„Wir stehen vor der glorreichsten Zeit dieses Hauses“, sagt der Mann mit dem rasierten Haupthaar und öffnet die Tür zu einem verschlossenen, dunklen Reich. „Dürfen die das überhaupt sehen?“, fragt er seine engste Mitarbeiterin, die ihm auf Schritt und Tritt folgt. Sie zuckt mit den Schultern. „Ach, ist auch egal. Ich will es jetzt zeigen.“
Hinter der Tür ist es staubig und kalt. Langsam tastet sich die kleine Gruppe in den Raum vor. „Schauen Sie ruhig hinunter, aber fallen Sie mir nicht.“ Hinter einem Geländer tut sich ein gigantisches Loch auf. Das Loch, in dem einmal das Herz des neuen KaDeWe schlagen soll. Das Kaufhaus des Westens mit seinen 60.000 Quadratmetern Verkaufsfläche soll von hier aus mit dem versorgt werden, das es am Leben erhält: mit Kunden.
Die Gruppe steht im Treppenhaus, und André Maeder, der Mann mit dem rasierten Haupthaar und CEO der KaDeWe Group, ruft: „Man kann es sich vielleicht noch nicht recht vorstellen, aber dies wird nicht nur das Herz, es wird unsere Kathedrale!“ Und es scheint, als ob Maeder mindestens fünf Ausrufezeichen hinter diesen Satz gesetzt hat.
Doch genau in diesem Moment, in diesem zugigen, gespensterleeren Raum, wird dem Besucher tatsächlich die Vision klar, die sich hinter den verschlossenen Türen des größten Warenhauses Kontinentaleuropas verbirgt. Noch ist es ein Abgrund, in den man blickt. Die Skelette der Fahrstühle, die hier einmal Kunden transportiert haben, sind noch sichtbar. Doch die profane Funktionalität soll einem visuellen Erlebnis weichen, einer Einladung an die Welt, einzutauchen in eine Art Schokoladenfabrik des Konsums.
Hier wird schon 2021 ein Geflecht von holzverkleideten Rolltreppen unentwegt Menschen hinauf- und hinuntertransportieren, die meist schon alles haben, aber davon noch mehr wollen. Heute arbeiten vor allem in den Nächten, wenn die Kunden aus dem Haus sind, die Handwerker auf sechs Etagen am Zentrum des Konsumtempels mitten in Berlin – der die besten Jahre doch eigentlich hinter sich zu haben scheint. Eine Baustelle, vielleicht die einer Kathedrale. Vielleicht aber auch die einer Trutzburg. Gegen die Kräfte des Onlinehandels, den Käuferschwund und die Zeichen der Zeit.
Alarm und Aufbruch
Die Menschen, die diese Burg stärker als je zuvor errichten wollen, heißen: René Benko, Immobilienmogul; Tos Chirathivat, Warenhauskönig; Vittorio Radice, Mastermind des Warenhauskönigs; André Maeder, CEO der KaDeWe Group, und Rem Koolhaas, Architekt und Traumerfüller aller Beteiligten. Oder, regional ausgedrückt: ein Österreicher, ein Thailänder, ein Italiener, ein Schweizer und ein Niederländer. Sie alle haben sich vereint hinter einer Vision, die bis 2023 mindestens 450 Mio. Euro kosten wird. Mit diesem Geld sollen das Kaufhaus des Westens in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München grundsaniert werden – drei Traditionshäuser, die alle einmal eine Alleinstellung in ihrer Stadt hatten und deren Vormachtstellung in den vergangenen Jahren in Gefahr geraten ist.
Es ist eine gewaltige Investition, die auf einen Markt trifft, der international schwierige Zeiten durchmacht. Warenhäuser gelten vielen in der Handelsbranche als nicht mehr zeitgemäß. Hiobsbotschaften aus den USA reißen nicht ab, Zukunftsforscher sprechen von „Centersterben“. Die Aufbruchstimmung vergangener Jahre ist der Alarmstimmung gewichen. Der größte aller Konsumtempel hat eben nicht 60 000 Quadratmeter, sondern ist erdumspannend und heißt Amazon. Und er hat Millionen von Nachahmern, die ebenfalls ohne Steine und sichtbares Verkaufspersonal Tag und Nacht Waren umsetzen. Kommen mehr Kunden, kauft man neue Server oder vergrößert die Cloud. Rolltreppen jedenfalls werden in Zukunft nicht benötigt, um die Etagen der Internetkathedralen zu erklimmen.
Hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Ein unnützer Kampf. Mit Macheten gegen Panzer. Ende ohne Happy End. Doch diese Geschichte soll hier erst beginnen und das Ende eben nicht zwingend düster sein. Vielleicht verbrennen die fünf Visionäre mit ihrem Plan viel Geld. Vielleicht aber schaffen sie auch eine Traumwelt, in der es amüsanter zugeht als auf den Datenautobahnen von Jack Ma und Jeff Bezos. Vielleicht schaffen sie die Zukunft des stationären Handels ausgerechnet hier: in den Mauern seiner Anfänge.
Als Adolf Jandorf 1907 das KaDeWe eröffnete, hatte er schon sechs andere Geschäfte erfolgreich gegründet und geführt. Er arbeitete den ganzen Tag in seinen Warenhäusern. Vom Einkauf über die Buchhaltung bis zur Schaufensterdekoration – er kümmerte sich um alles und scheute nichts. Meist musste ihm seine Frau das Essen bringen, damit er überhaupt einmal Pause machte. Sein großes Vorhaben: Das Kaufhaus des Westens sollte sich grundsätzlich von seinen bisherigen Warenhäusern unterscheiden. War der Ursprungsgedanke noch ein „Volkswarenhaus“ für das „Berliner Proletariat“ gewesen, sollte das neue, größte Haus an der Tauentzienstraße die Ansprüche und Wünsche der wilhelminischen Elite bedienen. Der damalige Stararchitekt des Münchner Oberpollinger, Johann Emil Schaudt, wurde mit dem Bau beauftragt. Außen Muschelkalk, innen edelste Hölzer und Naturstein. So entstanden fünf Stockwerke in nur einem Jahr. Und Berlin hatte einen Konsumtempel, der höchsten Ansprüchen genügte.
Im März 1907 öffneten sich erstmals die Türen. Der Kaiser blieb zwar fern, aber schon im August kam der König von Siam mit seinem Gefolge zu einem zweitägigen Einkauf. Eine Erfolgsstory von Beginn an. „Alles, was wir heute machen“, sagt CEO André Maeder, „hat Jandorf eigentlich schon damals erdacht.“ Es gab persönliche Einkaufsassistenten, feinste Waren aus fernen Ländern, jeden erdenklichen Service für die anspruchsvolle Kundschaft. Doch der Erfolg Jandorfs sollte bald den Zorn der Einzelhändler nach sich ziehen, die Umsatzverluste beklagten. Der aufkommende Antisemitismus war den Konkurrenten des Juden Jandorf dabei hochwillkommen, leicht ließ sich in dieser Atmosphäre eine Zusatzsteuer für Warenhäuser durchsetzen. Mit immer neuen Bauverordnungen sollten außerdem weitere Warenhäuser verhindert werden. Jandorf verkaufte 1926 alle seine Häuser und Grundstücke an die Hermann Tietz OHG (später Hertie). Tietz wurde damit zum größten Warenhausbesitzer Europas. 1932 starb Jandorf an den Folgen einer Blinddarmentzündung, seine Familie flüchtete vor den Nazis in die USA.
1943 stürzte ein Kampfjet in das KaDeWe, und das Haus brannte fast völlig aus. Doch schon 1950 wurde es wiedereröffnet. Danach ging es durch viele Eigentümerhände, bis es schließlich 2013 René Benko und seine Signa Holding erwarben, zusammen mit den anderen Spitzenhäusern der Karstadt-Gruppe. 2015 verkaufte der österreichische „Wunderwuzzi“ 50,1 Prozent der Anteile an der dann sogenannten KaDeWe Group an die italienische Rinascente-Gruppe, die wiederum zum Firmenkonglomerat der thailändischen Central Holding gehört. Diese besitzt Warenhäuser auf der ganzen Welt, nach eigenen Angaben mit sieben Millionen Quadratmetern Fläche.
