Capital: Wofür würden Sie sich gerne mehr Zeit nehmen?
SANTIAGO SABO: Aktuell bin ich viel unterwegs und arbeite als Piercing-Artist in unseren Saboteur-Filialen oder nehme weltweit an Piercing-Messen Teil. In meiner Freizeit würde ich am liebsten mehr Konzerte und Festivals besuchen, denn dort bekomme ich neue Inspirationen für meine Arbeit.
Was bedeutet für Sie Entschleunigung?
Ich nehme mir regelmäßige Auszeiten, damit ich konzentriert bleibe, zur Selbstreflexion und um das Leben zu genießen. Außerdem reise ich gerne und verbringe diese Zeit mit der Familie und guten Freunden. Dieser Austausch ist mir sehr wichtig, weil er mich erdet.
In der Hektik des Alltags vergisst man viel zu oft...
…dankbar zu sein und die Beziehungen in unserem Leben zu schätzen. Nicht zu vergessen: unsere Gesundheit. Stattdessen beansprucht die Hektik des Alltags oft zu viel Raum.
Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, in welches Jahr würden Sie reisen – und warum?
Ich würde unheimlich gerne zum Ursprung unserer Welt zurück: Jahr, Tag und Monat sowie Stunde, Minute und Sekunde – alles auf Null. Wie spannend! Auf der anderen Seite wäre auch ein Blick in die nähere Zukunft interessant. Wie werden die Menschen beispielsweise 2070 ihren Schmuck am liebsten tragen?
Wie sieht für Sie die Uhr der Zukunft im Jahr 2100 aus?
Ich denke, im Jahr 2100 wird man technologisch ausgefeilte und hochgradig vernetzte Smartwatches tragen. Daneben könnte es aber auch ein Comeback mechanischer Modelle geben, als beruhigender Pol in der Hightech-Brandung und aus sentimentalen Gefühlen gegenüber frühere Traditionen. Ohnehin sind Automatikmodelle mit einzigartigem, zeitlosen Design für mich wahre Kunst am Handgelenk und als solche von hohem (Sammler-)Wert. Auch für kommende Generationen. Eine Uhr, die an Emotionen, Geschichten und Personen erinnert, die überdauert alle Zeit.
Wofür schlägt ihr Herz: Handaufzug, Automatik, Quartz, Digital oder Smart?
Meine Leidenschaft gehört den automatischen Uhren, denn deren handwerkliche Raffinesse ist unerreicht. Momentan trage ich ein Modell aus unserer „Sacra“-Kollektion.
Welche Uhrzeit hat sich in Ihr Gedächtnis gebrannt?
Ich werde nie den Gründungstag von Saboteur vergessen: Am 11. November 2021 um 16.08 Uhr ist unser Onlineshop live gegangen. Ein Projekt, das meinem Leben eine komplett neue Wendung gab, und bei dem unsere ganze Familie intensiv über viele Monate zusammengearbeitet hat.
Welche Komplikation, welches Feature würden Sie gerne einmal in eine Uhr integriert sehen?
Hm, eigentlich gibt es ja schon fast alle besonderen Finessen: klassische Chronographen, Mondphasenanzeigen, das Tourbillon und vieles mehr. Diese technischen Evergreens mit einem unverwechselbaren Look zu verbinden, das reizt und fasziniert mich.
Ihr liebstes Buch mit Uhren-Bezug?
Wer tiefer in die Historie der Armbanduhr und ihrer diversen Stile einsteigen will, dem empfehle ich wärmstens das Standardwerk „The Watch Book: More Than Time“ von Gisbert L. Brunner. Es hat mich bei meinen ersten Schritten in das Thema wunderbar begleitet.
Ihr liebster Film, bei dem es um Zeit oder Uhren geht?
Mir kommt sofort „In Time – Deine Zeit läuft ab“ von 2011 in den Sinn, bei dem Andrew Niccol die Regie führte. Der Science-Fiction-Thriller spielt in einer Welt, in der Lebenszeit andere Währungen abgelöst hat. Dort erhält der einfache Arbeiter Will (Justin Timberlake) von einem Superreichen dessen Vermögen überwiesen. Dem Chef der korrupten Polizeibehörde ist das Geschenk ein Dorn im Auge, denn Will verschenkt seine Zeit nun großzügig an Bedürftige. Dadurch gerät das komplette Wirtschaftssystem in Gefahr. Es beginnt ein erbitterter Wettlauf …
Die größte Herausforderung für einen Uhrmachermeister heute?
Tradition und Handwerkskunst mit modernster Technologie und den Erwartungen der Kundinnen und Kunden in Einklang zu bringen.
Für die Uhrenbranche insgesamt?
Die sich ständig verändernden Verbrauchertrends sind eine Herausforderung, gerade beim E-Commerce mit analogen Uhren. Dabei kommt dem Vertrauen in eine Marke und auch deren Designästhetik eine immer wichtigere Rolle zu.
Und in Ihrem derzeitigen Job?
Wir wollen sowohl Thomas Sabo wie Saboteur zielgerichtet und verlässlich weiterentwickeln, gerade in einem volatilen Umfeld. Das wird uns gelingen, da bin ich sicher.