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Schwarz-Gruppe Lidl klont sich – vom biederen Discounter zum europäischen Techkonzern

Auf einer Scheibe sind viele Zahlen zu sehen, dahinter ein Raum mit Computerarbeitsplätzen
Die Coding-Schule 42 ist Teil des Kosmos, den Dieter Schwarz um sein Unternehmen geschaffen hat
© Anna Ziegler
Aus dem Supermarkt-Imperium von Lidl und Kaufland soll ein IT-Dienstleister werden. Die Schwarz-Gruppe will nicht bloß das europäische Amazon werden, die Schwaben bauen an einer neuen IT-Infrastruktur, von der andere Unternehmen in Europa profitieren sollen

Die Schwarz-Gruppe investiert derzeit Hunderte Millionen Euro in digitale Infrastruktur, in Server, IT und künstliche Intelligenz, doch an diesem Dienstag im Oktober sind die wichtigsten Gerätschaften: Schließfächer. Und zwar ganz analog, mit Schlüssel. Rolf Schumann, beim Konzern aus Neckarsulm CEO des Digitalablegers Schwarz Digits, steht in der Lobby des Cyberabwehrzentrums und kennt kein Pardon: Alles muss weggesperrt werden, die Handys im Flugmodus genau wie die Kamera der Capital-Fotografin. Niemand soll durch die Bilddaten orten können, von wo aus die Schwarz-Gruppe Hacker bekämpft. Selbst für die eigenen Mitarbeiter sind die Zugänge beschränkt, nur eine Handvoll IT-Experten darf den War-Room überhaupt betreten. 

Schließlich hält Schumann seine Sicherheitskarte vor einen Scanner, dann noch sein Handgelenk. Der Scanner erkennt seine Vene, prüft den Blutfluss, die Tür öffnet sich. „Ein Fingerabdruck oder eine Iris sind viel zu unsicher“, sagt Schumann und wird dramatisch: „Finger können Sie abschneiden und auf 37 Grad Körpertemperatur bringen. Funktioniert.“ 

Der eigentliche Cyberabwehrraum liegt noch eine gesicherte Tür weiter. Von hier aus schützen die IT-Expertinnen und -Experten der Schwarz-Gruppe mehr als 4000 deutsche Lidl- und Kaufland-Märkte und Milliarden von Kundendaten. Der Schutzwall des Unternehmens wird von drei Tischreihen aus errichtet; vorn an der Wand flackern Dashboards mit Balken- und Kreisdiagrammen. Praktisch ununterbrochen versuchen digitale Eindringlinge, irgendwo ein Schlupfloch ins Unternehmen zu finden, doch im Moment ist es eher ruhig.

Christian Müller, Schumanns bessere Hälfte und Co-CEO von Schwarz Digits, zeigt auf eine rote Zahl rechts auf dem großen Wandbildschirm: 99 Prozent der konzernweiten Programme und Rechner sind sicher, nur ein Prozent bietet gerade eine Schwachstelle, die Hacker angreifen könnten. „Wir checken alles in Echtzeit, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“, sagt Müller. 

Die Kommandozentrale ist eindrucksvoll – aber vor allem ist sie Teil einer der spannendsten Transformationsgeschichten, die in Europa derzeit geschrieben werden: der Verwandlung eines eigentlich biederen Handelsriesen zum Digitalkonzern. Die Schwarz-Gruppe – Mutter von Lidl und Kaufland – schickt sich an, das europäische Amazon zu werden. Es ist ein gigantisches Projekt, in dem es nicht nur darum geht, online Waren unter die Leute zu bringen. Sondern darum, eine digitale Infrastruktur zu schaffen, von der ganz Europa profitieren soll: Cloud-Dienstleistungen, KI, Cybersicherheit für Konzerne, Mittelständler und Behörden. Die Schwarz-Truppe hat selbstbewusste Pläne – und sie hat das Kapital, die Leute, den Mumm, sie auch umzusetzen. Aber reicht das, um sich gegen die US-Konkurrenz zu behaupten?

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