Aleph Alpha kann gute Nachrichten gebrauchen. Der Hoffnungsträger für Künstliche Intelligenz in Deutschland steckt in einer Sinnkrise, denn trotz allgemeiner KI-Euphorie hat der Turbo im Unternehmen selbst noch nicht richtig gezündet. Kunden des Heidelberger Start-ups werden zunehmend ungeduldig: Die neue Version des KI-Sprachmodells Luminous, die für den Wettbewerb enorm wichtig ist, lässt auf sich warten.
Wann das Update kommt, sagt Jonas Andrulis, CEO von Aleph Alpha, an diesem Tag in Heilbronn nicht. Die gute Nachricht soll eine andere sein: Baden-Württemberg will als erstes Bundesland ein KI-System ausrollen und damit die träge Verwaltung beschleunigen – entwickelt von Aleph Alpha und dem landeseigenen Innovationslabor „Innolab“. F13 heißt das Projekt, das nach gut anderthalbjähriger Testphase Mitte August großangelegt eingeführt werden soll.
„F13 war ein Weckruf für die deutsche Verwaltung“, sagt Florian Stegmann (Grüne), Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Baden-Württemberg. Er ist im schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift „The Länd“ erschienen, dem Titel der Werbekampagne, für die das Ländle bundesweit viel Häme einstecken musste.
KI-Assistent F13 ab Mitte August für alle Ministerien
Sämtliche Ministerien der Landesregierung sollen künftig mit F13 arbeiten, sagt Stegmann. Der KI-Assistent solle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, enorme Textmengen nach relevanten Informationen zu durchsuchen. Eingesetzt werden kann er laut Andrulis zum Beispiel bei Anträgen auf Wohngeld und Kfz-Zulassungen. „Es gibt viele Bedürftige, die nicht rechtzeitig Wohngeld bekommen können, weil es einfach so viele Anträge gibt und die Anträge auch komplex sind“, sagt Andrulis im Interview mit dem TV-Sender ntv und Capital, die beide zu RTL Deutschland gehören.
Weitere Funktionen und „mehr KI-Apps“ sollen in den kommenden Monaten folgen. Ab September sollen auch andere öffentliche Verwaltungen in ganz Deutschland den F13-Assistenen nutzen können, kündigte der Verein Govtech Campus Deutschland an.
Lidl-Gründer Dieter Schwarz investiert in KI
Die Idee ist gut, skalierbar und kann aufgehen, denn besonders die öffentliche Verwaltung ist oft heillos überlastet. Thomas Strobl, baden-württembergischer Innenminister und darüber hinaus zuständig fürs Digitale, findet es jedenfalls „total cool“, dass sich die KI-Initiative ausgerechnet in seiner Heimatstadt Heilbronn versammelt hat – „dem künftigen KI-Hotspot Europas“. In der Stadt mit 130.000 Einwohnern entsteht mit dem Ipai bis 2027 Deutschlands größter KI-Park. Namhafte Geldgeberin ist unter anderem die ebenfalls in der Region ansässige Schwarz-Gruppe des Heilbronners Dieter Schwarz, zu der unter anderem Einzelhandelsketten Lidl und Kaufland gehören. Von hier aus wolle man souveräne Technologie entwickeln und nutzen. „Wir setzen hier nicht auf China, auch nicht auf Amerika, sondern wir finden hier unseren eigenen europäischen Weg“, so Strobl.
Das Wort Souveränität fällt an diesem Tag häufig, auch von Christian Müller, Co-CEO von Schwarz Digits. Die Sparte der Schwarz-Gruppe bietet mit Stackit einen eigens entwickelten Cloud-Service, der etwa virtuelle Speicher- und Rechnerkapazitäten anbietet. F13 läuft auf der Stackit-Cloud, deren Rechenzentren in Deutschland stehen. „Die Prozessierung der Daten passiert in Deutschland, in Baden-Württemberg“, perspektivisch auch in Europa, sagt Müller.
Gefüttert und trainiert wurde die KI bisher mit öffentlich zugänglichen Daten wie Landtagsdokumenten und Pressematerialien. Künftig soll F13 aber auch mit internen Daten aus der Verwaltung lernen. Am 26. August will Andrulis das nächste Update geben zu Strategie und Technologie.
Andrulis weist Kritik an Finanzierung zurück
Doch wird das reichen, um die zuletzt skeptischere Stimmung gegenüber Aleph Alpha zu drehen? Ende 2023 hatte Aleph Alpha verkündet, mehr als 500 Mio. Dollar von Investoren eingesammelt zu haben, unter anderem von Bosch und der Schwarz-Gruppe. Nach Capital-Recherchen sind bisher 108 Mio. Euro geflossen. In der Jahresbilanz lassen sich keine Spuren des restlichen Geldes finden. Dass er das Finanzierungsvolumen aufgebläht habe, weist Andrulis im Gespräch mit ntv und Capital zurück. „Der Betrag fließt komplett. Das ist völlig normal, dass solche Beträge nicht auf einmal fließen“, so Andrulis. „Das, was wir damals gesagt haben, ist hundertprozentig korrekt.“

Aleph-Alpha-CEO: „Unsere Investoren sind sehr happy“
Finanziell ist es schwer, mit US-Großkonzernen wie Google, Meta und OpenAI mitzuahlten, die hunderte Millionen Dollar in ihre KIs buttern können. Er sei überzeugt von dem Produkt Aleph Alphas, das besser sei als die Lösungen der Konkurrenz, sagt Andrulis. Er setzt auf Kunden wie die öffentliche Verwaltung, denen Datensouveränität und europäische Standards wichtig sind.
Doch davon muss er noch weitere überzeugen. In einer Investorenpräsentation versprach Aleph Alpha einen Jahresumsatz von umgerechnet 5,5 Mio. Euro für 2023. Laut Geschäftsbericht, der Capital vorliegt, wurden es am Ende aber nur 950.000 Euro. 2024 soll es besser laufen, so das Start-up kürzlich. „Wir liegen aktuell vor Plan, uns geht es gut“, sagt Andrulis in Heilbronn zu ntv und Capital. „Unsere Investoren sind sehr happy.“ Das Geld fließe, alles im Sinne von Aleph Alphas Mission.