Dass es Spekulationsblasen überhaupt gibt, haben die meisten Ökonomen lange Zeit vehement bestritten. Oder sie haben sich nicht dafür interessiert. Erst in jüngster Vergangenheit, nach dem offensichtlichen Platzen von Technologie- und Immobilienblase, sind sie auch für Theoretiker nicht mehr zu leugnen. Robert Shiller hat versucht zu erklären, wie sie entstehen können.
Die Idee Dem Ökonomen von der US-Universität Yale ist beim Studium der extremen Börsenausschläge in den vergangenen 100 Jahren vor allem eines aufgefallen: wie schnell Menschen wieder vergessen. Nicht Dummheit verleite sie zu Fehlentscheidungen, so Shiller, vielmehr seien es Moden und Sichtweisen, die auch die Cleversten und Erfahrensten immer wieder aufs Neue in die falsche Richtung führen. Zu groß ist auch bei Analysten und Fondsmanagern die Angst, sich für abweichende Meinungen rechtfertigen zu müssen.
Dabei wiederholt sich regelmäßig das gleiche Spiel in immer wieder neuen Varianten: Auf Phasen des blinden Vertrauens folgt der plötzliche Vertrauensverlust. „Unsere Gesellschaft versteht nicht, was Spekulationsblasen sind und wie wir damit umgehen müssen“, sagt Shiller. Und von Ökonomen kam dabei bislang kaum Hilfestellung, denn: „Im Stichwortverzeichnis eines Lehrbuchs für Finanzmarktökonomie werden Sie das Wort ,Blase‘ nicht finden.“
Ökonomen zu wenig am Menschen interessiert
Um das Auf und Ab der wirtschaftlichen Entwicklung zu verstehen, greift Shiller auf psychologische und soziale Erklärungen zurück. „Soziale Ansteckungen zu verstehen ist vergleichbar damit, Epidemien zu verstehen.“
Die Ökonomen hätten, kritisiert Shiller, zu wenig Interesse an Psychologie und Soziologie, weil sie im Grunde am Menschen nicht interessiert seien. Stattdessen würden sie dem Ideal des Physikers nacheifern. Emotionen und Instinkte kommen in der üblichen Welt der Ökonomen daher kaum vor. Damit aber ignorierten die Kollegen die wesentlichen Faktoren, die Finanzkrisen erst möglich machen.
Was Praktiker daraus lernen Wenn Investoren dem kollektiven Wahn verfallen, kann der Staat helfen, die Stimmung zu drehen. Shillers Haltung gegenüber dem Staat ist allerdings widersprüchlich. Um Finanzkrisen zu verhindern, setzt er seine größte Hoffnung doch wieder auf den Markt. Mehr Bildung für alle Menschen in Finanzdingen und die Entwicklung speziell strukturierter Wertpapiere sollen es jedem Bürger ermöglichen, sich bestmöglich gegen Risiken abzusichern. Eine solche Gesellschaft wäre eine echte, „finanzielle Demokratie“, in der Chancen und Risiken gerechter verteilt wären.
Herdentrieb eindämmen
Einer seiner Vorschläge ist denn auch die Einführung eines Labels, welches das Risiko von Finanzprodukten mit simplen Kennziffern deutlich macht und entsprechend warnt. Zwar müssten schon jetzt Emittenten von Wertpapieren viele Informationen bereitstellen. Diese seien aber meist nur für Profis verständlich und würden dem gewöhnlichen Anleger kaum helfen.
Shiller denkt dabei etwa an Volatilitätsmaße, nicht aber an die Angabe der Renditen aus der Vergangenheit. Die meisten Investoren würden auf Renditen der Vergangenheit „überreagieren“ – was dann genau den Herdentrieb begünstigen würde, den Shiller eigentlich eindämmen will.
Der Artikel erschien zuerst am 15.6.2010 in der Financial Times Deutschland
Mehr zum Thema: Nobelpreis für Robert Shiller