François-Henry Bennahmiasist seit 2012 CEO von Audemars Piguet, einer der letzten unabhängigen Uhrenschmieden mit Sitz in Le Brassus. Zuvor hatte er seit 1994 verschiedene Führungspositionen im Unternehmen inne. Seine ersten Karrierestationen waren bei Modemarken wie Giorgio Armani oder Villebrequin.
Capital: Wofür würden Sie sich gerne mehr Zeit nehmen?
FRANÇOIS-HENRY BENNAHMIAS: Tatsächlich würde ich mir für mich persönlich mehr Zeit nehmen. Mehr Zeit für mein Privatleben – meine Kinder.
Was bedeutet für Sie Entschleunigung?
Eigentlich bin ich immer sehr aktiv. Ich entspanne vielleicht für ein oder zwei Stunden am Tag, muss dann aber sehr schnell wieder etwas tun. An Weihnachten beispielsweise, während der Feiertage, habe ich gearbeitet, um die Genfer Uhrenmesse SIHH vorzubereiten. Entschleunigung kann für mich auch bedeuten, meinen Kleiderschrank aus- und danach alles perfekt wieder einzuräumen. Das lässt mich über ganz andere Dinge nachdenken und ist eine sehr entspannende Beschäftigung.
In der Hektik des Alltags vergisst man viel zu oft...
Mein Vater ist kürzlich 82 Jahre alt geworden und an seinem Geburtstag, abends um 20 Uhr, hat es bei mir plötzlich „klick“ gemacht: „Oh nein, ich habe vergessen ihn anzurufen!“ Ich habe es aber gerade so vor Mitternacht noch geschafft.
Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, in welches Jahr würden Sie reisen – und warum?
In die Zukunft. Ich glaube fest daran, dass die Welt in der Zukunft ein besserer Ort sein wird.
Wie sieht für Sie die Uhr der Zukunft im Jahr 2100 aus?
Ich glaube, dass wir einen „Uhrmacher 4.0“ sehen werden. Natürlich wissen wir noch nicht, was dieser Uhrmacher mal können wird, aber die Art und Weise seines Handwerks wird sich garantiert ändern. Ich möchte, dass die Leute anfangen über Ideen nachzudenken, die sie vielleicht heute noch nicht haben.
Wofür schlägt ihr Herz: Handaufzug, Automatik, Quarz, Digital oder Smart?
Ich mag einfach den Mechanismus eines automatischen Uhrwerks, auch manuelles Aufziehen finde ich manchmal eine schöne Aufgabe.
Welchen Tag und/oder welche Uhrzeit werden Sie nie vergessen?
Da gibt es viele, gute und schlechte. Der Tod eines geliebten Menschen und die Geburt der eigenen Kindern beispielsweise, klar, das vergisst man nicht. Und auch Begegnungen mit ganz besonderen Persönlichkeiten, bekannt oder unbekannt.
Welche Komplikation, welches Feature würden Sie gern einmal in eine Uhr integriert sehen?
Eine Komplikation, die eigentlich keine ist: Eine Uhr, die selbst mich entspannt und entschleunigt …
Ihr liebstes Buch mit Uhren-Bezug?
Da bin ich ganz ehrlich: Ich lese keine Bücher, weil ich so viele andere Texte und Inhalte verarbeiten muss. Und wenn ich nach acht bis manchmal zwölf Stunden Arbeit nach Hause komme, sind Uhren endlich mal Nebensache, da öffne ich mein Gehirn für vieles andere. Beispielsweise für die Frage, wie Menschen noch besser miteinander arbeiten könnten. Dieses Thema treibt mich stark um.
Ihr liebster Film, bei dem es um Zeit oder Uhren geht?
Das weiß ich sofort: „End Of Days“ von 1999 mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Nicht weil das ein so brillanter Film war, sondern weil wir darin das erste Mal eine Uhr platzieren konnten, auch wenn sie am Schluss gar nicht wirklich zu sehen war. Trotzdem öffneten sich damit zahlreiche Türen und wir konnten mit einer limitierten Edition der Royal Oak Offshore, begrenzt auf 300 Stück, eine Million Euro für Kinder sammeln.
Die größte Herausforderung ...
... für einen Uhrmachermeister heute?
Den Wandel vom Uhrmacher 1.0 zum Uhrmacher 4.0 zu vollziehen.
... für die Uhrenbranche insgesamt?
Für die kommenden Generationen relevant zu bleiben. Erst vor Kurzem habe ich mich mit einem italienischen Einzelhändler unterhalten, der zwei Kinder im Alter von 25 und 26 Jahren hat. Die beiden würden ihren Eltern nie sagen: „Euer Business-Modell hat ein Verfallsdatum“. Das verbietet ihnen der Respekt vor ihren Eltern. Doch damit entsteht um diese herum eine Blase trügerischer Sicherheit, oder? Und eines Morgens wachst du auf, denkst, alles ist in Ordnung, und erfährst dann, dass etwas Neues durchstartet und du raus bist. Denken Sie an Kodak, die besaßen 1997 noch 80 Prozent der Marktanteile im Bereich gedruckter Fotos. Eines Tages bekam der CEO Besuch von einem japanischen Wissenschaftler, der eine Digitalkamera bei sich trug. Diese sei die Zukunft, sagte er. Der CEO von Kodak hielt das für Quatsch. Und nur zwei Jahre später war der Konzern insolvent! Das sollte uns alle zugleich vorsichtig, wachsam und mutig machen.
... in Ihrem derzeitigen Job?
Im Mittelpunkt steht immer der so genannte menschliche Faktor. Ich muss Menschen mit der gleichen Energie, der gleichen Motivation und den gleichen Werten zusammenbringen – und zusammenhalten. Um mit ihnen gut zu sein und immer besser zu werden.