
Capital: Wofür würden Sie sich gerne mehr Zeit nehmen?
Dustin Fontaine: Für das Erstellen neuer Uhrendesigns. Ich habe noch so viele Entwürfe im Kopf, die ich gern verwirklichen möchte. Außerdem würde ich gern mal wieder auf eine Uhrenbörse gehen, wo ich mir Vintage-Uhren anschauen und mich inspirieren lassen kann.
Was bedeutet für Sie Entschleunigung?
Die Zeit zu haben, mal wieder in Ruhe über einige Dinge nachzudenken. Das war in den letzten zwei Jahren selten der Fall. Ich bin beispielsweise gerne im Harz zum Wandern unterwegs, dort kann ich wirklich runterfahren und bekomme den Kopf frei. Diese Zeit ist wie ein kleines Wunderelixier für mich und meine Kreativität.
In der Hektik des Alltags vergisst man viel zu oft …
… sich um die Pflege seiner Marke zu kümmern. Man muss sie ständig weiterentwickeln und sollte ständig eine nächste Idee in der Pipeline haben.
Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, in welches Jahr würden Sie reisen – und warum?
In die Zeit um 1870, als der Übergang zur modernen Industriegesellschaft Fahrt aufnahm. Diese Aufbruchstimmung würde ich gern erleben und wissen, was die Menschen damals darüber dachten. Meiner Meinung nach stehen wir heute durch das Internet und die Digitalisierung vor einer ähnlichen Situation, und Sternglas profitiert von der Möglichkeit, ohne die Hürden des Fachhandels starten zu können.
Wie sieht für Sie die Uhr der Zukunft im Jahr 2100 aus?
Nicht viel anders als heute, denn die Uhrzeit und Armbanduhren werden wir immer brauchen. Egal, wie der technische Fortschritt verläuft. Ich bin sicher, dass viele Menschen auch dann noch eine klassische analoge Uhr kaufen, tragen und sammeln werden. Sei es neu oder als Vintage-Uhr. Natürlich wird es mehr und mehr Smartwatch-Träger geben, aber wenn klassische Uhren es dieses Jahrtausend geschafft haben, dann werden sie auch das nächste Jahrhundert überleben.
Wofür schlägt Ihr Herz: Handaufzug, Automatik, Quartz, Digital oder Smart?
Alles außer smart. Ich empfinde schon die ganze Klingelei und Vibration vom Smartphone als ziemlich nervig. Das würde ich auf keinen Fall auch noch am Handgelenk wollen. Ohnehin verläuft der Fortschritt so rasant, dass eine Smartwatch schon nach kurzer Zeit technisch wieder obsolet sein wird.
Welchen Tag und/oder welche Uhrzeit werden Sie nie vergessen?
Den 5. August 2016, denn an diesem Tag hielt ich das den ersten Sternglas-Muster in der Hand. Ein unglaublicher Moment. Seit 2011 hatte ich versucht, eine Uhrenmarke aufzubauen, und immer wieder harte Rückschläge erfahren oder mich auf die falschen Dinge fokussiert. Endlich mein erstes eigenes Produkt in der Hand zu halten, das war unbeschreiblich!
Welche Komplikation, welches Feature würden Sie gern einmal in eine Uhr integriert sehen?
Bloß keine Features mehr. Ich denke, in den letzten 200 Jahren wurde bereits alles entwickelt. Mir persönlich ist es wichtig, dass klares Design wieder im Vordergrund steht. Statt zig Komplikationen und (zu) vielen Zeigerchen, die auf irgendwelche Funktionen verweisen, die niemand wirklich braucht. Less remains more.
Ihr liebster Film, bei dem es um Zeit oder Uhren geht?
Definitiv einer aus der „James Bond“-Reihe. Als Kind habe ich die „007“-Filme rauf und runter geguckt, vor allem die raffinierten Fähigkeiten seiner Uhren fand ich faszinierend. Heute bin ich da, wie gesagt, deutlich bescheidener.
Die größte Herausforderung …
… für einen Uhrmachermeister heute?
Wenn ich mit dem Uhrmachermeister spreche, der für Sternglas die Prototypen testet, beurteilt und sein wertvolles Feedback gibt, dann ist es wohl der Fachkräftemangel. Das Nachwuchsproblem scheint gewaltig, also junge Menschen für Uhren und deren Technik zu begeistern. Für freie Uhrmachermeister wird es zunehmend schwieriger, ausreichend Ersatzteile für Uhren zu bekommen, denn große Konzerne beliefern damit vorrangig ihre eigene Vertragshändler und Konzessionäre. Beides kann dazu führen, dass es noch weniger „Uhrmachermeister um die Ecke“ gibt als ohnehin schon.
