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Thema Der bittersüße Triumph

Merkels großer Sieg hat aus Sicht vieler Blogger und Kommentatoren einen bitteren Beigeschmack. Der Koalitionspartner ist weg und der Ausblick auf die kommenden vier Jahre nicht gerade rosig.
Angela Merkel
Kanzlerin Merkel bittet ihre begeisterten Anhänger um ein wenig Ruhe
© Getty Images

Was war das am Wahl-Sonntag? Ein persönlicher Triumph für Kanzlerin Angela Merkel, darin sind sich die Kommentatoren im In- und Ausland einig. Der Verlust des Koalitionspartners FDP und das Verfehlen der absoluten Mehrheit im Bundestag wird von vielen aber als Schönheitsfleck gewertet. Das Wort „bittersweet“ fällt häufiger in den englischsprachigen Kommentaren. So schreibt David Marsh in der Financial Times:

„But her victory – at the expense of the demise of her coalition partner of the last four years, the liberal Free Democrats – is bittersweet.“

Marsh sieht nicht nur wegen des Liberalen-Desasters, schwere Zeiten auf die deutsche Regierungschefin zukommen.

„The present conjuncture marks Ms Merkel’s golden age. From now on, it all gets much more difficult.“

Er glaubt, dass die Euro-Krise längst noch nicht überstanden ist und die neue Regierung bald einholen werde. Mit einem weiteren Hilfspaket für Griechenland warte eine neue Bewährungsprobe auf die Kanzlerin und ihre abwartende Krisenbekämpfungsstrategie. Für das Wall Street Journal ist die Lage Deutschlands ohnehin nicht so rosig, wie sie die Kanzlerin im Wahlkampf gemalt hat:

„German industry is stagnant, labor laws are still rigid, and rising energy costs from green subsidies threaten Germany's competitiveness. A successful third term will depend on how much economic reform the Chancellor can coax out of her next coalition.“

Kommt die Große Koalition?

Mit wem versucht es Merkel diesmal? SPD-Kandidat Steinbrück und Grünen-Spitzenkandidat Trittin
Mit wem versucht es Merkel diesmal? SPD-Kandidat Steinbrück und Grünen-Spitzenkandidat Trittin
© Getty Images

An der Seite der Sozialdemokraten werde es schwierig, eine solche Reformpolitik aufzusetzen. Das Programm der SPD wird umrissen mit „höhere Steuern und Ausgaben“. Michael Spreng, 2002 Wahlkampfmanager des damaligen CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, setzt dagegen große Hoffnungen auf ein schwarz-rotes Bündnis:

„Jetzt kann der Reformstau aufgelöst werden. Stichworte: Energiewende, Regulierung der Banken, Mindestlohn, Verbesserung der Lage von Leih- und Zeitarbeitern. Eine große Koalition hat die Chance, wenn beide Seiten guten Willens sind, eine echte Reformkoalition zu werden. Sie muss die demographischen Probleme energisch angehen, sei es bei der Rente, bei der Altersarmut und der Pflege.“

Ob er sich da nicht täuscht? Die Erinnerung an die Große Koalition von 2005 bis 2009 sprechen jedenfalls nicht unbedingt für die Vorstellung eines harmonischen Reformbündnisses. Vor allem der SPD dürfte die Vorstellung Bauchschmerzen bereiten, als Juniorpartner in ein Kabinett Merkel einzutreten. Bei der Wahl vor vier Jahren stürzten die Genossen ab. Davon hat sich die Partei bis heute nicht erholt.

Kein Kurswechsel bei der Krisenpolitik

Wer auch immer aber mit Merkel regieren wird, eine Änderung des europapolitischen Kurses ist nach Ansicht der Kommentatoren nicht zu erwarten. Auch Businessweek-Autorin Carol Matlack glaubt nicht an einen Kurswechsel:

„Merkel’s approach toward strengthening Europe is likely to remain as cautious, pragmatic, and austerity-driven as it has during the past three years, as Germany has ponied up most of the €496 billion ($671 billion) funneled to crisis-hit euro zone economies.“

Der Guardian geht ebenfalls von einem Weiter-so aus. Der Wahlerfolg werde Merkel in der Richtigkeit ihrer Politik bestärken, meint Ian Traynor in seinem Wahlblog:

„She will be encouraged to carry on as heretofore, not least since she is confident the heat is going out of the crisis and that her emphasis on savings, cuts and structural reforms in the stricken eurozone economies is beginning to pay off.“

Auch innenpolitisch stehe sie nicht unter Druck, da sowohl SPD als auch Grüne ihre Krisenpolitik mitgetragen hätten.

Einen ganz anderen Blick auf den Ausgang der Wahl wagt der österreichische Standard. „Hurra, Angela Merkel darf Europa weiter kaputt machen!“, ist dort der Videoblog von Stefan Misik betitelt. „Sie ist die schlechteste Kanzlerin, die Deutschland je hatte“, schimpft er. Mit ihrer Sparpolitik habe sie Europa Jahre der Stagnation eingebrockt und die Krise verlängert. Schuld an der Situation seien aber auch die Oppositionsparteien, die keine vernünftige Alternative zur Kanzlerin angeboten hätten.

Christian Schüttes Kommentar zum Wahlausgang: Deutschland, einig Merkelland

Fotos: © Getty Images

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