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Einstiegsgehälter Bis zu 165.000 Euro Einstiegsgehalt für junge Wirtschaftsanwälte

In vielen internationalen Großkanzleien winken jungen Wirtschaftsanwälten Spitzengehälter
In vielen internationalen Großkanzleien winken jungen Wirtschaftsanwälten Spitzengehälter
© Michael Schick / IMAGO
2022 haben mehrere große Wirtschaftskanzleien die Gehälter für Berufseinsteiger um Zehntausende Euro erhöht. Wie die Branche das Gehaltsplus bewertet und was das über die Suche nach Nachwuchskräften aussagt

Ein sechsstelliges Einstiegsgehalt sorgt bei vielen jungen Nachwuchskräften für glänzende Augen. Für junge Wirtschaftsanwälte in internationalen und deutschen Großkanzleien sind diese Summen aber mittlerweile Standard. Zuletzt stiegen die Gehälter für Nachwuchskräfte sogar noch einmal um mehrere Zehntausend Euro an. Nachdem im Sommer bereits amerikanische und britische Kanzleien ihre Gehälter nach oben korrigiert hatten, legten bis zum Jahresende auch mehrere deutsche Kanzleien bei den Jahresgehältern für Einsteiger nach.

Bewerbern winken hier seit dem 1. Januar zwischen 140.000 und bis zu 165.000 Euro, je nach Kanzlei und Qualifikation. Ein Doktor- und ein im Ausland erworbener L.L.M.-Titel steigern das Gehalt noch einmal zusätzlich. Spitzenreiter unter den deutschen Kanzleien ist Poellath. Hier erwartet Anwärter zwischen 145.000 bis 165.000 Euro Jahresgehalt , anstatt der bisherigen 105.000 bis 125.000 Euro.

Anders sieht es in den Folgejahren aus: Nach mehreren Berufsjahren stagniert das Poellath-Festgehalt bei 165.000 Euro. Dafür können Anwälte der Kanzlei stärker prozentual an selbst generierten Umsätzen beteiligt werden. Bei Noerr – mit einem neuen Einstiegsgehalt von 140.000 Euro – steigt das Gehalt dagegen jedes Berufsjahr um 5000 Euro. Nach vier Jahren kommt ein junger Anwalt so auf 160.000 Euro Jahresgehalt. Ab dem sechsten Jahr winkt der Status des Associated Partners, die Beteiligung am unternehmerischen Erfolg der Kanzlei und ein Gehalt von 170.000 Euro.

Großer Bedarf an Nachwuchskräften

Grund für die Gehaltsoffensive vieler Kanzleien ist der hohe Bedarf an hochqualifiziertem Nachwuchs. „Die Nachfrage nach Top-Talenten ist im Markt ungebrochen“, erklärt Christine Volohonsky Personalpartnerin bei Noerr. Die Bewältigung der Folgen der Pandemie und der boomende Transaktionsmarkt sorgten in den Kanzleien für eine hohe Auslastung, erklärt sie weiter. „Ein wettbewerbsfähiges Gehalt ist deshalb unabdingbar – aber für Bewerber sicherlich nicht das alles entscheidende Kriterium bei der Kanzleiwahl.“

Das zeigt sich auch in einer Umfrage der Anwaltsplattform Azur : In einer aktuellen Befragung gab die Mehrheit der Jurastudenten, Doktoranden und Referendare an, ihnen sei ein gutes Betriebsklima beim Arbeitgeber am wichtigsten. Auf Platz zwei liegt nicht länger das gute Gehalt, sondern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Bewerber fragen nach unserer Kultur, den Chancen auf Partnerschaft auch in Teilzeit und generell nach einer Vereinbarkeit einer Tätigkeit in einer Spitzenkanzlei mit dem Familienleben“, bestätigt auch Volohonsky. „Nur Kanzleien, die darauf glaubwürdig antworten können, wird es zukünftig noch gelingen, Nachwuchskräfte zu finden.“

Noerr setze deshalb auch auf ein auf individuellen Bedürfnissen ausgerichtetes Ausbildungsprogramm und biete die Möglichkeit, Secondments bei Best-Friends-Kanzleien im Ausland zu absolvieren. „Ganz wichtig ist es uns auch, die größtmögliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie anzubieten“, sagt Volohonsky weiter.

„Bei uns wirken sich Elternzeiten von bis zu einem Jahr – für jedes Kind – und Teilzeit – in jedem Umfang – nicht auf den Karriereweg und die Gehaltseinstufung aus.“ Das Interesse an einer Stelle in ihrer Kanzlei steige daher schon seit Monaten „und das schon vor unserer Ankündigung, die Gehaltsstrukturen zu überarbeiten.“

Kleinere Kanzleien bleiben gelassen

Je nach Kanzleigröße und Berufsfeld können die Gehälter junger Wirtschaftsanwälte deutlich variieren. Jedes Jahr führt Azur die Einstiegsgehälter in den ersten Jahren der Größe nach in einem Ranking auf. Das Spektrum ist breit: von 45.000 Euro am unteren und 160.000 Euro Mindestgehalt im ersten Jahr am oberen Ende.