… für die Uhrenbranche insgesamt?
Die Versäumnisse der vergangenen Jahre wieder aufzuholen. Und die liegen in meinen Augen im Bereich Onlinehandel, Eingehen auf Kundenwünsche und die Preispolitik. Diese Punkte hat die Branche viel zu lange ignoriert, vor allem die so genannten Big Player und einige Traditionsunternehmen. Einige Beispiel: Auch im Jahr 2018 kann man bei den wenigsten Marken Uhren direkt online kaufen. Das gehobene Preissegment und die Luxusriege hat sich zu einseitig Richtung China orientiert, mit der Folge, dass der dortige Boom zu Preisanstiegen für den Rest der Welt geführt hat. Jetzt rudert man langsam wieder zurück, bedient über Jahre verschmähte Kundengruppen mit neuen Einstiegsmodellen, wobei gute mechanische Uhren unter 500 Euro weiterhin Mangelware bleiben. Da lohnt ein Blick auf die vielen Kickstarter-Projekte aus dem Uhrenbereich, die genau hier ansetzen und interessante Lösungen anbieten.
… in Ihrem derzeitigen Job?
Aktuell besteht meine größte Herausforderung darin, Sternglas als Uhrenmarke zu etablieren. Eine große Herausforderung ist der wirtschaftliche Aufbau des Unternehmens, weil ich mich eigentlich am liebsten nur mit neuen Uhrenmodellen und Designs beschäftige. Natürlich ist auch die Vermarktung ein wichtiger Faktor, vor allem online. Die wird mit fortschreitendem Wachstum immer komplexer und erfordert kontinuierliche Optimierung durch Experten. Aber wie gesagt, wir leben im Zeitalter des Internets und der Digitalisierung – dieser Herausforderung müssen wir uns alle stellen.
Top-Neuheiten der Baselworld 2018
Blancpain
Blancpain Villeret Quantième Complet GMT: Die Datumsanzeige dieses Vollkalenders, den man in einer „renovierten“ Optik präsentierte, übernimmt ein geschwungener, gebläuter Zeiger am Zifferblattrand. Die zweite Ortszeit ist um die Mitte platziert, von wo des Nachts auch der Mond den Träger anlächelt. Circa 14.750 Euro, blancpain.com
Breguet
Breguet Classique Tourbillon extraflach Ref. 5367: Elegant und aufgeräumt, das sagt der erste Blick auf diese Neuheit mit Emaille-Zifferblatt, die mit dem Tourbillon auf 5 Uhr und leicht nach oben verschobenem Zeigerstand überrascht. Das Manufakturkaliber 581 im inneren ist drei Millimeter flach und hat Energiereserven von 80 Stunden. Circa 142.300 Euro, breguet.com
Carl F. Bucherer
Carl F. Bucherer Manero Tourbillon Double Peripheral: Das neue Manufakturkaliber CFB T3000 der Marke kombiniert eine extern aufgehängte Schwungmasse mit einem brückenlos montierten, „schwebenden“ Tourbillon – sichtbar von beiden Gehäuseseiten. Anker und Ankerrad der Hemmung sind aus schmierungsfreiem Silizium. Circa 59.700 Euro, carl-f-bucherer.com
Bulgari
Bulgari Octo Finissimo Tourbillon Automatic: Der vierte Rekord in Folge für den italienischen Juwelier, diesmal in Form der flachsten Automatikuhr mit Tourbillon: Nur 3,95 Millimeter ist das sandgestrahlte Titangehäuse hoch, das Werk (Kaliber BVL 288) gerade mal 1,95 Millimeter! Circa 125.000 Euro, bulgari.com
Chopard
Chopard L.U.C All-in-One: Für die vierzehn Komplikationen, die in dieser Uhr stecken, reicht das Zifferblatt nicht aus, weitere Anzeigen befinden sich auf der schmucken Rückansicht. So steckt im Handaufzugskaliber 05.01-L ein ewiger Kalender, eine Mondphase, Sonnenaufgang, ein Tourbillon und 170 Stunden Gangreserve. Circa 374.500 Euro, chopard.de
Glashütte Original
Glashütte Original Senator Excellence Ewiger Kalender – Limitierte Edition: Was wie eine stilisierte Weltkarte aussieht, ist dank ausgeschnittenem Zifferblatt bloß eine aufwändig guillochierte Deckplatte des Werkes. Und ein Hingucker! Auch ein Blick durch den Glasboden auf das Manufakturkaliber 36-02 lohnt, während die gebläuten Zeiger bestens mit dem blauen Alligatorband harmonieren. Ab 32.900 Euro, glashuette-original.com
