Der Traum vom Dasein als Expat hat für viele Menschen während der Corona-Pandemie an Glanz verloren. Zwar beobachten die Autoren der Studie „Decoding Global Talent“ seit Jahren einen rückläufigen Trend. Der Anteil der Befragten, die für einen passenden Job ins Ausland gehen würden, hat sich von 63,8 Prozent im Jahr 2014 auf 50,3 Prozent Ende 2020 verringert. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung aber offenbar verstärkt, wie die Macher der Untersuchung feststellten. Die Krise hat außerdem für neue Kriterien gesorgt, die eine Stadt erfüllen muss, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen.
„Erfolg im Kampf gegen die Corona-Pandemie scheint Staaten auch zu attraktiveren Zielländern in Sachen beruflicher Mobilität zu machen“, urteilte StepStone bei der Vorstellung der Ergebnisse im März 2021. „Staaten, die die erste Welle erfolgreich bekämpft hatten, haben sich im Ranking vorgeschoben.“
Job im Ausland zunehmend unbeliebt
Allerdings muss dabei auch bedacht werden: Eine Stelle im Ausland firmiert längst nicht für alle Menschen unter dem Motto „arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Arbeitsmigration ist häufig eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Eine nachlassende Bereitschaft könnte insofern auch ein Zeichen für eine stabilere Wirtschaft im Heimatland sein.
„Decoding Global Talent“ ist eine Untersuchung der Managementberatung Boston Consulting Group, der Jobplattform StepStone und von The Network, einem weltweiten Zusammenschluss von Online-Jobbörsen. Die aktuelle Ausgabe basiert auf einer Umfrage, die von Oktober bis Anfang Dezember 2020 durchgeführt wurde. An ihr nahmen den Angaben zufolge 208.807 Menschen aus 190 Ländern teil.
Die Teilnehmer (über 5000 von ihnen aus Deutschland) füllten einen Fragebogen rund ums Thema Arbeit aus. Ausgewählte Teilnehmer wurden anschließend per Videokonferenz eingehender befragt.
Die Mehrheit der Befragten
- war zwischen 20 und 40 Jahre alt
- arbeitete in der Privatwirtschaft
- hatte einen Hochschulabschluss
- war männlich (51 Prozent).
Dies waren Ende 2020 die beliebtesten Städte für einen Job im Ausland:
Die beliebtesten Städte zum Arbeiten
Australien ist einer der Aufsteiger der Städte-Rangliste in „Decoding Global Talent“. Das Land hatte 2014 noch auf Platz sieben gelegen. In dem Bericht für 2018 reichte es bereits für Platz vier. Nun verbesserte sich Australien auf Platz drei. Sydney konnte davon allerdings nicht profitieren. Es kam unter den Befragten, die für einen Job ins Ausland gehen würden, auf eine Zustimmungsrate von acht Prozent. Die australische Metropole fiel einen Platz auf Rang zehn, lag damit aber noch vor Paris, Los Angeles und Toronto.
Barcelona war 2018 weltweit die viertbeliebteste Stadt für (potenzielle) Expats gewesen. 2020 kam die spanische Metropole nur auf Rang neun. Das war auch die Prozentzahl der Befragten, die einen Umzug nach Barcelona in Betracht ziehen würden. Damit schnitt Barcelona aber immer noch besser ab als Spanien insgesamt, das es in der Länderwertung nicht mehr in die Top 10 schaffte. Die Autoren der Untersuchung erklärten dies mit dem Imageverlust infolge der Corona-Pandemie. In der hätten „die Länder an Beliebtheit verloren, die bis zum Zeitpunkt der Befragung im Herbst 2020 besonders schwer von Covid-19 getroffen wurden, wie zum Beispiel Italien und Spanien, die beide zum ersten Mal seit 2014 keinen Platz unter den ersten zehn erreichen konnten.“
Der Ausblick „New York Times“ fällt düster aus: Möglicherweise wird Manhattan durch den Trend zum Homeoffice auch nach der Corona-Krise nie mehr dasselbe sein. Dazu passt, dass New York City in den Top 10 den tiefsten Fall erlebte. Die US-Ostküstenmetropole stürzte vom zweiten auf den achten Rang ab. Nur noch jeder zehnte potenzielle Expat konnte sich laut der Umfrage Ende 2020 einen Umzug nach New York vorstellen - „zweifelsohne, weil es ursprünglich ein Epizentrum der Pandemie war und weil die Attraktionen und Kultureinrichtungen weiterhin größtenteils geschlossen sind“, schlussfolgerten die Experten von BCG und StepStone. Die erloschene Strahlkraft des US-Finanzzentrums dürfte „geholfen“ haben, dass die Vereinigten Staaten im Länder-Ranking erstmals den ersten Platz räumen mussten.
