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Top 40 unter 40 Wie unterschiedlich Corona die Weltwirtschaft trifft

Logo des Internationalen Waehrungsfonds bei der IWF Jahrestagung in Washington
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© IMAGO / photothek
Die Top 40 unter 40 von Capital sind die nächste Generation der Entscheider und Gestalter. In unserer Gastbeitrags-Serie verleihen wir ihnen eine Stimme zur Corona-Krise. Diesmal: IWF-Ökonom Yannick Timmer über die internationale Dimension der wirtschaftlichen Corona-Folgen

Yannick Timmer ist Ökonom beim Internationalen Währungsfonds. Zuvor war er bei der Europäischen Zentralbank, der irischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank tätig. Er erhielt seinen Doktortitel im Jahr 2018 vom Trinity College Dublin. Capital hat Timmer 2019 unter Deutschlands Top 40 unter 40 gewählt.

Die Covid-19-Pandemie ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern hat auch fatale Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Als richtige Reaktion auf die Pandemie wurde die Wirtschaft in ein Koma versetzt und es gilt mittlerweile als sicher, dass sich die Weltwirtschaft in der größten Krise seit der Großen Depression befindet. Für die Geschwindigkeit in der Jobs verloren gegangen sind und die Wirtschaft eingebrochen ist, gibt es keinen Präzedenzfall in der modernen Geschichte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert, dass 95 Prozent aller Länder das Jahr 2020 mit einer schwächeren pro Kopf Wirtschaftsleistung beenden werden als 2019 und die Weltwirtschaft um fast fünf Prozent schrumpft. Dies steht im Vergleich zu einem Rückgang von weniger als einem Prozent in der globalen Finanzkrise.

Obwohl Covid-19 ein globaler Schock ist, sind die ökonomischen Auswirkungen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich spürbar. In entwickelten Ländern haben viele Beschäftigte die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. In Entwicklungsländern, wie zum Beispiel in kleinen Inselstaaten, die stark auf Tourismus angewiesen sind, besteht diese Möglichkeit meist nicht.

Auch Finanzkonditionen haben sich seit Ausbruch der Pandemie sehr unterschiedlich entwickelt. Deutschland hat eine niedrige Staatsschuldenquote und deutsche Staatsanleihen werden, wie die amerikanischen, als sicher angesehen. Und gerade deswegen, flüchten viele Investoren in unsicheren Zeiten aus risikoreicheren Anlagen, wie zum Beispiel Staatsanleihen von Entwicklungsländern, in deutsche oder amerikanische Staatsanleihen. Die niedrigen Finanzierungskosten und die Bereitschaft von Investoren Staatsdefizite zu finanzieren, ermöglichen somit diesen Ländern Fiskalpakete zu schnüren, die negative ökonomische Konsequenzen der Pandemie so weit wie möglich mildern.

Das Spiegelbild ist in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern zu sehen. Kapital ist schneller und stärker als in der globalen Finanzkrise von 2008/2009 aus Schwellenländern herausgeflossen, Währungsabwertungen haben Fremdwährungsschulden erhöht und Finanzierungskosten sind gestiegen. Obwohl Stabilisierungsmaßnahmen der wichtigsten Zentralbanken in entwickelten Ländern fundamental starken Schwellenländern geholfen haben, befinden sich Länder mit schwächeren Fundamentaldaten in Schwierigkeiten, die notwendigen Maßnahmen zu unternehmen, um die Wirtschaft und die Bevölkerung zu schützen.

Wo der IWF helfen kann

Der IWF kann diesen Ländern helfen, die finanziellen Liquiditätsengpässe zu überwinden. Über 100 Länder haben den IWF bereits gebeten, finanzielle Hilfe bereitzustellen. Davon wurden schon über 70 Ländern Notfallkredite zugesichert, um die Gesundheitskrise zu bewältigen und Insolvenzen und den Verlust von Arbeitsplätzen zu minimieren.

Mit der Feuerkraft von einer Billion US-Dollar kann der IWF vielen Ländern helfen, Kredite für Länder bereitzustellen, die sich in Zahlungsbilanzschwierigkeiten befinden und Schwierigkeiten haben, sich an internationalen Finanzmärkten zu angemessenen Konditionen zu finanzieren.

Mehr als 40 Prozent aller Entwicklungsländer standen allerdings bereits vor oder befanden sich schon in einer Schuldenkrise bevor die Pandemie ausgebrochen ist. Zusätzliche Ausgaben sind absolut notwendig und können keinesfalls verschoben werden. Die Schuldenprobleme dieser Länder werden sich aber durch diese Maßnahmen weiter verschärfen. Um die Schwierigkeiten zu mildern, kann der IWF Konzessionsfinanzierungen und Schuldendienstentlastungen für die ärmsten Länder bereitstellen. Zudem haben die G20 Länder 73 Entwicklungsländern genehmigt bilaterale Schuldzahlungen auszusetzen, um fiskalischen Raum zu schaffen und die Pandemie wirksam zu bekämpfen.

