunden Anfang 2014 bei der Pleite von MtGox.com, eine der damals größten Bitcoin-Handelsplattformen, erst einmal ihre ganzen Einlagen verloren und müssen nun auf das Verfahren des Insolvenzverwalters warten. In Japan wohlgemerkt.
Werden Kryptowährungen wie Bitcoins oder deren Geschwister wie Litecoins, Dodgecoins und so weiter ein Schattendasein fristen und der Regulierung zum Opfer fallen? Möglich. Aber hätte man es vor 50 Jahren für möglich gehalten, dass man mit einer Plastikkarte eines Unternehmens genauso selbstverständlich bezahlt wie mit den Scheinen und Münzen eines Landes?
Von Bitcoins zur zeitgenössischen Kunst
Derzeit sind Bitcoins jedenfalls noch mehr Investitions- oder Spekulations- denn Zahlungsmittel. Je nach dem wie man das Risiko einschätzt. Bitcoins unterscheiden sich dabei nicht allzu sehr von anderen „virtuellen Werten“. Zum Beispiel zeitgenössische Kunst. Der intrinsische Wert von Kunst ist neben dem Materialwert heute wohl nur noch eine von vielen Eigenschaften. Wenn man Glück hat. Nehmen wir Jonathan Meese. Unbestritten dürfte sein, dass seine Arbeiten auf den ersten Blick nicht ganz das Göttliche der Arbeiten von Michelangelo, Raphael oder Caravaggio vermitteln. Unbestritten ist aber auch, dass seine Arbeiten im Gedächtnis bleiben. Außerdem werden sie gehandelt und sind knapp. Ganz allgemein ist Kunst praktisch die letzte Asset-Klasse ist, bei der große Werte ganz legal anonym übertragen werden können. Genau wie Bitcoins.
Und wer denkt, dass ein wesentlicher Unterschied noch darin läge, dass Kunst im Gegensatz zu Bitcoins zumindest noch an den Wänden hängt und dem Eigentümer die Tränen der Rührung in die Augen treibt, der sei auf die großen Lager der Auktionshäuser und die noch größeren Lager in den Zollfreigebieten verwiesen. Kunst ist dabei ebenso wenig oder viel „Zahlungsmittel“ wie Apple Pay oder Bitcoins. Ob virtuelle Werte, Kryptowährungen oder Mobile-Payment – die Geldfunktionen Wertaufbewahrung und Zahlungsmittel treten heute in vielen Facetten auf. Als Unternehmer und Venture Capitalist sehe ich darin vor allem eine Menge Chancen.