Gabriel Felbermayr ist Leiter des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft
Der künftige US-Präsident Donald Trump will die USA stärker abschotten. Muss die deutsche Wirtschaft davor Angst haben?
Felbermayr: Die USA sind für die deutsche Exportwirtschaft ein riesiger Absatzmarkt. Sie sind unser wichtigster Handelspartner überhaupt. Zehn Prozent aller Güterexporte gingen im vergangenen Jahr in die USA, bei den Dienstleistungen waren es sieben Prozent. Zieht man die Importe aus den USA ab landen wir unterm Strich bei einem deutlichen Handelsüberschuss. Das deutsche BIP wäre, alles andere gleichermaßen, um 1,8 Prozent niedriger, wenn wir diesen Außenbeitrag nicht hätten. Eine Abschottung der USA birgt also für Deutschland ein großes Wachstumsrisiko.
Wer sind die Treiber dieses Exports?
Automobil, Maschinen, Pharma, Elektrotechnik und Präzisionsinstrumente. Diese fünf Sektoren machen drei Viertel der Exporte in die USA aus, die Pharmaindustrie setzt 20 Prozent ihrer Gesamtexporte in den USA ab.
Trump hat angekündigt, Zölle auf Importe aus China und Mexiko zu erheben. Welche Effekte hätte das auf die deutsche Wirtschaft?
Das Ifo hat sechs Szenarien durchgespielt, alle mit dramatischem Protektionismus und viel Zerstörungspotenzial. Importbeschränkungen für China und Mexiko wären dabei noch das harmloseste Szenario. Ein Handelskrieg, in dem die Handelspartner mit gleichhohen Zöllen und anderen Einfuhrbeschränkungen, der schlimmste Fall.
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Im Fall von einseitigen Zöllen begrenzt auf China und Mexiko könnte Deutschland sogar leicht profieren. Denn wenn die amerikanische Autoindustrie Teile nicht mehr in Mexiko, einkauft, wird sie auf andere Länder ausweichen. Deutsche Automobilhersteller wie BMW und VW, die in Mexiko produzieren, verlagern ihre Produktion dann zum Beispiel zurück nach Deutschland. Deutschland könnte die wegfallenden Importe aus China und Mexiko teilweise ersetzen. Dieser Effekt wäre allerdings eher gering, wir rechnen mit 0,1 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung.
Und die USA?
In diesem ersten Szenario blieben die Effekte auch hier vergleichsweise gering. Sie werden versuchen, auf andere Länder auszuweichen – und solange das gelingt, dürften die gesamtwirtschaftlichen Importrückgänge gering sein, wir schätzen bei rund acht Prozent. Allerdings halten wir dieses Szenario nicht für sehr wahrscheinlich, wegen der Ausweichmöglichkeiten und weil es gegen die WTO-Regeln verstößt einzelne Länder mit hohen Zöllen zu belegen andere aber nicht.
Kurzfristiger Wachstumsschub
Im schlimmsten Szenario gehen sie davon aus, dass sich alle mit Zöllen und sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen überbieten ...
... und es einen Handelskrieg gibt, der alle massiv zurückwirft. Die USA würden praktisch in einen Zustand der Autarkie versetzt, wo sie wenig importieren und so gut wie nichts mehr exportieren. Das Wirtschaftswachstum würde um bis zu 1,6 Billionen Dollar sinken, das entspricht einem Rückgang des realen BIPs um rund 9,3 Prozent.
Aber Trump hat angekündigt, massiv in die Infrastruktur zu investieren, müsste man das nicht gegenrechnen?
Weil auch die Steuern sinken sollen, wäre sein Investitionsprogramm ein gigantisches Konjunkturprogramm auf Pump. Das würde kurzfristig zu einem Wachstumsschub führen. Allerdings hat die amerikanische Wirtschaft zurzeit nahezu Vollbeschäftigung, so dass ein solches Deficit Spending zu Inflationsdruck und zu höheren Zinsen führen würde, was den Boom rasch wieder abwürgen könnte. Was bleibt, sind aber die Kosten einer protektionistischen Wirtschaftspolitik.
Falls dieses Auge-um Auge-Szenario wirklich einträte, womit müsste Deutschland rechnen?
Das reale BIP könnte um bis zu 19 Mrd. Euro fallen, das sind 0,6 Prozent des gegenwärtigen Niveaus. Dieser Befund ist beunruhigend, aber dennoch keine Katastrophe. Die Effekte einer nahezu vollständigen Isolierung der USA wären nicht stark genug um Deutschland in eine Rezession zu stürzen.
Deutsche Firmen müssen Exportabhängigkeit reduzieren
Sie halten ein Szenario des schlimmsten Falls für unwahrscheinlich. Wieso eigentlich?
Viele Kräfte in den USA würden sich gegen einen platten Protektionismus Trumps zur Wehr setzen. Die Automobilbranche ist auf kostengünstige Importe von Komponenten aus Mexiko angewiesen, um national und international wettbewerbsfähig zu sein. Die Elektronikbranche wäre ohne die günstige Fertigung in China in großen Schwierigkeiten. Seine Partei, die traditionell wirtschafsnah ist, wird ihm hier nicht ohne weiteres folgen. Gerade die ärmeren Haushalte, die hohe Anteile ihrer Einkommen auf importierte Waren wie Kleidung, Möbel, Nahrungsmittel usw. ausgeben, würden von dieser Politik negativ betroffen sein. Diese Leute haben aber Trump gewählt – ihre Unterstützung würde er brauchen, um in vier Jahren wiedergewählt zu werden.
Kann die deutsche Wirtschaft sich jetzt irgendwie schützen?
Die deutschen Unternehmen sollten ihre Exportabhängigkeit von den USA reduzieren und noch mehr als bisher direkt in den USA produzieren; das würde allerdings für die deutsche Volkswirtschaft nachteilig sein. Besser wäre es, wenn deutsche Unternehmen gemeinsam mit ihren amerikanischen Peers in den USA Druck auf die Senatoren und Kongressabgeordneten machen, einem Trump’schen Isolationismus die Mehrheit in den Parlamenten zu verweigern.
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