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Debatte Jean Tirole - Marktmacht und Regulierung

Der Nobelpreisträger wird für seine Arbeit über die Begrenzung der Macht von Konzernen hochgelobt.
Jean Tirole
Jean Tirole
© dpa

Der Franzose Jean Tirole heißt der neue Träger des Wirtschaftsnobelpreises - oder korrekter des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften. Die Auszeichnung des Gründers und Direktors des Institut d’Economie Industrielle in Toulouse kommt nicht so überraschend. Auch deutsche Medien zählten Tirole in den vergangenen Jahren immer wieder zum Favoritenkreis. „Keiner hat Strategien auf Märkten so brillant analysiert wie er. Dabei hat Tirole sich schon früh für Finanzmärkte, Blasen und Spekulation interessiert, als andere dachten, die Zeit größerer Krisen sei vorüber“, schrieb Lisa Nienhaus im vergangenen Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Ein Jahr zuvor hatte „Die Welt“ den Franzosen auf ihrer Kandidaten-Shortlist. Der Ökonom habe „das Denken und Arbeiten über Anreizprobleme für eine ganze Generation geprägt“, zitierte das Blatt damals den Finanzwissenschaftler Kai Konrad.

Trotz seiner wissenschaftlichen Meriten und seines Ansehens ist die Auszeichnung eines Europäers doch außergewöhnlich. Denn in den meisten Fällen kommen US-Amerikaner zum Zug so wie im vergangenen Jahr als mit Eugene Fama, Lars Peter Hansen und Robert Shiller gleich drei von ihnen geehrt wurden. Ist die Auszeichnung Tiroles vor diesem Hintergrund vielleicht ein politischer Preis? Tore Ellingsen, Vorsitzender des Preiskomitees, weist das zurück: “It’s been clear for some time that Jean Tirole is a worthy recipient and the question has been precisely for what . . . and when.”

Handwerkszeug gegen Google?

Ausgezeichnet wird Tirole für seine Forschung zur Marktmacht großer Konzerne und deren Regulierung. Viele Industriezweige würden von wenigen großen Unternehmen oder einem Monopolisten beherrscht. Unreguliert produzierten solche Märkte gesellschaftlich unerwünschte Resultate. So könnten Preise höher sein als auf Märkten, wo Kosten die Preise beeinflussten. Oder unproduktive Unternehmen blockierten den Marktzugang produktiverer Konkurrenten.

Tirole habe gezeigt, wie die Politik mit solchen Konstellationen umgehen könne. Anders als viele Wissenschaftler vor ihm propagiere der Preisträger keine Lösungen für alle Industriezweige, sondern spreche sich für maßgeschneiderte Schritte je nach Branche aus. Tirole habe einen Rahmen entwickelt, um solche Regulierungen an die Bedingungen des betreffenden Wirtschaftszweigs zuschneiden zu können.

Larry Elliott vom britischen Guardian lobt, dass die Arbeit des französischen Ökonomen praxisgerecht sei: „Often, it is hard to see the relevance of the economics Nobel to the real world. This is not one of those years, because Tirole’s work has a practical application. Regulators should take heed - and act.“ Elliot schwebt bereits ein Einsatzgebiet vor: „It could be argued that Google’s Eric Schmidt is as powerful today as John D Rockerfeller was when he was at the helm of Standard Oil. Booksellers worry about the dominance of Amazon.“

Breiter aufgestellt als seine Fans glauben

Auch Kollegen würdigen Tirole. Tyler Cowen etwa schreibt auf Marginal-Revolution eine längere Würdigung der Arbeit Tiroles:

„A theory prize! A rigor prize! I would say it is about principal-agent theory and the increasing mathematization of formal propositions as a way of understanding economics. He has been a leading figure in formalizing propositions in many distinct areas of microeconomics, most of all industrial organization but also finance and financial regulation and behavioral economics and even some public choice too. He is a broader economist than many of his fans realize.“

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