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Debatte 5 Gründe, warum der Grexit ausbleibt

Es wird kritisch im Streit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern. Am Ende aber werden sie sich zusammenraufen. Von Ines Zöttl
Pokerspieler: Griechenlands Finanzminister Varoufakis (r.)
Pokerspieler: Griechenlands Finanzminister Varoufakis (r.)
© EU-Council
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Ines Zöttl ist Capital-Redakteurin. Sie berichtet aus Brüssel über die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern. Hier können Sie ihr auf Twitter folgen: @ineszoettl

1. Niemand will, dass die Griechen den Euro verlassen

Ökonomen mögen über das Für und Wieder eines Austritts Griechenlands aus der Währungszone streiten. Die einen, wie der Chef des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, argumentieren, dass Griechenland mit einer Abwertung der eigenen Währung seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen könne. Die anderen fürchten, dass ein solcher Schritt die Wirtschaft ins Chaos stürzen würde, weil ein Sturm auf die Banken die Folge wäre und das Land notwendige Importe wie Öl nicht mehr bezahlen könnte.

Doch solche ökonomischen Betrachtungen spielen in der Debatte der Eurogruppe keine Rolle. Die griechische Regierung hat unzweideutig erklärt, dass sie im Euro bleiben will und weiß dabei die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.

Und auch die anderen 18 Finanzminister wollen Griechenland trotz seiner ökonomischen Schwäche im Club behalten: Kurzfristig, weil sie Angst haben, dass die Eurokrise wieder auflodern könnte. Und weil sie ziemlich viel Geld verlieren würden. Langfristig, weil der Euro Teil des politischen Projekts eines vereinten Europas ist. Der Austritt Griechenlands aber könnte die ganze Währungsunion sprengen und die europäische Integration beschädigen.

2. Brüssel ist die Hauptstadt des Kompromisses

Das Drama mag eine Schöpfung der griechischen Antike gewesen sein. Zur Vollendung hat es die EU gebracht und das gerne auch als Melodram. Die Krise, der Showdown, die Peripetie gehören fest ins Brüsseler Repertoire. Die Stücke ändern sich, die Inszenierung bleibt die gleiche. Vom Briten-Rabatt über nächtelange Subventionsstreits bis zu den gescheiterten Referenden über den Vertrag von Nizza – am Ende hat die Gemeinschaft noch immer die Kurve gekriegt.

Ultimaten und unwiderrufliche Fristen gelten stets nur so lange, bis man übereinkommt, dass sie nicht mehr gelten. Glaubte man EU-Offiziellen war schon vergangene Woche die Deadline für eine Verlängerung des Hilfsprogramms, das Ende Februar ausläuft. Dann der Montag. Nun der Freitag. Ein bisschen was geht immer noch. Der „Grexident“, das Ausscheiden der Griechen als eine Art Unfall, den niemand verhindern konnte, entspricht nicht der Funktionsweise der EU.

3. Politik triumphiert über Technik

Regeln, Gesetze, Bedingungen – wer was wo wie in der Gemeinschaft darf oder muss, ist in unzähligen Verträgen und Vereinbarungen geregelt. Doch wenn es hart auf hart geht, findet sich stets politischer Interpretationsspielraum und die Technokraten rücken in die zweite Reihe. Der IWF guckt in eine andere Richtung, wenn die Tragfähigkeit der griechischen Schuldenlast wackelt. Die EZB drückt ein Auge zu, wo verbotene Staatsfinanzierung droht. Die EU entdeckt ungeahnten Spielraum, was die Erfüllung der Reform- und Sparvorgaben angeht. Und unvereinbare Positionen werden durchgewalkt, bis sie sich mehr oder weniger decken. Das Kleingedruckte ist in der EU meistens unlesbar klein gedruckt. Und in den Schreibtischen der Beamten gut verwahrt.

4. Merkel mag den Big Bang nicht

„18 zu 1“ verkündeten Teilnehmer der Eurogruppe nach den letzten Tagen. Soll heißen: Die Griechen standen einer geschlossenen Front der anderen Finanzminister gegenüber. Entschieden aber wird letztlich in Berlin – wenn die Deutschen eine Einigung wollen, wird es eine geben. Wenn nicht, dann nicht.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ in Brüssel sehr deutlich raushängen, dass ihm das missionarische Auftreten seines Amtskollegen Janis Varoufakis auf die Nerven fällt. Und Schäuble war es, der schon 2011 das Grexit-Szenario ins Spiel brachte. Merkel dagegen hält sich wieder einmal zurück. Die Kanzlerin wartet ab. Selbst wenn das Wiederaufflammen der Eurokrise nur ein Restrisiko ist – Merkel neigt nicht dazu, gordische Knoten mit einem Hieb zu zerschlagen.

5. Die Griechen sind nicht verrückt

Am Ende wird sich herausstellen: Der Spieltheoretiker Varoufakis wollte nur einmal demonstrieren, wie man es nicht macht. Innerhalb von nicht einmal einem Monat seit ihrer Wahl hat er es geschafft, alle gegen sich aufzubringen. Und nichts zu erreichen. Ein Meisterstück. In den nächsten Tagen werden die Griechen noch mal nachdenken. Und nachrechnen. Dann wird es eine Einigung geben.

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