„Kaum zu glauben!“, sagte mir letzte Woche der Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft am Telefon. „Da schicken manche schon wieder ihre ganze Entwicklungsabteilung nach Hause. Aber ich plädiere ganz vehement dafür, jetzt innovativ zu sein.“ Ich weiß, dass er das ernst meint, denn mit den großen Projekten, die er aktuell mit uns macht, ist seine eigene Entwicklungsabteilung mehr als ausgelastet.
Unsere langjährigen Kunden denken genauso. Dabei ist mir aufgefallen, dass diese ganz unterschiedliche Gründe dafür haben, gegen die allgemeinen Trends in der Industrie gerade jetzt innovativ zu sein. Genauer gesagt, habe ich fünf Gründe identifizieren können – und jeder von ihnen ist clever.
Grund 1: Technologie voraus
Technologischer Fortschritt lässt sich auch von Krisen nicht aufhalten. Und wenn eine Technologie reif ist, dann lässt sie sich gut auf diverse Produkte anderer Branchen anwenden. Wenn Sie das nicht tun: Ein trickreicherer Marktteilnehmer tut es bestimmt. Auch wenn Sie in Ihrem Bereich bis jetzt einen Vorsprung hatten, haben dann die Wettbewerber die besten Voraussetzungen, um erfolgreich aufzuholen.
Das gilt umgekehrt aber genauso: Macht der Marktführer in Ihrer Sparte gerade Pause, war es nie leichter, zur Aufholjagd anzusetzen. Und ihn abzuhängen. Diese Strategie setzt gerade einer unserer Kunden aus der Messtechnik sehr konsequent und mit Erfolg um.
Grund 2 und 3: Neue Lösungen können und bieten
Diese beiden Gründe sind eng miteinander verknüpft. Auf der einen Seite machen es Digitalisierung, Globalisierung und all die anderen Veränderungen – zum Beispiel in der Produktion – der letzten Jahre möglich, dass Sie heute über grundlegende neue Produkte nachdenken können. Auf der anderen Seite werden für aufmerksame Beobachter besonders in diesen Zeiten neue Kundenbedürfnisse sichtbar.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung und veränderte Anforderungen in der Industrie – aus beidem zusammen ergeben sich ungeahnte Marktchancen. Von so einer Fülle hat noch vor drei oder fünf Jahren keiner zu träumen gewagt. Doch auf einmal haben Sie die Möglichkeit, als erster in Ihrem Marktumfeld ganz neue Kundenlösungen anzubieten. Und tatsächlich weiß ich von einem Marktführer der kunststoffverarbeitenden Branche, der an Projekten dieser Kategorie arbeitet.
Die Bedingungen haben sich quer durch alle Branchen verändert. Nicht darauf zu reagieren, wäre, wie wenn die Automobilindustrie angesichts von Dieselskandal und Elektromobilität sagen würde: In diesen unsicheren Zeiten verändern wir mal lieber gar nichts. Das klingt überspitzt, aber in vielen Industrieunternehmen können Sie diese Vogel-Strauß-Politik durchaus beobachten.
Dass es anders geht, beweist zum Beispiel auch die Firma WFL Millturn Technologies aus Linz in Österreich. Dieses mutige Unternehmen hat nicht nur sein 2019 angeschobenes Projekt der Werkzeugmaschine M20 MILLTURN mit einem wegweisenden Design- und Bedienkonzept konsequent durchgezogen. Sie haben mit ihrer Tatkraft und ihrem Innovationsgeist sogar noch eine Automationseinheit oben drauf gesetzt.
Tatsache ist zwar, dass im Moment niemand in Automationtechnik investiert: Viele Firmen haben gemessen an ihrer aktuellen Auslastung eher zu viele Mitarbeiter und müssen schauen, wie sie sie beschäftigt halten. Doch weitsichtige Unternehmer wie auch der Inhaber von Handling Tech arbeiten – strategisch antizyklisch – jetzt an innovativen Automationskonzepten: Schließlich wird zukünftig gerade das ein wichtiger Antrieb sein, um Deutschland beziehungsweise Europa wettbewerbsfähig zu machen.
Grund 4: Auf Kurs bleiben
Eine Reihe von Unternehmen halten auch einfach nur unbeeindruckt an ihrer langfristigen Strategie fest. Sie lassen sich von mittelfristigen Störungen nicht ablenken und innovieren planmäßig weiter.
Firmen wie die Maschinenfabrik Rheinhausen erarbeiten sich damit stetig Vorteile gegenüber den Unternehmen, die ein lediglich impulsives Innovationsverhalten zeigen. Sie halten sich an die Weisheit, der auch für Strategien gilt: „Auswirkungen von Maßnahmen werden kurzfristig überschätzt, aber langfristig unterschätzt.“ Konsequenz zahlt sich aus.
Grund 5: Signal geben
Was jedenfalls nicht zu unterschätzen ist: Das Signal, das Sie mit einer Entscheidung pro Innovation und pro Investition gegenüber Ihren Mitarbeitern setzen. Die Aussage nach innen ist: Wir blicken nach vorne, wir trauen uns etwas zu. Das schafft Motivation und Vertrauen.
Ein großer Kunde von uns hat darüber hinaus stolz verkündet, dass er in diesem Jahr erneut 70 Azubis und Studenten für ein Duales Studium neu eingestellt hat und für nächstes Jahr sogar noch mehr plant. Ich glaube, das hat nicht nur mir imponiert.
Das packen wir!
In solchen Unternehmen verspüren Sie sogar in diesen Zeiten eine virtuose Leichtigkeit bei der Umsetzung von Innovationsprojekten. Es herrscht eine erstaunliche Entspanntheit. Die zeigt sich zum Beispiel darin, dass die Beteiligten nicht über die Probleme diskutieren, sondern über die Möglichkeiten, die im Projekt stecken. Sie haben den Mut, Fehler zu zu machen, und die Fähigkeit entwickelt, schnelle Entscheidungen zu treffen. Und – sehr wichtig –: Die Beteiligten können die Angst vor neuen Ideen aushalten . Ihre Augen sind auf die Chancen gerichtet. Das hat wohl auch etwas mit ihrer positiven Erfahrung der Selbstwirksamkeit zu tun: Was wir anpacken, das packen wir auch!
Natürlich ist es für Unternehmen, die in den letzten Jahren gute Gewinne gemacht und entsprechende Ressourcen haben, leichter, jetzt innovativ zu bleiben. Auf der anderen Seite kostet Geld immer noch fast nichts: Es ist also oft mehr eine Frage des Mutes und des Unternehmergeistes als der Finanzlage, in Innovationen zu investieren – aus welchem der fünf Gründe auch immer.
Und welcher davon ist Ihrer?
Jürgen Schmid ist ein renommierter Maschinendesigner. Er ist Erfinder des weltweit ersten Mini-Akkuschraubers und wurde vielfach ausgezeichnet für die unterschiedlichsten Projekte, von Spritzgießmaschinen für Arburg bis hin zu Autokränen für Liebherr.