Einem alten Sprichwort nach sollen ja „viele Wege nach Rom führen“. Auch der Bürgenstock, jener knapp 1130 Meter hohe Berg am südlichen Ufer des Vierwaldstättersees, lässt sich auf unterschiedlichste Art und Weise erklimmen. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Monaten wählte ich eindeutig die unbequemere Variante – das Auto. Doch ich wollte eben unbedingt ins Paradies, wie ich das Bürgenstock Resort Lake Lucerne (so heißt der See auf Englisch) auf seinem Gipfelplateau schon jetzt bezeichnen möchte. An der nächtlichen Irrfahrt war aber weniger mein eigenes Unvermögen schuld als die spärliche Beleuchtung und ein Mangel an Straßenschildern. Hier wie da wurde definitiv gekleckert und nicht geklotzt.
Ganz anders beim Bürgenstock Resort, dessen wechselvolle und faszinierende Geschichte bis ins Jahr 1873 zurückreicht. Damals eröffneten der Unternehmer, Hotelier und Eisenbahnpionier Franz Josef Bucher-Durrer und sein Schwager Josef Durrer-Gasser ihr für damalige Verhältnisse spektakuläres Grandhotel im Stil der Belle Époque, das in den folgenden Dekaden stetig erweitert wurde. Nach einer milliardenschweren Investition des Staatsfonds von Katar und einer neunjährigen Um- und Neubauphase präsentiert sich der weitläufige Komplex seit Ende 2018 in frischem Glanz.
Zum Inventar gehört nun auch der hybrid motorisierte Katamaran MS „Bürgenstock“, den ich – man lernt ja aus Fehlern – bei meinem aktuellen Besuch in Luzern besteige, um nach 20 Minuten Fahrt über den Vierwaldstättersee die Station Kehrsiten-Bürgenstock zu erreichen. Hier steige ich in die bereits 1888 in Betrieb genommene, jedoch nach historischem Vorbild inzwischen komplett neu konstruierte Bürgenstock-Bahn und erreiche kurz darauf ganz bequem das Resort.
Wobei dieser Begriff fast piefig klingt angesichts des weitläufigen Areals hoch über dem See. Heute würde man vielleicht Campus sagen. Zu dem Ursprungshotel gesellten sich 1903 das „Palace“ und später mehrere Villen. Eine illustre Gästeschar aus aller Welt – Industrielle, Bankiers, Aristokraten – machte das Bürgenstock in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem europäischen Hotspot.
In der Hotelkapelle etwa gaben sich US-Schauspielerin Audrey Hepburn und ihr Kollege Mel Ferrer 1954 das Ja-Wort. Filmdiva Sophia Loren wohnte mit ihrem Gatten Carlo Ponti sieben Jahre lang mehr oder minder permanent im Bürgenstock. Für die Dreharbeiten des James-Bond-Films „Goldfinger“ mietete sich die Crew 1964 über einen Monat ein. Und auch die Politik war und ist gern hier. Dreimal machte der damalige Kanzler Konrad Adenauer hier Urlaub, Mitte Juni wurde auf höchster Ebene über eine Friedenslösung im Ukrainekonflikt diskutiert. Die Gipfellage ermöglicht hohe Sicherheitsstandards, mehrere Landeplätze für Helikopter erleichtern die Anreise der Staatschefs. Und trotz der Brisanz solcher Meetings dürfte mancher Politiker betrübt gewesen sein, wieder abreisen zu müssen.
Verständlich. Auch für mich ist dieses Ensemble aus drei Hotels und mehreren Residenzen – quasi ein luxuriöses Bergdörfchen – eines der weltbesten Urlaubsdomizile. Im Mittelpunkt, auch dieser Kolumne, steht natürlich das Bürgenstock Hotel & Alpine Spa, ein Haus der Kategorie „Fünf Sterne Superior“. Beim Check-in wird mir mitgeteilt, man sei nahezu ausgebucht. Ich bekomme als Upgrade, welch Glück, eine Spa-Suite, die ihrem Namen alle Ehre macht. Allein das Bad hat rund 24 Quadratmeter, die Wanne die Größe eines Whirlpools. Eine eigene Sauna und Massagebank (die Behandlung ist inkludiert) runden das Verwöhnpaket ab. Der Blick durch die bodentiefen Fenster hinab auf den azurblauen Vierwaldstättersee ist umwerfend. Über das mit 10.000 Quadratmetern Fläche riesige Alpine Spa unter der Leitung von Maggie Derblay höre ich, dass sein Umsatz den manches Hotels übertrifft. Ich genieße hier die beste Thaimassage jenseits von Bangkok.
Gastronomisch stehen sieben Restaurants zur Wahl, unter denen das „Spices Kitchen & Terrace“ mein Favorit ist. Japanisch, chinesisch, indisch oder thailändisch – für jede Länderküche gibt es einen eigenen Koch, und das schmeckt man. Dennoch frage ich mich, ob nicht ein französisches Gourmetrestaurant fehlt. Vielleicht eine Überlegung wert für den neuen Managing Director Chris Franzen, der dem Bürgenstock einen Feinschliff geben wird. Schließlich hat er über 30 Jahre Branchenerfahrung, hat unter anderem für die Königsfamilie von Katar das Waldorf Astoria in Doha eröffnet. Nun kehrt der in Zermatt geborene Manager in seine Heimat zurück. Ins Bürgenstock, dem ich ein Extrakrönchen spendiere.