Ausländische Fachkräfte entdecken während der Corona-Pandemie hingegen zunehmend Singapur als möglichen Ort zum Arbeiten. Der Stadtstaat konnte im Länder-Ranking neu in die Top 10 aufsteigen. Das gelang dem Finanzzentrum auch bei den beliebtesten Städten für einen Auslandsjob. Singapur verbesserte sich mit einer Zustimmungsrate von elf Prozent um acht Plätze auf Rang sieben.
Mit ebenfalls elf Prozent und einer höheren Nachkommastelle kam Tokio knapp vor Singapur auf Platz sechs. Die japanische Hauptstadt hatte bei der Umfrage 2018 noch auf Platz zehn gelegen. Der höchste Neueinstieg in den Top 30 gelang den Angaben zufolge Seoul auf Platz 15. Neu aus Asien dabei sind auch Kuala Lumpur (Platz 18) und Peking (Platz 23). Hongkong belegte Rang 21.
Abu Dhabi ist der Aufsteiger in den Top 10. Die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate verbesserte sich im Vergleich zur vorherigen Umfrage um neun Plätze. Sie kam mit elf Prozent knapp vor Tokio und Singapur auf Platz fünf. „Die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate, ihre Metropolen in attraktive Job-Destinationen zu verwandeln, scheint Erfolg zu haben“, urteilten die Autoren.
Deutschland ist während der Corona-Pandemie im Länder-Ranking zwei Plätze auf Rang vier gefallen. Dies war auch das Ergebnis für Berlin, das sich um einen Platz verschlechterte. Die deutsche Hauptstadt kam noch auf eine Zustimmungsrate von 13 Prozent. Das reichte selbst in der Europäischen Union nicht mehr für den Spitzenplatz. Kleiner Trost: „Insbesondere hoch qualifizierte Arbeitnehmer bevorzugen Berlin“, teilte StepStone mit. „Die Stadt liegt bei Menschen mit Master-Abschluss oder Promotion weltweit auf Position zwei.“ München belegte in der Umfrage Platz 26, vor Kopenhagen und Lissabon. Hamburg folgte auf Rang 35.
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben es im Länder-Ranking nicht in die Top 10 geschafft. Bei den Städten aber konnten sich gleich zwei Metropolen in der Spitzengruppe platzieren. Beliebteste Arbeits-Destination des Landes wurde in dem Bericht Dubai. Es stieg mit 14 Prozent vom sechsten auf den dritten Platz.
Amsterdam hat Berlin im EU-internen Beliebtheits-Ranking überflügelt. Die niederländische Hauptstadt kletterte dank einer Zustimmungsrate von 15 Prozent um drei Plätze auf Rang zwei. Sie profitiert den Autoren zufolge wie Berlin vom Image als dynamische Start-up-Hochburg und als Hub für Innovationen. Die Hälfte der Top-30-Städte lag übrigens in Europa.
London bleibt laut der Studie mit deutlichem Abstand die weltweit beliebteste Stadt für Auslandsjobs. Die Hauptstadt überstrahlte damit weiterhin das Vereinigte Königreich, das 2020 auf Rang fünf der Länder-Wertung verharrte. London hingegen verteidigte nach 2014 und 2018 trotz des Brexits die Spitzenposition.