Jürgen Klopp des KaDeWe
Der Schweizer André Maeder führt das KaDeWe und seine Geschwister Alsterhaus und Oberpollinger seit 2013. Er hat bei Harrods in London gearbeitet und war Vertriebschef bei Karstadt, bevor er an die Spitze der Luxushäuser aufrückte. Er ist der Jürgen Klopp des KaDeWe. Ohne ihn geht es auch, aber eben nicht an die Spitze. Alle 30 Jahre habe es einen „Megachange“ im Haus gegeben, sagt er. Der letzte, entscheidende Umbau war die Verwandlung der Feinkostabteilung zur „Foodhall“ in den 90er-Jahren. „Heute sind wir die Nummer eins im Fisch, im Käse, sind groß im Fleisch. Wir sind der Gourmet-Supermarkt schlechthin.“
Doch Maeder gehört auch zu den Warnern im Konzern. Er reist regelmäßig zu den Spitzenhäusern in der Welt, Selfridges in London, Galeries Lafayette in Paris, Isetan in Tokio, Bergdorf Goodman in New York. Und was er da sieht, beeindruckt ihn und zeigt ihm den Weg. Und der ist, bei allem Selbstbewusstsein, noch ein langer für das KaDeWe.
Die Weltspitze hat auf den Druck des Onlinehandels längst mit Luxus, Servicequalität und feinster Innenarchitektur reagiert. Was hat in Deutschland bisher gefehlt? „Ich glaube, Investitionen“, sagt Maeder. „Wenn wir jetzt nichts machen würden, dann ist es eines Tages zu spät. Und dann kommt der point of no return. Wir müssen uns ständig neu erfinden. Ein Warenhaus ist eine Erlebniswelt, in die der Kunde eintaucht. Die muss attraktiv bleiben.“
Das Erlebnis, das Maeder meint, hat immer weniger mit üblicher Kaufhausware zu tun. „Wir bieten viel mehr als weiße Hemden, Kaschmirpullis und schwarze Socken.“ Schon heute können seine Kunden in diskreten Beauty-Kabinen Anwendungen buchen – wie man sie aus einem Spa kennt. Aber das sei eben nicht genug. Maeder ist ganz verzückt, wenn er über den neuen Service spricht: „Wir haben am Samstag zum Beispiel einen Doktor da, der Botox spritzt. Wir haben auch einen Zahnarzt an bestimmten Nachmittagen, der die Zähne bleacht.“ Dazu gibt es Kabinen zur Haarentfernung, deren Besucher, wie man sich unter der Hand rühmt, zur Hälfte Männer seien. Der Vorteil des KaDeWe, erklärt Maeder: „Die Hemmschwelle ist bei uns niedriger.“
Group-Chef Vittorio Radice sagt: „Wir sind nicht dafür da, Luxus anzubieten, sondern Auszeiten.“ Um das zu erreichen, sei Wandel absolut nötig – und mit der Zeit zu gehen zwingend erforderlich. So hätte sich zum Beispiel Selfridges in London vom „Kaufhaus mit gemütlicher Strickjacke“ zu einem „sexy Giganten“ entwickelt. Nichts Geringeres haben die Investoren rund um Radice nun mit den deutschen Luxushäusern vor: Raus aus den Strickjacken mit Wollflusen, hinein in die Welt der oberen Zehntausend.
Fast alle internationalen Häuser haben trotz der gewaltigen Investitionen Kunden verloren. Dagegen ist die Zeit, die die Kunden in den Konsumtempeln verbringen, kontinuierlich gestiegen. Wenn der Wandel gelingt, dann ist es eine einfache Rechnung: weniger Kunden, höhere Qualität, mehr Zeit im Haus und schließlich höherer Umsatz und Gewinn. Es käme dann nicht mehr darauf an, mehr Kunden zu überzeugen. Es müssten die richtigen kommen, die auch bereit sind, hohe Summen auszugeben, ist sich Maeder sicher. Der böse Satz des Konsumberaters Martin Hotz über das grundsätzliche Problem der Warenhäuser „viele Beine, wenig Scheine“ soll sich durch die Aufwertung der Flächen in „weniger Beine, mehr Scheine“ wandeln.
Schaut man sich im KaDeWe um, trifft man heute schon auf zwei Welten. Die, die bereits umgebaut wurde, und die, die es noch vor sich hat. Da das Haus nicht über Jahre schließen kann, läuft der Umbau in Quadranten. Jedes der sechs Stockwerke hat vier Zonen, 24 Bauabschnitte sind definiert und haben ihren eigenen Architekten. Gesteuert wird das alles vom Architektenbüro OMA. Kopf dahinter ist einer der wohl beeindruckendsten Architekt der Welt: Rem Koolhaas. Der hat etwa mit der Fondazione Prada am Rande Mailands ein einzigartiges Architekturdorf geschaffen. Kunst trifft dort auf Industrie, Moderne auf Renaissance. Ein aus Stein, Stahl und Glas errichtetes Gesamtkunstwerk verschiedener Stilrichtungen.