Grund für die hohen Einstiegsgehälter internationaler Kanzleien sind die hohen Honorare für Mandanten – oft internationale Großkonzerne – und die Spezialisierung auf besonders hoch bezahlte Bereiche wie Mergers & Acquisitions (M&A). Nachdem das Gehaltsplus im Ausland im Sommer 2021 erste Kanzleien in Deutschland zur Anpassung der Gehälter bewegte, fürchteten erste Stimmen, das könnte den Druck auf alle Kanzleien der Branche erhöhen, nachzuziehen und die Gehälter mit Abschlägen nach oben zu korrigieren.

In der Mittelstandskanzlei Rose & Partner, mit vier Standorten in Deutschland, sieht man die Gehaltserhöhungen der großen Branchenvertreter gelassen. „Wer maximales Gehalt verdienen will – und die Einstellungskriterien erfüllt –, ist schon immer zu den Arbeitgebern gegangen, die das bieten. Das bleibt auch so“, sagt Kanzleigründer Bernfried Rose. „Die Frage ist dann nicht, ob man in eine Großkanzlei oder eine mittelständische Kanzlei, sondern, ob man zu Gleiss Lutz oder Freshfields geht.“ Dass die Gehaltssprünge der „Großen“ für den Gesamtmarkt der Kanzleien einen Unterschied bei der Suche nach Nachwuchskräften machen, glaubt er daher nicht.

Es sei richtig, dass die Branche, wie viele andere über Schwierigkeiten bei der Suche nach jungen Talenten klage. „Wir finden auch nicht stets sofort den passenden Mitarbeiter mit der passenden Qualifikation“, ergänzt Rose. „Grundsätzlich fällt es uns aber leicht.“ Allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren sei die Kanzlei um 20 Anwältinnen und Anwälte gewachsen. Zwei weitere Berufseinsteigerinnen gehören seit 2022 ebenfalls zu seinem Team.

Beim Personalwachstum geholfen habe dabei auch die Vier-Tage-Woche mit 36 Arbeitsstunden, die Rose & Partner vor knapp zwei Jahren eingeführt hat, erzählt Rose weiter. „Damit haben wir einen Maßstab gesetzt.“ Das Gehalt bleibe für junge Talente ein wichtiger Punkt im Gesamtpaket. „Wir versuchen dabei den Blick weg vom Nominalgehalt auf den „Stundenlohn“ zu lenken“, so Rose. „Da ist ein Einstiegsgehalt von 60.000 Euro gar nicht so schlecht, wenn die Wochenarbeitszeit nur 36 Stunden statt 60 Stunden beträgt.“

Die Aussicht nach wenigen Jahren mit moderatem Zeitaufwand mehr zu verdienen, sei ein weiteres Kriterium. Für Anwälte ab dem vierten Berufsjahr liegt das durchschnittliche Einkommen bei Rose & Partner bei mehr als 120.000 Euro – und steigt damit in derselben Zeit stärker als bei den Branchengrößen. „Wir stellen auch fest, dass es für viele junge Anwälte wichtig ist, schnell eigene Mandate zu bearbeiten“, sagt Rose. „Das ist ein weiterer Vorteil der mittelständischen Kanzleien.“

Trend zu mehr Work-Life-Balance bei jungen Juristen

Für die gesamte Branche ist die Suche nach Nachwuchskräften in vollem Gange und macht sich bei den offenen Stellen in größeren Einheiten bemerkbar. „Es ist schwierig, junge Juristinnen und Juristen für die Anwaltskanzleien zu gewinnen – und sie dann, wenn sie gewonnen worden sind, auch langfristig zu halten“, beobachtet Sylvia Ruge vom Deutschen Anwalts-Verein. Geld sei dabei für junge Anwärter nicht das entscheidende Kriterium. „Wir sehen seit Jahren einen Trend hin zu dem Anspruch zu mehr Work-Life-Balance“, so Ruge.

Für kleinere Kanzleien und juristische Stellen im öffentlichen Dienst, deren Gehälter weit von den sechsstelligen Beträgen der Großkanzleien entfernt sind, heißt das: „Sie verlieren dann nicht an Attraktivität, wenn sie Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, eine moderne Arbeitsplatzausstattung und zeitgemäße Arbeitsstrukturen sowie Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten“, erklärt Ruge. „Wenn diese Punkte erfüllt sind, ist das Gehalt nicht mehr das Wichtigste.“

Wie sich die Suche nach Nachwuchskräften in den Wirtschaftskanzleien zukünftig entwickelt, hänge deshalb davon ab, wie es der Anwaltschaft gelinge, die Erwartungen und Bedürfnisse junger Talente zu berücksichtigen, erwartet sie. „Die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufs ist für junge Juristinnen und Juristen aber nach wie vor verlockend.“

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