Mun Kim wurde in Südkorea geboren, wuchs auf Hawaii auf und arbeitete bis 2008 als Banker an der Wall Street. Dann trat er eine Lehre bei dem berühmten japanischen Sushimeister Makoto Okuwa an und eröffnete zwei Restaurants in Argentinien. 2016 folgte das „Mun“ in München-Haidhausen, das ost-asiatische Fusionsküche bietet. 2018 gewann es den Gourmet Award der Süddeutschen Zeitung und ist mit 15 Punkten im Gault&Millau gelistet.
CAPITAL: Sie haben 20 Jahre als Banker gearbeitet und dann eine Lehre bei dem bekannten Sushimeister Makoto Okuwa angefangen. Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Sushi-Kunst und Banker-Dasein?
Mun Kim: Das ist eine interessante Frage (lacht). Banker bearbeiten einen Fall auf der Grundlage von Historie und Zahlen. Was sie tun ist logisch und basiert auf ihrem Wissen. Was auch immer Köche oder Sushimeister zubereiten, basiert dagegen auf ihrer Persönlichkeit, alles hängt von ihrem persönlichen Geschmack ab. Dafür werden die Köche dann von ihren Kunden analysiert und kritisiert. Bei den Bankern ist es anders herum: Sie analysieren und kritisieren ihre Kunden.
Und was haben denn generell Banker und Köche gemeinsam?
Ich habe als Firmenbanker gearbeitet, meine Klienten waren also Unternehmen. Als deren Banker musste ich jedes kleine Detail über die Kunden wissen, um sie optimal beraten zu können. Auch als Koch muss ich alles über die aktuellen Trends wissen und auch, was meine Konkurrenten machen. In beiden Berufen spielen die kleinen Details also eine sehr große Rolle. Während man als Banker auf die Fußnoten und das Kleingedruckte achten sollte, kommt es als Koch beispielsweise darauf an, wie genau man das Fleisch zubereitet in Abgrenzung zu anderen Köchen.
"Wenn ich kochen durfte, war ich immer am glücklichsten"
Warum haben Sie sich überhaupt entschieden, Koch zu werden?
Ich habe schon immer sehr gerne gekocht. Banker arbeiten in der Regel zwischen 70 und 80 Stunden die Woche. Mein einziger freier Tag war der Sonntag. Da bin ich immer direkt nach dem Aufstehen Lebensmittel einkaufen gegangen und stand danach den ganzen Tag in der Küche und habe für mich und meine Freunde gekocht. Das hat mich immer sehr glücklich gemacht. Meinen Job als Banker habe ich allerdings unabhängig davon beendet. Etwas planlos, wie es mit meinem Leben weitergehen soll, habe ich dann erst einmal eine Reise in die Mongolei gemacht. Dort hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und habe realisiert, dass ich immer am glücklichsten war, wenn ich kochen durfte. Zu sehen, dass Menschen etwas genießen, was ich kreiert habe, bereitet mir viel Freude. Diesen Moment wollte ich jeden Tag erleben.
Woher kommt ihr Interesse am Kochen?
Der größte Einfluss war für mich sicherlich meine Mutter. Sie ist eine großartige Köchin und ich habe ihr schon als Kind gern dabei zugesehen und ihr geholfen. Wenn sie für die Familie gekocht hat, hatte sie immer ein Lächeln im Gesicht.
"Was wir machen, gab es vorher in München nicht"
In Argentinien haben Sie schließlich gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Cary Gilbert ihr erstes Restaurant eröffnet. Warum dort?
Nachdem ich nicht mehr als Banker tätig war, entschied ich mich, dass ich nach 25 Jahren in den USA woanders leben möchte. Als Banker war ich bereits fünf oder sechs Mal in Argentinien und habe schon damals in die Kultur und den Wein verliebt. Also zogen wir nach Buenos Aires. Dort eröffneten wir einen Supper Club mit asiatischem Fusion Food, der sehr erfolgreich wurde. Später zogen wir um nach Mendoza und eröffneten dort ein Restaurant.
Und wie kamen Sie von dort nach München?