Reich für die Insel
Das KaDeWe soll ebenso facettenreich werden. Schon heute sieht man die Unterschiede zwischen alter und neuer Welt. Maeder steht auf der Grenze zwischen einem umgebauten und nicht umgebauten Quadranten. Auf der einen Seite Kaufhaus-Einheitslicht und diffuse Kundenführung, auf der anderen Seite klare Linien, fokussierte, fast unsichtbare Deckenspots auf inszenierte Warenwelten. 24 dieser Inseln sollen so entstehen. Was ist die Leitlinie für die Designer? „Einzigartigkeit und Überraschung“, sagt Maeder.
In der „Foodhall“, dem umsatzstarken Feinkostsupermarkt im sechsten Stock, kann man die Zukunft im Quadranten „C“ sehen. Dieser Bereich macht Maeder besonders stolz, sagt er doch alles über die Philosophie bei der Architektenauswahl. Beauftragt wurde das Studio Karhard aus Berlin. Und das, obwohl es noch nie eine Lebensmittelabteilung gestaltet hat. Dafür aber das Berghain, den legendären Technoclub in Friedrichshain. Und so wundert es auch nicht, dass Käsetheke, das Restaurant „Kartoffelacker“, die Weinregale und -kühlräume wie aus einem Science-Fiction-Film wirken. Hinter einer bislang geschlossenen Tür führt der Chef auf eine Baustelle. Dort entsteht bis Anfang Dezember ein Steak-Restaurant, künftig natürlich das „beste der Stadt“.
Und so läuft es bis 2023 weiter. Bis schließlich alle Quadranten neu gestaltet sind und die vier Treppenhäuser alle Viertel der 60 000 Quadratmeter miteinander verbinden. So ähnlich geht die Investorengruppe auch im Alsterhaus und im Oberpollinger vor. Für das Münchner Haus wurde der Architekt John Pawson gewonnen. Auch er hat sich noch nie zuvor mit einem Warenhaus beschäftigt, sondern Kirchen gestaltet, Landsitze am Comer See oder eine hölzerne Kapelle in einem Wald. Was reizt ihn an einem Warenhaus? Der Zeitschrift „Architectural Digest“ sagte er: „Ich entwerfe einfach gerne Räume, in denen sich Leute wohlfühlen, gleich welcher Art. Online zu shoppen ist so einfach geworden, also muss die physische Erfahrung an so einem Ort eine sehr sinnliche sein. Das Bedürfnis nach Ruhe und Fokussierung gibt es überall.“
Die Kunst ist es, Orte zu schaffen, die einen magisch anziehen, ohne dass man dabei genau definieren könnte, warum. Das schafft das Internet mit seinen Millionen virtuellen Verkaufsräumen nicht. Wärme gibt es nur in der begehbaren Realität. Pawson sagt das so: „Gerade das ziellose Stöbern scheint mir online immer noch weniger befriedigend, als wenn man sich durch einen besonders gestalteten Raum bewegt.“
Das KaDeWe hat heute zehn Millionen Besucher pro Jahr, schätzt Maeder und meint damit nicht unbedingt Kunden. Nach dem Brandenburger Tor sei das Warenhaus der meistbesuchte Ort Berlins. Sogar der Louvre in Paris hätte weniger Besucher. Doch Touristen sind nicht der alles entscheidende Faktor für den Umsatzerfolg. 40 Prozent der Kunden kommen aus Berlin, 23 Prozent aus dem restlichen Deutschland, 21 Prozent aus dem EU-Ausland und sieben Prozent aus China. Die Kundenführung hat man dennoch längst internationalisiert, die Besucher werden vornehmlich auf Englisch durchs Haus geleitet. Die Kunst ist es, sie wie durch einen Kamineffekt in alle Stockwerke zu ziehen.
Das gelingt beim KaDeWe durch die „Foodhall“ im sechsten Stock. Je attraktiver die gestaltet ist, umso mehr Menschen wollen sie sehen und kommen dabei an allen anderen Abteilungen vorbei. Doch noch entscheidender für den Erfolg ist der „Groundfloor“. Dort macht das KaDeWe 40 Prozent seines Umsatzes mit den „Stores“ von Luxusmarken wie Prada, Bottega Veneta, Gucci, Louis Vuitton und allem, was einen Namen hat in der Modewelt. In Hamburg und München sind die Zahlen ähnlich. Im „Groundfloor“ zählen Tausender in den Kassen, nicht Hunderter. Wer Stammkunde ist, wird besonders betreut. Die elektronische Kundenkarte verrät alles über die Vorlieben der konsumfreudigen Luxusshopper. 600 Mio. Euro setzen die drei Häuser der Gruppe im Jahr um 4000 Mitarbeiter aus 50 Nationen sorgen sich täglich um die Besucher. An einem guten Samstag kommen 100.000 Menschen allein ins KaDeWe. In den Vorweihnachtstagen sogar noch mehr.