Nomos
Nomos Autobahn Neomatik Datum: Mit verdientem Stolz stellte man das elfte hauseigene Werk vor, das Automatikkaliber DUW 6101. Für dessen funky Zuhause sorgte der bekannte Designer Werner Aisslinger – in einem vierjährigen Kreativprozess. Auch im Dunkeln ziemlich cool: die Leuchtmasse-Tachobalken im Zentrum des Zifferblatts. Circa 3800 Euro, nomos-glashuette.com
Omega
Seamaster Diver 300 M Omega Co-Axial Master Chronometer: Vor einem Viertaljahrhundert tauchte dieser Klassiker zum ersten Mal auf, jetzt präsentierte man das Modell runderneuert. Von der Keramiklünette mit Emaille-Inlays über das Wellenrelief auf dem Zifferblatt, ein neues Heliumauslassventil – bis zum Werk, dem Master Chronometer 8800. Ab circa 4400 Euro, omegawatches.com
Patek Philippe
Patek Philippe Weltzeit-Minutenrepetition Referenz 5531R: Dank des neuen Werkes R 27 HU erklingt der klassische Gong dieser hochkomplizierten Uhr aus 462 Einzelteilen am jeweiligen Aufenthaltsort seines Besitzers, denn auch eine Weltzeit-Funktion ist integriert. Eine Premiere für die Marke! Das Zifferblatt zeigt den Genfer See in Emaille. Preis auf Anfrage, patek.com
Rolex
Rolex Oyster Perpetual GMT-Master II: Uhren mit GMT-Funktion, also zweiter Zeitzone, erleben ein Beliebtheitshoch. Erstmals ist dieses Modell mit einem Jubilé-Armand aus Edelstahl und der blau-roten „Pepsi“-Lünette (ähnelt dem Farbschema der Brausedosen) erhältlich. Das Werk Kaliber 3285 ist mit dem Paraflex-Antischocksystem geschützt. Circa 8400 Euro, rolex.com
Grand Seiko
Grand Seiko Hi-Beat 36000 Special: SBGH266J: Zum 20. Jubiläum des robusten Kalibers 9S erscheint diese auf 150 Stück limitierte Uhr mit einer Ganggenauigkeit von +4 bis -2 Sekunden pro Tag, einem 18 Karat Goldgehäuse. Das schnörkellose Design stammt von Nobuhiro Kosugi. Circa 27.000 Euro, grand-seiko.com
Zenith
Zenith Defy Zero G: Wo sich zuvor das Saphirglas leicht wölbte, um dem gyroskopischen Modul zur Kontrolle der Schwerkraft den nötigen Raum zu verschaffen, bleibt die Oberfläche jetzt platt. Weil das aus 139 Teilen bestehende Modul auf 30 Prozent seiner Ursprungsgröße minimiert werden konnte! Auch die übrige Optik des skelettierten Kalibers El Primero 8812 S fiel spektakulär aus. Ab circa 96.400 Euro, zenith-watches.com
TAG Heuer
TAG Heuer Monaco Bamford: Was AMG für Mercedes-Benz ist, das gelang George Bamford für die Uhrenindustrie: Seine Veredelungs-Firma macht begehrte Uhren (von LVMH) zu Kultobjekten. So wie jetzt diese limitierte Version der „Monaco“, die Bamford in ein Karbongehäuse steckte und mit hellblauen Kontrasten auf Zeigern und Zifferblatt versah. Preis auf Anfrage, tagheuer.com
Maurice Lacroix
Maurice Lacroix Aikon Automatic Skeleton: Die erfolgreiche Linie wird erwachsen und erhält ein neues Werk mit dem Kürzel ML234, besonders schön zu sehen in der skelettierten, teils schwarz beschichteten Variante, die etwas Steampunk-Charme umweht. Das Band kann auch einhändig gewechselt werden. Circa 5600 Euro, mauricelacroix.de
Hublot
Hublot Big Bang Unico Red Magic: Rote Keramik herzustellen ist keine leichte Aufgabe, was allein dieses auf 500 Exemplare limitierte Modell zu einer besonderen Leistung macht. Schwarz beschichtete Titanschrauben halten das Gehäuse zusammen, in dessen Innerem der Flyback-Chronograph vom Werk HUB1242 UNICO angetrieben wird. Preis auf Anfrage, hublot.com
Frédérique Constant
Frédérique Constant Manufacture Classic Hybrid: Als Nachfolger seiner „Horological Smartwatch“ präsentierte die Marke mit der Kombination des Manufakturkalibers FC-750 und einem elektronischen Modul die vermutlich erste Uhr, die sich selbst beobachtet. Vielmehr ihre Gangwerte, die Schwingungsweite und etwaige Abfallfehler. Ab 3295 Euro, frederiqueconstant.com