In Argentinien lernten wir über Freunde den Münchner Eric Dolatre kennen. Er sagte, dass es so etwas wie wir machen, in München nicht gebe und ob wir nicht einmal darüber nachdenken wollen, dort ein Restaurant zu eröffnen. Wir sprachen kein Wort Deutsch und haben nie zuvor in Europa gelebt, aber wir hatten Lust auf die Herausforderung und haben es tatsächlich gemacht.
Sie führen Sie das „Mun“ in München seit mittlerweile fast drei Jahren. Haben die Deutschen spezielle Bedürfnisse an ihr Essen?
Wenn Sie mich das kurz nach der Eröffnung des Mun vor zweieinhalb Jahren gefragt hätten, hätte ich definitiv „Ja“ gesagt. Damals war ich sehr vorsichtig mit der Schärfe und anderen Zutaten, weil ich wollte, dass die Gäste das Essen mögen. Jetzt finde ich das allerdings nicht mehr. Klar bekomme ich ab und zu von deutschen Kunden auch das Feedback, dass irgendwo zu viel Knoblauch drin ist oder etwas zu scharf ist. Aber das kann überall passieren, die Deutschen sind da nicht speziell. Mittlerweile koche ich genau so wie ich es gerne essen würde und mein Restaurant ist voll.
Sie sind in Südkorea geboren und auf Hawaii aufgewachsen. Welche dieser Einflüsse spielen in Ihrer Küche eine Rolle?
Ich habe ein Gericht mit leicht hawaiianischem Einfluss, aber ansonsten spielt die hawaiianische Küche keine große Rolle für mich. Die koreanische Küche hat dagegen einen großen Einfluss auf mich, besonders, was meine Mutter immer gekocht hat.
"Was auf den Teller kommt, hängt von saisonalen Produkten ab"
Was ist wichtig für Sie, wenn Sie ein neues Gericht kreieren?
Als Banker hatte oft Meetings in Restaurants, bei denen es großartiges Essen gab. Wenn ich jetzt Gerichte kreiere, versuche ich diese Erinnerungen mit reinzubringen. Oder wenn ich selbst essen gehe und ein Gericht interessant finde, dann lasse ich mich auch davon inspirieren. Zudem experimentiere ich mit neuen Zutaten, Gewürzen, Ideen. Was auf den Teller kommt, hängt für mich davon ab, was es für Produkte gibt, also welche saisonalen Gemüsesorten beispielsweise. Ich gehe drei bis vier Mal die Woche einkaufen, um zu sehen, was es draußen gibt.
Was essen Sie denn privat am liebsten?
Das Lustige ist, dass ich zwar beruflich teures Fine Dining mache. Privat mag ich aber eigentlich Street Food am liebsten. Vor allem in Asien gehe ich immer auf die Street Food Märkte. Sie repräsentieren die Menschen, was und wie sie in ihrem Alltagsleben essen. Mein Lieblingsgericht ist aber wohl für immer die Kimchi-Suppe meiner Mutter.
"Ich weiß bei jedem Gericht ganz genau, wie viel es kostet"
Sie besitzen mittlerweile ihr drittes Restaurant. Sehen Sie sich heute mehr als Koch oder als Geschäftsmann?
Zur Hälfte das Eine, zur Hälfte das Andere, würde ich sagen. Als Koch kreiere ich Gerichte und als Mitbesitzer muss ich dafür Sorgen, dass diese Gerichte profitabel sind. Ich versuche also sicherzustellen, dass mein Produkt besser ist als das der Anderen, dass die Qualität hoch ist und dass es von den Gästen gemocht wird. Gleichzeitig arbeiten neun Personen für mich und ich möchte, dass sie keine Geldsorgen haben. Deshalb weiß ich bei jedem Gericht, das ich aus der Küche schicke, ganz genau, was es kostet.
Haben Sie sich schon neue Ziele gesteckt? Welche Stadt ist als nächstes dran?
Tatsächlich haben wir ganz aktuell angefangen darüber nachzudenken, ob wir das, was wir hier in München haben, auch in Berlin eröffnen sollten. Eine andere Idee, die wir schon länger haben, ist ein Restaurant für High End Casual Dining, das nicht so hochpreisig ist wie das „Mun“, aber dennoch sehr gute Qualität bietet. Damit könnte man hier in München anfangen und das dann auf weitere Städte übergehen. Auf jeden Fall wollen wir erstmal in Deutschland bleiben.