Für andere Länder muss zunächst abgewogen werden, ob die Staatsfinanzen des Landes tragbar sind oder eine Umschuldung notwendig ist. Diese Maßnahme ist oft eine schmerzliche Angelegenheit, da Geldgeber auf ihre Ansprüche verzichten müssen und dem Land die Möglichkeit verwehrt bleibt, neue Schulden an internationalen Finanzmärkten aufzunehmen. Eine Umschuldung ist jedoch oft erforderlich um das Land auf einen stabilen Wachstumspfad zu leiten, von dem das Land selbst aber auch die Gläubiger profitieren können.

Neben Ländern, die sich in Schuldenkrisen befinden, haben andere Länder lediglich Liquiditätsprobleme. Diese Länder sind fundamental stabil, aber haben kurzfristige Probleme, da Steuereinnahmen sinken oder Finanzmärkte hohe Renditen verlangen. Diese Liquiditätsprobleme können sich aber schnell in Insolvenzprobleme verwandeln, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Auch in diesen Fällen kann der IWF helfen, Liquidität bereitzustellen, sodass sich die Liquiditätskrise nicht zu einer Insolvenzkrise entwickelt.

Corona hinterlässt tiefe Narben

Wie geht es weiter? Mehr als 75 Prozent aller Länder haben bereits begonnen, Ausgangssperren zu reduzieren. Es könnte also naheliegen, dass, sobald die Wirtschaft wieder aus dem Koma geweckt wird, diese wieder vollständig genesen ist. Jedoch hat die Pandemie weitreichende ökonomische Auswirkungen, die tiefe Narben hinterlassen werden, sogar wenn eine zweite Covid-19-Welle ausbleibt.

Der IWF sagt voraus, dass weder die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer, abgesehen von China, noch entwickelte Volkswirtschaften im Jahr 2021 das Niveau von 2019 erreichen werden. Die Wirtschaftsleistungen zu erreichen, die der Vorkrisentrend projiziert hat, scheint zurzeit für viele Länder ausgeschlossen.

Die Erholung der Wirtschaft wird davon abhängen, wie schnell sich geeignete Impfstoffe entwickeln lassen. China ist anderen Ländern im Verlauf der Pandemie einige Monate voraus und es deutet sich an, dass sich die chinesische Volkswirtschaft tatsächlich erholt. Diese Erholung findet allerdings im Fertigungssektor statt und weniger im Dienstleistungssektor, in dem physische Distanz kaum gewährleistet werden kann. Auch das Verhalten in anderen Ländern deutet darauf hin, dass die Bevölkerung erst wieder zum Normalverhalten zurückkehrt, sobald die Ansteckungsgefahr gebannt ist und nicht wenn die Regierung Restriktionen lockert.

Darüber hinaus bedeuten hohe Arbeitslosenquoten, dass produktive Verhältnisse zwischen Unternehmen und Beschäftigten verloren werden können, wenn sie durch ein Insolvenzverfahren liquidiert werden. Wertvolles Humankapital verliert an Wert oder wird nicht weiter aufgebaut, wenn die Arbeitslosigkeit für längere Zeit bestehen bleibt oder Kinder nicht zur Schule gehen können.

Die Wirtschaft könnte sich auch permanent verlagern, wenn sich Präferenzen verändern. Zum Beispiel, viele Unternehmen könnten realisieren, dass virtuelle Meetings nicht so unproduktiv sind wie vorher gedacht. Das könnte Fluggesellschaften und Reiseanbieter stark treffen. Deutschland hat mit der Ausweitung des Kurzarbeitergeldes angemessen reagiert, das von vielen Ländern imitiert wurde, um die Narben eines temporären Wirtschaftseinbruchs zu mildern. Wenn allerdings permanente Veränderungen in der Wirtschaft anstehen, sollte die Regierung dazu bereit sein, Programmparameter des Kurzarbeitergeldes anzupassen, um eine Umverteilung zu neuen Sektoren zu ermöglichen und Fehlallokationen von Ressourcen zu verringern.

Die Krise wird bereits vor der Pandemie in Prozess befindliche Trends beschleunigen und muss genutzt werden, um Chancen zu ergreifen. Die Wirtschaft von morgen wird durch digitale Technologie geprägt sein. Das Homeoffice könnte beliebter werden und stark angestiegene regionale Ungleichheiten lindern, wenn Arbeitnehmer in ländlichere Regionen umziehen, die wirtschaftlich hinterherhinken. Technologische Weiterentwicklung in Unternehmen kann Produktivitätswachstum ankurbeln und neue Finanztechnologien könnten Finanzmarktstabilität erhöhen.

Der Beitrag spiegelt die Ansichten des Autors und nicht notwendigerweise die des Internationalen Währungsfonds wider

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