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Analyse Unstatistik – Raserei mit Zahlen

Die Unstatistik bringt die Wahrheit hinter den Zahlen ans Tageslicht. Diesmal: die Bilanz des Blitzmarathons
Am 18./19. September wurde vielerorts die Geschwindigkeit kontrolliert
Am 18./19. September wurde vielerorts die Geschwindigkeit kontrolliert
© dpa

Die Bilanz des diesjährigen „Blitzer Marathons“ scheint eindeutig: „Die Blitzer-Bilanz der Bundesländer: Saarländer und Sachsen sind die schlimmsten Raser“, schrieb etwa „Spiegel Online“ am 19. September nach den bundesweiten Radarkontrollen. Außerdem habe sich die Raser-Quote erhöht: Bei der diesjährigen habe sich jeder 32. Fahrer nicht an das Tempolimit gehalten, während es vor einem Jahr nur jeder 36. Fahrer gewesen sei. Auf den ersten Blick ein erstaunliches Ergebnis, waren doch im Jahr 2013 rund 2000 Polizisten mehr im Einsatz und die Kontrollen fanden an rund 1000 Standorten mehr statt.

„Diese Aussagen sind wahrscheinlich in mehrerer Hinsicht irreführend“, schreibt Unstatistik.de zur Interpretation der Zahlen. Zum einen sei ein seriöser Vergleich von Raser-Quoten über die einzelnen Bundesländer nicht möglich, solange man die sehr unterschiedliche Verkehrsstruktur, Fahrzeugdichte oder auch Altersstruktur der Bevölkerung nicht berücksichtige. Für Unstatistik-Macher ist es einleuchtend, dass in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen der Anteil der Geschwindigkeitsverstöße niedriger ausgefallen ist, weil dort der Verkehr besonders stark durch Staus behindert wird.

Auch die Aussagen zur Raser-Quote zweifelt Unstatistik.de an: „Wenn weniger Standorte kontrolliert werden, wird sich die Polizei voraussichtlich auf diejenigen Standorte konzentrieren, bei denen viele Geschwindigkeitsüberschreitungen zu erwarten sind.“ Dann sei es logisch, dass sich die Raser-Quote erhöhe. „Vergleicht man das Durchschnittseinkommen der gesamten deutschen Bevölkerung mit dem Durchschnittseinkommen von Managern, wäre man auch nicht überrascht, wenn Letztere ein höheres Einkommen erzielen, obwohl es nur vergleichsweise sehr wenige Manager gibt.“ Mit Blick auf den Blitz-Marathon lasse sich tatsächlich beobachten, dass Bundesländer mit relativ wenigen Kontrollen tendenziell höhere Anteile an Tempoverstößen aufwiesen als Bundesländer mit relativ vielen Kontrollen.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de. Jüngst erschienen im Campus Verlag ist das Buch „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet - Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“

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