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Wochenrückblick Operation Öffentlichkeit

Notenbanken und Geheimdienste agieren lieber diskret hinter den Kulissen. Normalerweise klappt das auch ganz gut. In dieser Woche war es anders.
Köpfe der Woche: Edward Snowdon und Andreas Voßkuhle
Köpfe der Woche: Edward Snowdon und Andreas Voßkuhle
© dd

Zwischen Geheimdiensten und Notenbanken gibt es mehr Parallelen, als manch einem lieb ist. Das Geschäft lebt von der Diskretion, das ist bei den Notenbankern nicht anders als bei den Agenten. Beide Institutionen bemühen sich nach Kräften, dass möglichst wenig aus ihrem Innenleben nach draußen dringt. Entsprechend ist das mit der Kontrolle so eine Sache. Die Notenbanker wissen, dass sie von den Regierungen unabhängig sind. Viele Geheimdienstler handeln so, als wären sie es.

Interessant – wenn auch vielleicht eher Zufall – ist, dass bei beiden Institutionen häufig von „Operationen“ oder „Programmen“ die Rede ist, wenn sie aktiv werden. Die Notenbanken operieren auf den Geld- und Devisenmärkten, die Geheimdienste ganz woanders. Aber in beiden Bereichen werden die Operationen gerne mit eigenartigen Codenamen versehen, die niemand verstehen soll.

Als die US-Notenbank Fed 2009 im Kampf gegen die Finanzkrise ein Rettungsprogramm startete, nannte sie es TALF, was nach einer Kommandoaktion klang, aber für „Term Asset-Backed Securities Loan Facility“ stand. Die Europäische Zentralbank sprach von der „dicken Bertha“, als sie Ende 2011 und Anfang 2012 mit zwei gigantischen Tendern die Märkte flutete. Zu ähnlich martialischen Namen greifen gerne auch die Dienste. Bei ihnen heißen die Operationen schon einmal „CHAOS“ (CIA) oder „Hades“ (BND).

In dieser Woche waren es erneut zwei dieser Programme, die für die dicken Schlagzeilen sorgten. Das eine heißt „PRISM“ und steht für das groß angelegte Digital-Schnüffelprogramm der NSA, des geheimsten aller US-Geheimdienste. Nach den Enthüllungen der Zeitungen „Guardian“ und „Washington Post“ wissen wir, dass die US-Behörden praktisch alle Kommunikation, Dokumente oder Daten abfischen können, die über die Server der großen amerikanischen Internetkonzerne laufen. Die Beschwichtigungen der US-Offiziellen, dass man sich nur für Nicht-Amerikaner interessiere, machen die Sache aus europäischer Sicht nicht besser. Da passt es gut, dass Präsident Barack Obama in der kommenden Woche auf Europa-Tour ist.

Thomas Steinmann
Thomas Steinmann
© Trevor Good

Das andere Programm, das diese Woche geprägt hat, läuft unter dem Kürzel „OMT“, das für „Outright Monetary Transactions“ steht. Über das jüngste und bislang effektivste Euro-Rettungsprogramm der EZB wurde zwei Tage lang vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt. Eine Gruppe von Klägern ist der Ansicht, dass die Zentralbank mit ihrer Bereitschaft, zur Rettung des Euro notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen, ihre Kompetenzen überschreitet und die laut den europäischen Verträgen verbotene monetäre Staatsfinanzierung betreibt.

Bei der mit Spannung erwarteten mündlichen Verhandlung war viel von „Grauzonen“ die Rede. Und es ließ sich trefflich beobachten, wie sehr sich auch das höchste deutsche Gericht mit seiner mächtigen Rolle bei der Euro-Rettung quält. Das Urteil folgt in einigen Monaten. Bis dahin wird das Gericht einen Weg finden müssen, Nachbesserungen einzufordern, ohne selbst eine Operation „CHAOS“ zu starten, wenn es die gesamte Euro-Rettungspolitik aus den Angeln heben würde.

In beiden Fällen - bei „PRISM“ und bei „OMT“ - dreht sich die Debatte im Kern darum, ob der Zweck am Ende nicht doch viele, wenn nicht sogar alle Mittel heiligt. Bei „PRISM“ argumentieren amerikanische und auch deutsche Sicherheitsverantwortliche, dass mit Hilfe des gigantischen Datensaugers Terroranschläge verhindert wurden. Im Fall „OMT“ wiederum bestreiten selbst die Kläger nicht, dass die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, alles zu tun, um den Euro zu verteidigen, die akute Gefahr eines Euro-Kollaps gebannt hat. Aber reicht das als Rechtfertigung aus?

Ein junger Mann mit fahlem Gesicht, den die Welt vor einer Woche noch nicht kannte, hat für sich die Frage mit Nein beantwortet. Edward Snowdon, der nach Hong Kong geflüchtete Informant, der die streng geheimen NSA-Dokumente an die Medien gegeben hat, gilt nun als Amerikas Staatsfeind Nummer eins. Aber der Furor des amerikanischen Sicherheitsapparats trifft nicht nur den Whistleblower selbst.

Weil Snowdon zuletzt kein Agent mehr war, sondern Mitarbeiter der Technologie-Beratungsfirma Booz Allen Hamilton, liegt in Washington nun auch die Frage auf dem Tisch, ob sich der Staat im Bereich hochsensibler Informationen auf private Unternehmen verlassen kann. Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem Privatfirmen als Subunternehmer gut an Amerikas Krieg gegen den Terror – im Irak, in Afghanistan oder an der Heimatfront – verdienen konnten, dürfte das Pendel nun in die andere Richtung ausschlagen. Für Unternehmen wie Booz Allen Hamilton, die bislang fast ihren gesamten Umsatz mit den US-Diensten gemacht haben, kann das ungemütlich werden.

Während das Bundesverfassungsgericht noch um seine Haltung zu einem „Programm“ zur Lösung der Euro-Krise ringt, machte der griechische Premierminister Antonis Samaras in dieser Woche kurzen Prozess. Ohne Vorwarnung ließ er das Programm des griechischen Staatsrundfunks ERT abschalten. Der Premier rechtfertigte seine Operation „Blackout“ mit der maroden Finanzlage des Senders und den Vorgaben der Troika, bis Ende des Jahres 15.000 Staatsbedienstete zu entlassen. Samaras Koalitionspartner zweifeln daran, dass es dem Premier tatsächlich nur ums Sparen geht, und rebellieren gegen die Sendepause. Jetzt wackelt die Regierung, es drohen Neuwahlen. Wieder einmal.

Noch keinen Namen hat ein neues Programm in Deutschland, das es seit dieser Woche gibt: Das, mit dem die Politik den Flutopfern helfen will. Bis zu 8 Mrd. Euro wollen Bund und Länder für einen Fluthilfefonds locker machen, finanziert über neue Schulden. 2002 hatte es einen ähnlichen Topf gegeben. Damals wurde er – ganz unspektakulär - „Aufbaufonds“ genannt. Für die Variante des Jahres 2013 sollte sich die Regierung vielleicht einmal Formulierungshilfe bei Notenbanken oder Geheimdiensten holen.

Fotos: © ddp; Reuters; Trevor Good

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