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Bernd Ziesemer 2025 wird das Jahr der großen Unsicherheit

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer hat sieben Prognosen für 2025 aufgestellt. Er erwartet ein Jahr, in dem die Politik Wirtschaft und Finanzmärkte bewegen wird wie schon lange nicht mehr

Die letzten Börsentage dieses Jahres signalisieren, was uns wahrscheinlich im nächsten Jahr blüht: Verunsicherung und Volatilität an den Finanzmärkten, neue Verwerfungen und alte Herausforderungen in der Weltwirtschaft. 2025 wird kein Jahr des ökonomischen Selbstlaufs. Vielmehr entscheiden politische Faktoren so stark wie schon lange nicht mehr über unser wirtschaftliches Wohl und Wehe. Sieben Prognosen für das nächste Jahr.

USA prägen Geld- und Geopolitik

Erstens: 2025 wird das Jahr der USA. Trotz Donald Trump und wegen Donald Trump. Der neue Präsident wird viel Chaos anrichten, aber unterm Strich für stärkeres Wachstum sorgen. Viele Ankündigungen, zum Beispiel die Einführung von Zöllen auf alles Mögliche, werden nicht umgesetzt. Trump setzt auf „Deals“ und will sie mit maximalem Druck besonders lukrativ für die USA gestalten.

Zweitens: The Fed is back! Nichts prägt die Finanzmärkte im nächsten Jahr mehr als die amerikanische Zinspolitik. Noch ist die Inflation in den USA nicht besiegt. Noch bleibt die Zahl der nächsten Zinsschritte unklar. Einen sicheren Lauf an den Börsen sollte deshalb niemand erwarten. Auch der Dax wird 2025 letztlich in Washington D.C. gemacht.

Russland unter Druck

Drittens: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine geht in sein Entscheidungsjahr. Für beide Seiten geht es nicht mehr weiter wie bisher. Die Ukraine hat bessere Karten, als es auf den ersten Blick scheint, Putin schlechtere Karten, als es auf den ersten Blick scheint. Die einzige Hoffnung des Diktators ist die Hoffnung, dass Trump die Ukraine in die Kapitulation treibt. Doch das wird nicht passieren: Der Präsident will als Sieger vom Feld gehen und nicht als Schwächling.

Viertens: Der Weltmarkt für Erdgas und Erdöl steht vor dem größten Umbruch seit langem. Die amerikanischen Produzenten starten durch, der Iran und Russland kommen zum ersten Mal unter heftigen Druck. Und die OPEC verliert weiter an Relevanz. Europa wird noch mehr Öl und Flüssiggas aus den USA beziehen als jetzt schon. Und die letzten russischen Ströme nach Europa versiegen langsam aber sicher.

Fünftens: Deutschland bekommt eine neue Bundesregierung – und damit auch eine neue Wirtschaftspolitik. Nicht alles ändert sich, dafür sorgt schon der Zwang, eine Koalition zu bilden. Aber es besteht eine große Chance, dass sich endlich wieder eine Wachstumspolitik durchsetzt. Ende 2025 könnte die deutsche Industrie deshalb endlich auf einen Erholungskurs einschwenken.

Europa tritt auf der Stelle

Sechstens: China bleibt ein unsicherer Kantonist in der Weltwirtschaft. Xi Jinping findet keinen Weg aus der Misere, in die seine Politik das Land gestürzt hat. Der kalte Krieg um westliche Technologien verschärft sich und hemmt das Wachstum zusätzlich. Alle alten Probleme – von der Immobilienkrise bis zur Konsumschwäche – bleiben.

Siebtens: Europa kommt auch 2025 nicht wirklich voran. Es fehlt Führung – und es ist nicht erkennbar, wer sie übernehmen könnte. Deshalb kann Ungarn weiter für Ärger aller Art sorgen. Deshalb fällt es weiter schwer, eine gemeinsame Linie im Umgang mit den USA, mit Russland oder China zu formulieren. Deshalb spielt Europa nur eine marginale Rolle in der Bewältigung der Herausforderungen. 

Aus all diesen Gründen wird 2025 zu einem typischen Durchgangsjahr. Erst 2026 entsteht ein neues Äquilibrium in der Weltwirtschaft. 

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

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