Karriere und „das große Geld“ machen im Jahr 2017 in Deutschland immer noch ganz überwiegend Männer. Wenige Führungspositionen werden hierzulande von Frauen bekleidet. Häufig verdienen Männer zudem in vergleichbaren Jobs mehr als Frauen. Nun kommt das Gesetz zur Entgeltgleichheit und es wird höchste Zeit für Unternehmen, sich mit den Auswirkungen auseinanderzusetzen – denn die sind komplex und sollten gut vorbereitet sein.
Der Hintergrund des Ganzen: In den Vorständen der größten deutschen Aktiengesellschaften – also im Dax und MDax – verharrt der Frauenanteil seit Jahren im einstelligen Prozentbereich. Eine Erhebung, die Kienbaum im vergangenen Jahr durchgeführt hat und an der sich knapp 100 Unternehmen beteiligt haben, zeigt, dass der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands selten über 20 Prozent und auf der zweiten Führungsebene selten über 30 Prozent liegt. Und das obwohl Frauen im Durchschnitt mittlerweile besser ausgebildet sind als Männer.
Doch bei Karrieremöglichkeiten hört die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern nicht auf. Was beim Zugang zu Führungspositionen beginnt, setzt sich bei der Vergütung fort. Bezogen auf den durchschnittlichen Bruttolohn verdienen Frauen in Deutschland nach Zahlen des statistischen Bundesamts rund 21 Prozent weniger als Männer.
Die Bundesregierung – allen voran Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig – hat sich auf die Fahnen geschrieben, das oben beschriebene Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu korrigieren. Dafür hat sie im Mai 2015 das viel diskutierte Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst durchgesetzt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass 30 Prozent der Aufsichtsratsposten in voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt werden müssen. Zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und den obersten Managementebenen müssen mitbestimmungspflichtige oder börsennotierte Unternehmen sich Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils setzen und über deren Einhaltung berichten.
Ignorieren geht nicht: Das Entgelttransparenzgesetz kommt
In diesem Jahr soll es nun auch der Entgeltlücke, dem sogenannten „Gender Pay Gap“ an den Kragen gehen. Dafür hat die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das voraussichtlich im Sommer dieses Jahres in Kraft treten soll. Im Vergleich zum Gesetz zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, das sich einprägsam mit der 30-Prozent-„Quote“ umschreiben lässt, sind die Inhalte des sogenannten Entgelttransparenzgesetzes (EntgTransG) weit weniger bekannt.
Es ist schon überraschend, dass viele Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, sich bislang kaum mit den möglichen Konsequenzen des Gesetzes auseinandersetzen. Diese Zurückhaltung dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele Unternehmen noch bis zuletzt gehofft haben, ihnen könnte das Gesetz doch noch erspart bleiben. Tatsächlich stand das Vorhaben lange auf Messers Schneide. Wie fundamental und intensiv die Diskussion letztendlich war, lässt sich auch an den Namen erkennen, die das Gesetz in seinen verschiedenen Entwurfsfassungen innehatte. Aus dem „Gesetz zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes“ wurde erst das „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ und zuletzt dann das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es aus unserer Sicht nun höchste Zeit, sich mit den Inhalten des Gesetzes vertraut zu machen, das voraussichtlich noch vor Ostern verabschiedet wird.
Neue Rechte für Arbeitnehmer
Ein zentrales Element des Gesetzentwurfs ist der sogenannte individuelle Auskunftsanspruch. Der besagt, dass in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten öffentliche und private Arbeitgeber ihren Beschäftigten auf Anfrage die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung ihres Entgelts und die Gehälter von Mitarbeitern des jeweils anderen Geschlechts offenlegen müssen, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit im Unternehmen ausüben (Vergleichsentgelt). Dabei können die Beschäftigten zunächst vorschlagen, welche Funktionen sie für vergleichbar halten.
Das Gesetz verbietet es, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmens unterschiedlich bezahlt werden. Bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern können sich die Beschäftigten an den Betriebsrat wenden, um vom Arbeitgeber anonym Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Funktionen zu erhalten. Liegt keine Tarifbindung oder Anwendung vor, können sich die Beschäftigten direkt an den Arbeitgeber wenden - der Arbeitgeber hat dann drei Monate Zeit um dem Auskunftsanspruch nachzukommen.
