Nutzern von ChatGPT dürfte die Neuerung schon aufgefallen sein: Seit einigen Stunden weist das KI-Programm auf die Möglichkeit hin, „Atlas“ ausprobieren zu können. Dabei handelt es sich um einen neuen Internetbrowser. Die Idee dahinter ist, den Chatbot in die Nutzung von Websites zu integrieren. So soll er den Inhalt einer Seite zusammenfassen oder verschiedene Artikel bei Online-Einkäufen vergleichen, wie der ChatGPT-Entwickler OpenAI bei der Ankündigung erläuterte.
ChatGPT und ähnliche Programme liefern Nutzern in Sekundenschnelle Antworten auf Fragen und befolgen komplexe Handlungsanweisungen, sogenannte Prompts. Der neue Browser integriert ChatGPT in einer Seitenleiste. Damit ermöglicht er es der generativen KI, die angezeigte Seite zu scannen und Hilfe zum Kontext bereitzustellen, ohne dass Nutzer zwischen verschiedenen Tabs hin- und herklicken müssen. Zahlende Nutzer von ChatGPT können laut OpenAI-Chef Sam Altman zudem einen sogenannten KI-Agenten nutzen, der etwa einen Flug reservieren oder Formulare ausfüllen kann.
ChatGPT-Browser: OpenAI hofft auf wertvolle Daten
Tech-Experte Philipp Klöckner sieht hinter der Einführung von Atlas vor allem strategische Motive. „Es geht hier um drei Dinge“, sagt er. Erstens um Distribution: „Über eigene Software – also den Browser – kann OpenAI automatisch Anfragen an den eigenen Chatbot leiten. Zum Beispiel, indem Fragen aus der Browserzeile direkt an ChatGPT statt an Google geschickt werden.“ Das führe nicht nur zu einer stärkeren Nutzung, sondern mache OpenAI auch unabhängiger von den etablierten Plattformen Google und Apple. Bisher beherrscht Google mit seinem Chrome-Browser den Markt. Kürzlich hat der Konzern eine eigene KI-gestützte Suchmaschine herausgebracht.
Zweitens spiele die Sammlung von Nutzungsdaten eine zentrale Rolle. „Über den Browser lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie Nutzer sich im Netz bewegen, welche Präferenzen sie haben und wie sie Informationen konsumieren“, erklärt Klöckner. Diese Daten lieferten wertvolle Einblicke, die OpenAI bisher fehlten. Sie könnten entscheidend sein, um ChatGPT gezielter weiterzuentwickeln.
Google-Aktie gibt deutlich nach
Drittens geht es laut Klöckner um eine mögliche Umgehung bestehender Datensperren. Viele Websites verbieten derzeit das automatisierte Auslesen ihrer Inhalte zum Training von KI-Modellen. „Wenn aber ein Browser im Auftrag des Nutzers eine Website aufruft, könnte OpenAI theoretisch die dabei entstehenden Daten mitverarbeiten“, so Klöckner. Ob dies tatsächlich passiert, sei offen. Aber es werde künftig deutlich schwerer, Inhalte komplett vor OpenAI zu verbergen.
Der Atlas-Browser von OpenAI ist zunächst nur für das Mac-Betriebssystem von Apple verfügbar. Nutzer von Windows sowie Smartphones müssen noch warten. Google bekam die Ankündigung des ChatGPT-Entwicklers bereits zu spüren.Kurz vor der Präsentation von OpenAI verlor die Aktie des Google-Mutterkonzerns Alphabet fast fünf Prozent an Wert. Danach pendelten sich die Abschläge bei gut 1,8 Prozent ein.