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Management Die "Klickologie" des Online-Handels

Der Online-Handel entwickelt sich rasant. Nur wer offen für Veränderungen ist, kann in diesem Umfeld bestehen. Von Graham Jones
Amazon hat den Online-Handel geprägt wie kein anderes Unternehmen
Amazon hat den Online-Handel geprägt wie kein anderes Unternehmen

Graham Jones ist Internet-Psychologe. Er hilft Unternehmen, das Onlineverhalten ihrer Kunden und Webseiten-Besucher zu verstehen. Sein Buch „Klickologie“ ist vor kurzem im Redline Verlag erschienen

Das Phänomen des Onlineshoppings wird uns zweifellos erhalten bleiben. Im Jahr 2012 stieg der Verkauf von Waren über das Internet im Vergleich zu den zwölf Vormonaten – die bereits ein Rekordjahr darstellten – um 18 Prozent. Sogar in China, wo der Großteil der Bevölkerung keinen Internetzugang hat, ist Onlineshopping eine Multimilliarden-Industrie. In jeder Sekunde shoppen Zehntausende Menschen im Internet und einige Firmen verdienen schwindelerregende Summen. Laut Amazon-Jahresbericht von 2012 lag der Nettoproduktumsatz in jenem Jahr bei knapp 52 Mrd. Dollar, was 1,640 je Sekunde entspricht. Gleichzeitig kommen bei Ebay jede Sekunde 4600 Dollar in die Kasse, und das Unternehmen geht davon aus, dass das derzeitige Handelsvolumen von 145 Mrd. Dollar im Jahr bis 2015 auf 300 Mrd. Dollar ansteigen wird, mehr als das Bruttoinlandsprodukt vieler Länder.

Dennoch finden sogar in Großbritannien, der weltweit führenden Nation im Onlineshopping mit im Jahr pro Kopf durchschnittlich 1083 Pfund, 90 Prozent der Käufe nach wie vor in Ladengeschäften statt. Und viele Unternehmen sind unsicher und verwirrt, da sie feststellen, dass das, was offline funktioniert, nicht auch zwangsläufig zu einem Erfolg beim Onlinehandel führt und umgekehrt.

Rasanter Wandel im Online-Handel

Das Buch ist im Redline Verlag erschienen
Das Buch ist im Redline Verlag erschienen

Onlineshopping ist auch generationsabhängig. Ältere Menschen sind weniger damit vertraut, deshalb denken sie als Erstes an ein konventionelles Ladengeschäft, wenn sie etwas brauchen. Aber auch das verändert sich. Kürzlich unterhielt ich mich mit dem Geschäftsführer einer großen Modekette, die Hunderte von Ladengeschäften hat, aber auch online präsent ist. Der Internetshop ist nicht so erfolgreich, wie die Firma es gerne hätte, was dem Durchschnittsalter der Kunden zugeschrieben wird, die in der Regel in den Sechzigern sind. Trotzdem verzeichnet der Shop seit der wachsenden Beliebtheit von iPad und anderen Tablet-PCs ein starkes Wachstum. Tablet-PCs sind einfach zu handhaben und ältere Menschen finden sie weniger technisch, was zur Folge hat, dass mehr Senioren online shoppen.

Der aktuelle Trend der Inanspruchnahme mobiler Kommunikationsgeräte bedeutet nicht nur gesteigerte Verkaufszahlen über den Onlinekanal einer Firma, er steht auch für demografische Veränderungen bei den Besuchern einer Website. Nicht nur die Merkmale der Käufer verändern sich, die Zahl der Käufer wächst und ihre Bedürfnisse sind anders. Nie zuvor befanden sich Händler in einer Situation, in der so viele verschiedene Veränderungen gleichzeitig und in solch extremem Tempo stattfanden.

In seinem Buch „Managing at the Speed of Change“ weist Daryl Connor darauf hin, dass wir zwei Möglichkeiten haben, was rasche Veränderung anbelangt: Wir können ablehnend und besorgt reagieren, oder wir betrachten die Veränderung als Chance. In vielen Unternehmen macht sich die erste Option breit. Ein Untergangsszenario greift um sich, und die Leute machen sich Sorgen wegen der vielen Arbeit, ihr Geschäft an die aktuellen Veränderungen anzupassen. Ganz zu schweigen von den Veränderungen, die hinter der nächsten Ecke bereits lauern.

Branchenfremde erobern den Handel

Der Onlineverkauf von Musik hätte von der Musikindustrie selbst vorangetrieben werden müssen, aber die Musikunternehmen waren zu sehr damit beschäftigt, die Leute davon abzuhalten, digital Musik zu hören. Stattdessen wurde das Onlinemusikgeschäft also von einem Nischen-Computerunternehmen eingeführt, das damals Macintosh-Tischcomputer und -Laptops vor allem für den Einsatz im kreativen Bereich verkaufte.

Auf ähnliche Weise wurde die Suchmaschine nicht von Yellow Pages oder Kelly’s erfunden, sondern von ein paar Studenten, die an ihrer Doktorarbeit saßen. Der erste Onlinebuchhandel war die Idee eines Computernetzwerkspezialisten an der Wall Street. Warum überlassen Leute, denen eine Branche quasi „gehörte“, die Kontrolle jemandem, der sozusagen ein Eindringling ist? Größtenteils liegt das an der mangelnden Bereitschaft, Veränderung zu akzeptieren.

Wirtschaftsunternehmen, die in dieser sich schnell bewegenden Handelsumgebung gedeihen wollen, müssen offen für Veränderungen sein und sowohl aus Online- wie auch aus Offlineerfahrungen lernen. Tun sie das nicht, laufen sie Gefahr, von flexibleren Konkurrenten überflügelt zu werden – oder pleitezugehen.

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