Amtsleiter Klaus von Zahn gerät in Wallungen, wenn er davon berichtet, wie ihn Fridays for Future und andere Klimaschutzaktivisten unter Druck setzen: Vom Umweltschutzamt der Stadt Freiburg forderten sie Transparenz über den Fortschritt der Klimaschutzprojekte der Stadt. „Wir haben 90 Projekte, die wir in den nächsten Jahren mit Priorität umsetzen wollen. Ich habe 14 engagierte Mitarbeiter im Klimaschutz, die rund um die Uhr bis zur Belastungsgrenze arbeiten. Ich wusste einfach nicht, wem ich diesen geforderten Monitoringbericht auch noch aufdrücken sollte“, berichtet von Zahn. Da kam ihm Jakob Selinger gerade recht.
Der 20-Jährige hatte im Oktober 2020 den neuen Studiengang „Climate Change Management & Engineering“ angefangen. Hinter dem langen Titel steckt die Idee, erstmals Kimawandel-Experten auszubilden, die neben ingenieurstechnischen Grundlagen auch die nötigen Kenntnisse in Naturwissenschaften, Recht, Politik, Wirtschaft, Psychologie und Kommunikation lernen. Die SRH Hochschule Heidelberg hatte den dualen Studiengang im vergangenen Jahr kurzfristig eingerichtet und bei von Zahn angefragt, ob er einen Bewerber für den ersten Jahrgang entsenden wolle.
Für Freiburg hat sich die Investition gelohnt
Im Haushaltsplan der Stadt war das nicht vorgesehen, alle Stellen und Ausbildungsplätze zudem besetzt. „Das Thema passt aber zu uns“, sagt Cathrin Achberger, Ausbildungsleiterin der Stadt. „Freiburg gilt als Green City mit weltweit beachteten Umweltschutzprojekten. Wir können das praxisnah ausbilden und so einen Studiengang auch inhaltlich mitgestalten.“ Achberger und von Zahn sind stolz darauf, wie sie in wenigen Wochen ein Ausbildungskonzept und die nötige Finanzierung durch alle Gremien bekommen haben. Gut 35.000 Euro kostet das dreieinhalb Jahre dauernde Studium inklusive Ausbildungsgehalt.
Die Investition hat sich schon bezahlt gemacht. Denn Selinger hat in seinem ersten Praxiseinsatz im Umweltschutzamt gleich mal den erforderlichen Monitoringbericht erstellt. „Ich habe eine Webseite mit einer Maßnahmenampel eingerichtet. Die zeigt für alle 90 Projekte den Planungsstatus in Grün (umgesetzt), Blau (in Arbeit) und Rot (ausgesetzt)“, erzählt der junge Mann gut gelaunt und selbstbewusst. Er habe dabei alle Pläne und Verantwortlichen auch in anderen Ämtern und Betrieben kennengelernt. „Das war perfekt, um hier zum Start gleich einen sehr tiefen Einblick zu bekommen“, so Selinger. Perfekt auch für Amtsleiter von Zahn, der die Übersicht für internes und externes Controlling nutzen kann. „Das ist ein echter Mehrwert für uns. Jakob Selinger hat uns bei dieser dringlichen Aufgabenstellung wirklich gerettet."
Selinger ist in einem Dorf bei Freiburg aufgewachsen, bewirtschaftet in der Freizeit mit seinem Vater ein Stück Land. Nach dem Abitur wollte er eigentlich ein Studium als Bauingenieur anfangen. Aber nach einem halben Jahr Praktikum als Bauleiter sei er entsetzt gewesen über den rauen Ton auf der Baustelle und den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen. „Ich habe gemerkt, dass das nicht meine Welt ist, und habe das hingeschmissen.“
Der Bedarf ist riesig
Nun gehört er zu den Pionieren des neuen Studiengangs. Mit ihm haben acht Männer und vier Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren angefangen. Darunter sind Berufseinsteiger, Quereinsteiger von Greenpeace und ein Physikstudent, der das Fach gewechselt hat. Die kleine Gruppe kommt jeweils für fünfwöchige Theorieblöcke an die Hochschule Heidelberg, danach kehren alle zu ihren Praxiseinsätzen zurück bei Umweltämtern von Städten und Landräten etwa oder bei Stadtwerken.
Und die Perspektiven nach dem dualen Studium? „Es gibt reichlich Bedarf“, sagt Amtsleiter von Zahn. Auch die Hochschule wirbt in ihrer Ausschreibung: „Jobs gibt es in Unternehmen, Behörden, Kommunen, Landkreisen, NGOs oder in der Politik. Etwa im Bereich energetisches Bauen, energetische Altbausanierung, Entwicklung neuer Wohngebiete mit energietechnischen Auflagen, im Bereich E-Mobilität oder Wasserstoff.“
Selinger will sich da noch nicht festlegen. Erst mal will er alles ausprobieren.