Manch einer dürfte sich am Montag ungläubig die Augen gerieben haben: Medienberichten zufolge wird das renommierte Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Zukunft nicht mehr bei der Gemeinschaftsdiagnose der Bundesregierung dabei sein. Dafür rückt angeblich das Berliner DIW-Institut nach sechs Jahren wieder hinein in den vom Wirtschaftsministerium ausgewählten Elitekreis der deutschen Wirtschaftsforscher. Für die Ökonomenzunft ist das ein ziemlicher Hammer.
Und es ist eine mehr als gewagte Entscheidung. Seit der ersten Konjunkturprognose im Jahr 1950 gehörte das Kieler IfW zum Kreis der Institute, die zweimal jährlich das Gutachten erstellen. Angeblich war das Angebot des Instituts zu teuer. Eine ziemlich dünne Begründung für einen solchen Schritt! Tatsächlich zeigt das Wirtschaftsministerium erneut kein besonderes Fingerspitzengefühl bei seiner Institutsauswahl.
Alle drei Jahre wird die Zusammensetzung der Gemeinschaftsdiagnose vom Ministerium neu ausgeschrieben. Es ist nicht die erste äußerst umstrittene Entscheidung. Ironischerweise hatte ausgerechnet die Verbannung des DIW aus dem Gutachterkreis vor sechs Jahren für viel Wirbel gesorgt. Ebenso später der Ausschluss des gewerkschaftsnahen IMK. In beiden Fällen vermuteten Einige ein politisches Motiv hinter dem Rausschmiss der damals eher links gerichteten Institute, die beide dem deutschen Ökonomen-Mainstream widersprachen.
Das war beim IfW wohl nicht der springende Punkt. Diesmal dürfte es andere Gründe geben - jenseits des Preises. Eine naheliegende Erklärung: Es standen wohl andere Institute mit ihren teils neuen Chefs dem Wirtschaftsministerium näher und haben möglicherweise geschickte Lobbyarbeit in Berlin geleistet.
Doch was auch immer zu dieser Entscheidung geführt hat, fachlich ist sie eine kleine Katastrophe. Das Kieler IfW steht wie kaum ein anderes Institut in Deutschland für höchste Qualität gerade im Bereich Prognose. Man mag wirtschaftspolitisch mit den Kielern nicht immer einer Meinung sein, doch ihre Konjunkturprognosen sind sehr fundiert und basieren auf jahrelanger Erfahrung, speziell was den Blick auf Länder außerhalb Europas angeht. Diese Expertise wird in der Gemeinschaftsdiagnose künftig fehlen.
Noch schlimmer wäre es, sollte die Entscheidung das IfW nachhaltig beschädigen – so wie es beim DIW der Fall war (wenngleich damals noch ganz andere Probleme eine Rolle spielten). Das IfW ist wichtig für den internationalen Ruf der deutschen Wirtschaftsforschung. Im Think-Tank-Ranking der University of Pennsylvania liegt das IfW im Bereich Wirtschaftspolitik weltweit unter den Top 30 Instituten auf dem fünften Platz. Dabei ist es sogar besser platziert als die amerikanische RAND Corporation oder das ehrwürdige National Bureau of Economic Research. Die Kieler leisten also anerkanntermaßen gute Arbeit, was die Reputationsschädigung durch den Rausschmiss noch unfairer erscheinen lässt.
Gute Arbeit leisten ohne Frage auch andere Institute. Das DIW hat unter dem sachkundigen neuen Präsidenten Marcel Fratzscher sicher eine neue Chance verdient. Aber es ist verwunderlich, wenn ausgerechnet das IfW dafür herausfällt, statt anderer, kleinerer Institute. Geht es wirklich um Geld, so müsste eigentlich gelten: Qualität hat ihren Preis. Doch stattdessen wird nun wohl ein anderer Preis gezahlt. In Form eines weiteren Bedeutungsverlusts der Gemeinschaftsdiagnose infolge schlechterer Prognosen.