Höhere Anforderungen an Arbeitgeber
Arbeitgeber können eigene Vergleichsfunktionen benennen, wenn sie mit der von Arbeitnehmern getroffenen Auswahl nicht einverstanden ist. Ihre Auswahl müssen sie aber nachvollziehbar begründen. Dabei müssen sie darlegen, inwiefern die ihrerseits vorgeschlagenen Vergleichsfunktionen hinsichtlich der Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und der Arbeitsbedingungen mit der Funktion der anfragenden Mitarbeiterin vergleichbar sind. Mit anderen Worten: Um die Anforderungen des Gesetzes erfüllen zu können, müssen Arbeitgeber zunächst eine Funktions- oder Stellenbewertung vornehmen, die zumindest die drei oben genannten Faktoren berücksichtigt. Falls sie bereits ein Stellenbewertungssystem etabliert haben, müssen sie es dahingehend überprüfen, ob es den Anforderungen an eine geschlechtsneutrale Bewertung gerecht wird.
Neben dem individuellen Auskunftsanspruch umfasst das Gesetz noch zwei weitere Stellhebel, mit denen Transparenz über Entgeltstrukturen hergestellt werden soll. So werden private Arbeitgeber mit mehr als 500 Mitarbeitern dazu angehalten, statistische Prüfverfahren anzuwenden, um die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern zu beurteilen. Arbeitgeber, die zur Erstellung eines Lageberichts gemäß §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, werden dazu verpflichtet, u.a. die getroffenen Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit im Lagebericht zu veröffentlichen.
Was bringt das Gesetz?
Klares Ziel des Gesetzes ist es, mehr Transparenz für Arbeitnehmer zu schaffen und Arbeitgeber dazu zu zwingen, sich mit den bestehenden Entgeltstrukturen und Bewertungsverfahren zu befassen. Maßgeblicher Hebel hierfür wird insbesondere der individuelle Auskunftsanspruch sein, dessen Beantwortung in der Praxis gegebenenfalls erheblichen Aufwand für die betroffenen Unternehmen bedeuten wird. Die Unternehmen sollten sich jetzt fragen: Sind wir auf der Basis eines etablierten, diskriminierungsfreien Entgeltsystems auskunftsfähig? In diesem Zusammenhang müssen sich die Unternehmen auch mit der Frage befassen, inwiefern bestehende Strukturen Frauen unter Umständen benachteiligen. Dabei wird in der Regel nicht die unmittelbare Benachteiligung das Problem darstellen, sondern wird vielmehr die Identifikation und Bewertung von mittelbaren Benachteiligungen im Fokus stehen. Teilweise finden sich in der Fachliteratur bereits Ansätze, nach denen eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn typischen Anforderungen und Belastungen an frauendominierte Arbeitsplätze bei der Eingruppierung nicht (ausreichend) berücksichtigt werden.
Ob das Gesetz jedoch maßgebliche Auswirkungen auf das oben beschriebenen Gender Pay Gap hat, dürfte fraglich sein. Denn die oben beschriebene Entgeltlücke von 21 Prozent ist nur zu einem geringen Teil darauf zurückzuführen, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten anders vergütet werden. So gibt es insgesamt wenige belastbare Hinweise darauf, dass Frauen und Männer unterschiedlich vergütet werden, wenn sie gleiche Tätigkeiten bei gleicher Arbeitszeit ausüben. Hauptverursacher der Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern bleibt zum einen die unterschiedliche Berufswahl von Frauen und Männern zu Beginn der Karriere. Zum anderen sind geschlechtsbezogene Unterschiede auch darauf zurückzuführen, dass in Deutschland fast ausschließlich Frauen in Teilzeit beschäftigt sind und zugunsten der Familie beruflich zurücktreten.
Unsere Nachbarn, zum Beispiel in Frankreich, Dänemark oder Schweden sind hinsichtlich einer modernen Rollenverteilung hier schon deutlich weiter. Das gilt auch für die Ausgestaltung der Teilzeitarbeit. Während in anderen Ländern vollzeitähnlichere Ausgestaltungen die Regel sind, arbeiten teilzeitbeschäftigte in Deutschland häufig halbtags, wodurch ihnen faktisch der Zugang zu Führungsfunktionen in der Regel verwehrt bleibt.
Sebastian Pacher ist Principal bei Kienbaum Consultants International; Tobias Niessen ist Partner bei Flick Gocke Schaumburg