Anzeige

Analyse Unstatistik – vermeintlicher Lebensretter

Die Unstatistik bringt die Wahrheit hinter den Zahlen ans Tageslicht. Diesmal: der Krebs-Test

„Die Prostatakrebs-Vorsorge per PSA-Test kann das Sterberisiko um mehr als ein Fünftel senken“, war auf der Webseite des Berliner Tagesspiegel Anfang August zu lesen. Das Nachrichtenportal aus der Hauptstadt hatte wie auch andere Medien eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur übernommen, in der über die größte europaweite Studie mit mehr als 162.000 Männern im Alter von 55 bis 69 Jahren berichtet wird. Laut Unstatistik.de enthält schon dieser eine Satz gleich drei statistische Fehlschlüsse.

So sei von „mehr als ein Fünftel“ die Rede. Wurden also 20 von 100 Männern das Leben durch den Test gerettet? „Nein. Die Zahl ist eine relative, keine absolute Reduktion“, heißt es bei Unstatistik.de. In der Kontrollgruppe (ohne PSA-Test) starben nach 13 Jahren etwas mehr als 0,6 Prozent der Männer, in der Screeninggruppe (mit PSA-Test) etwas weniger als 0,5 Prozent. Die absolute Reduktion sei also gerundet 0,1 Prozentpunkte, die relative Reduktion ein Fünftel. „Im Klartext bedeutet also ‚ein Fünftel’ nichts anders als ‚ein Mann von 1000’ (genau: 1 von 781)“, heißt es bei Unstatistik.de.

Das allgemeine Sterberisiko bleibt gleich

Doch damit nicht genug: Falsch ist auch die Bezugnahme auf das allgemeine „Sterberisiko“. Die Zahl bezieht sich aber nur auf das Risiko an Prostatakrebs zu sterben. Am allgemeinen Sterberisiko ändern die PSA-Tests nichts: „Nach 13 Jahren waren genau so viel Männer am Leben – unabhängig davon, ob sie am Screening teilgenommen hatten oder nicht“, so die Statistiker. Für den Unterschied zwischen Sterblichkeit und Prostatakrebssterblichkeit gebe es mehrere mögliche Ursachen. So würden Männer, die an den Folgen einer Prostata-Operation sterben, nicht in der Prostatakrebssterblichkeits-Statistik aufgeführt, aber in der Sterblichkeitsstatistik. „Die Studie erbrachte keinen Nachweis, dass durch das PSA-Screening Leben gerettet wurde“, schlussfolgert Unstatistik.de.

Der dritte Fehler in dem Satz bezieht sich auf den Begriff „Prostatakrebs-Vorsorge“. Vorsorgen kann man durch Verhaltensweisen, die das Risiko senken, an Krebs zu erkranken. „Um einen Krebs früh zu erkennen, muss er jedoch schon da sein.“ Früherkennung verringert also nicht die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, schreiben die Statistik-Kritiker, die der Nachricht auch etwas Positives entdeckt haben. Der Schaden des Screenings werde genau beziffert: „Auf jeden Mann weniger, der mit der Diagnose Prostatakrebs stirbt, kommen 27 Männer, welche unnötig operiert oder bestrahlt werden, was zu Inkontinenz und Impotenz führen kann.“ Daher empfehlen die Autoren das PSA-Screening auch nicht.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de. Jüngst erschienen im Campus Verlag ist das Buch „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet - Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“

Neueste Artikel