Einmal ein König
Axel Surendorf betreut die besten Kundinnen und Kunden des Hauses persönlich. In Hamburg geboren und in Köln groß geworden, besuchte er die Modehäuser auf der ganzen Welt. Er ist von Beruf Kundenversteher und nennt sich „Personal Shopper“. Sein Team aus vier Mitarbeitern steht mit rund 350 Kunden in Kontakt, die das Besondere suchen oder sich darauf verlassen, dass Surendorf sie informiert, wenn limitierte Kollektionen oder Einzelstücke ins Haus kommen. Das Herz des fröhlichen, lockigen Mannes schlägt eindeutig für die Mode, aber er kennt sich in jeder Abteilung aus, kann Lautsprechertechnik erklären und Weine empfehlen, Kaviarsorten auseinanderhalten und Porzellan zusammenstellen.
Im fünften Stock hat er sein Reich, einen „Fitting Room“, der für diejenigen reserviert ist, die auf Vorbestellung von ihm einkaufen lassen. Viele Kunden mailen ihm ihre Wünsche vorab – und er besorgt die Dinge in den Stockwerken. In der privaten Atmosphäre der großzügigen Räume berät Surendorf dann die manchmal nicht ganz stilsicheren Gäste mit Witz und Charme. „Einer guten Kundin habe ich nicht nur ein komplettes Outfit zusammengestellt. Da habe ich auch gleich eine Gesichtsbehandlung empfohlen“, sagt er. „Es müsse ja alles zusammenpassen.“ Die meisten Kundinnen und Kunden kennt er seit vielen Jahren. Sie vertrauen ihm. Einige sogar so weit, dass er mit deren Kreditkarten den Einkauf selbstständig tätigt und die Ware einfach an die Heimatadresse schickt. „Ich kenne die doch manchmal besser als sie sich selbst“, sagt Surendorf. 15 Kilometer legt er am Tag im Kaufhaus zurück und kommt dabei nun in der Kinderabteilung mit Gucci-Schläppchen für 285 Euro vorbei („niedlich“), dann führt er zielsicher in den zweiten Stock zu „Womenswear Fashion“.
Auch hier sind die großen Modemarken zum Teil mit eigenen Shops vertreten, rund 120 beheimatet das KaDeWe mittlerweile. Allen voran Louis Vuitton, Chanel , Hermès, Prada und Cartier. Surendorfs Reich. Hier zeigt er Lederkleider von The Row für 8.000 Euro und eine Bluse von Céline für 1590 Euro („Sag ich doch, unter 1.600!“), aber rät auch ab („Oh Gott, eine Presswursthose“).
Auch die Topmarken haben den großzügigen Umbau der drei Warenhäuser erst möglich gemacht. Von den 450 Mio. Euro Gesamtinvestment stammen 200 Mio. Euro von den Partnern. Maeder sagt: „Man kann die Eigentümer in Sitzungen überzeugen. Aber 120 Lieferanten ebenfalls zu begeistern und sie zu so einem Schritt zu bewegen, das war entscheidend.“
Ob es am Ende reicht, ist jetzt noch nicht absehbar. Kunden werden weiter ins Internet abwandern, den Weg in die Stadt scheuen, Gefallen an der Preisschlacht des Onlinehandels zu ihren Gunsten finden. Vittorio Radice sagt: „Unsere Aufgabe ist es, den Kunden so gut wie möglich zu unterhalten, dann kauft er auch.“ Vielleicht ist es so einfach. Nur Stein und Glas und Licht werden dafür nicht reichen. Im letzten Jahr veranstaltete das KaDeWe einen Abend mit Drag-Queens, während online der „Black Friday“ tobte. Erlebnis gegen Rabattschlacht. „Wir sind keine ‚Einkaufsstätte‘“, sagt André Maeder und lässt seinen Blick über den Luxus im Erdgeschoss schweifen. „Wir sind eine Destination.“