Ende der Eiszeit
Das Atomabkommen mit dem Iran ist nicht nur ein politischer Meilenstein. Auch die deutsche Wirtschaft macht sich Hoffnungen, ihre einst engen Verbindungen zu dem Land wieder aufnehmen zu können. „Mit der schrittweisen Aufhebung der Wirtschaftssanktionen wird die deutsche Industrie ihren Beitrag dazu leisten, den Iran wieder in die internationale Gemeinschaft zu integrieren“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie Ulrich Grillo.
Die Erwartungen kommen nicht von ungefähr. Vor der Verhängung der Sanktionen war Deutschland der drittwichtigste Handelspartner Teherans. „Die deutsche Wirtschaft hat einen Großteil ihrer Marktanteile an ausländische Konkurrenten verloren“, schreibt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in einer Analyse des Atomabkommens. Vor allem China habe die Bundesrepublik weit hinter sich gelassen.
Die Wirtschaftsverbände sehen gute Chancen, im Iran wieder Fuß zu fassen. „Aufgrund des Modernisierungsbedarfes im Iran bestehen große Chancen für die deutsche Wirtschaft“, schreibt der DIHK. Konkrete Absatzmärkte ergäben sich für deutsche Unternehmen beim Fahrzeug- und Maschinenbau, bei der Energie- und Umwelttechnik, im Wasser- und Abwassermanagement, in der Agrarwirtschaft, bei Baustoffen sowie im Gesundheitssektor. BDI und DIHK halten ein Exportvolumen von mehr als 10 Mrd. Euro für realistisch. Im vergangenen Jahr waren es lediglich 2,4 Mrd. Euro. Die deutsche Wirtschaft benötige nun Möglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen und für die Abwicklung von Geschäften im Iran, sagte Grillo.
Ein wenig werden sich die deutschen Firmen aber noch gedulden müssen. Denn die Sanktionen sollen schrittweise aufgehoben werden. Und sie werden auch nur aufgehoben, wenn die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigt, dass der Iran die Atomvereinbarung auch umsetzt. Das soll Ende 2015 oder Anfang 2016 geschehen.
Vorerst kein Grexit
Für Griechenland war es wieder einmal eine entscheidende Woche. Und am Ende dieser Woche steht fest, dass es weitergeht mit den Hellenen in der Eurozone. Der Bundestag stimmte am Freitag für die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket mit einem Umfang von 86 Mrd. Euro. 60 Unionsabgeordnete votierten allerdings mit Nein – ein Warnschuss für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bis das neue Programm ausverhandelt ist, wird Griechenland mit einer Brückenfinanzierung über Wasser gehalten.
Die Bedingungen für das von der Pleite bedrohte Land sind hart. Die Gläubiger verlangten vom Parlament in Athen bis Mittwoch die Zustimmung zu einer Reihe neuer Einschnitte. Die Abgeordneten stimmten zu, doch viele Parteigänger des linken Regierungschefs Alexis Tsipras votierten mit Nein – darunter der frühere Finanzminister Yanis Varoufakis. Und auch Tsipras musste Verbalakrobatik aufbringen, um zu erklären, warum er nun für ein Sparpaket stimmt, das er zuvor noch vehement abgelehnt hatte. Es war schlicht das kleinere Übel.
Die Alternative wäre das Ausscheiden aus der Eurozone gewesen, was die Griechen ungleich härter getroffen hätte. So fügte sich Tsipras ins Unvermeidliche. Ob er das politisch überlebt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Auf den linken Flügel seiner Syriza-Partei kann er jedenfalls nicht mehr bauen.
Entlastung für die bedrohten griechischen Banken kommt von der Europäischen Zentralbank, die ihre Notkredite um 900 Mio. Euro erhöht. Trotzdem werden die Kapitalverkehrskontrollen wohl noch nicht aufgehoben. EZB-Chef Mario Draghi machte klar, dass für ihn Schuldenerleichterungen notwendig sind. Man müsse dafür nur einen Weg innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens finden.
Risikofaktor China
Die chinesische Wirtschaft ist im zweiten Quartal um sieben Prozent gewachsen, wie das Statistikamt mitteilte. Damit hält die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ihr Wachstumstempo vom Jahresauftakt aufrecht. Sieben Prozent sind zudem eine Punktlandung, denn die Regierung hat genau diese Wachstumsrate als Ziel ausgegeben. Ein Zufall?
Analysten und Ökonomen hatten ein schwächeres Wachstum erwartet und sind dementsprechend skeptisch, was die offiziellen Angaben angeht. Andererseits hat die Notenbank seit November 2014 viermal die Leitzinsen gesenkt. Das könnte die Wirtschaft stabilisiert haben. Ein Sprecher der Statistikbehörde sagte, die Zahlen gäben die reale Lage wieder.
Doch selbst in China scheinen viele diesen Aussagen nicht zu trauen. Die Börsen knickten am Mittwoch nach Bekanntgabe der Daten wieder ein, nach dem sie sich in den Tagen zuvor von dem heftigen Kurseinbruch der vorangegangenen Woche erholt hatten. Am Freitag ging es dann wieder in die andere Richtung, weil der Staat erneut mit Milliarden die Märkte stützt.
Für Ruchir Sharma, Schwellenländer-Experte von Morgan Stanley Investment Management, wird China die nächste Krise der Weltwirtschaft auslösen: „Die nächste globale Rezession ist Made in China“, sagte er in einem Bloomberg-Interview. Die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft werde das Wachstum der Weltwirtschaft unter zwei Prozent drücken.
Auch die Ratingagentur Standard & Poor’s ist alarmiert. Sorge bereiten ihr die enormen Schulden chinesischer Unternehmen. Laut einem Bericht der FAZ betragen sie das Achtfache der Staatsschulden. Die Kreditwürdigkeit der Firmen habe sich seit der Finanzkrise deutlich verschlechtert.
Bahn-Umbau
In der Mai-Ausgabe von Capital haben wir die Technikvorständin der Deutschen Bahn porträtiert. Wir schrieben damals:
„Heike Hanagarth ist eine der ungewöhnlichsten Frauen der deutschen Wirtschaft. Im Vorstand der Deutschen Bahn leitet sie das Technikressort. Die männlichste aller Männerdomänen. In allen deutschen Großkonzernen ist sie die einzige Frau auf einem solchen Posten. Ihr jährliches Budget für neue Züge und Technik ist größer als der Etat des Bundesverkehrsministers. Doch was nach Paradebeispiel für die Frauenförderung klingt, funktioniert nicht: Hanagarth ist keine Quotenfrau – und will auch keine sein.“
Sie wird vor allem bald keine Technikvorständin mehr sein. Hanagarth geht nämlich Ende des Monats. Man habe sich einvernehmlich getrennt, hieß es bei der Bahn. „Sie hat bei den Themen Technik, Innovation und Einkauf zum Erfolg des Konzerns beigetragen“, sagte Bahnchef Rüdiger Grube doch sehr nüchtern. Hintergrund von Hanagarths Rückzug ist wohl der Konzernumbau, von dem auch die von ihr betreuten Bereiche betroffen sind.