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Vermieter Neues Urteil schützt Mieter: Eigenbedarfskündigung wird schwieriger

Blick über Berlin auf den Fernsehturm am Alexanderplatz
Stadt ohne Wohnraum: Auf dem angespannten Mietmarkt finden Berliner kaum noch Wohnungen
© Jochen Eckel | Jochen Eckel / Picture Alliance
Vermieter können in Großstädten nicht mehr so leicht wegen Eigenbedarf kündigen wie früher, wie ein neues Urteil aus Berlin zeigt. Das Gericht gaben einem klagenden Mieter Recht

Eine Eigenbedarfskündigung im Briefkasten ist für viele Mieterinnen und Mieter ein Schock. Niemand will zum Auszug aus seiner Wohnung gezwungen werden. Rechtens ist es aber: Eigentümer dürfen ihren Mietern kündigen, wenn sie ihre Wohnung für sich selbst oder ihre Angehörigen benötigen. Wollen Mieter nicht ausziehen, können Vermieter eine zeitnahe Räumung einklagen. Oftmals mit Erfolg – zumindest bisher. Denn nun stellt sich das Berliner Landgericht auf die Seite von Mietern und verunsichert Immobilieneigentümer und Kaufinteressierte.

In dem Fall, der in der Hauptstadt verhandelt wurde, hatte eine Wohnungseigentümerin zunächst ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt. Dieser widersprach der Kündigung nach Paragraf 574 Abs. 2 BGB, weil sie bei dem hart umkämpften Berliner Wohnungsmarkt eine unzumutbare Härte darstelle.

Im September 2022 verwarf die erste Instanz, das Amtsgericht Berlin, die Eigenbedarfskündigung, allerdings wegen Formfehlern im Kündigungsschreiben. Daraufhin legte die Vermieterin Berufung beim Landgericht Berlin ein. Dies erkannte die Kündigung zwar als wirksam an, stärkte in seinem Urteil aber dennoch die Rechte des Mieters: Er muss zwar eine leichte Mietsteigerung hinnehmen, darf aber bis Ende 2026 in der Wohnung wohnen bleiben.

Mieter muss geeignete und bezahlbare Ersatzwohnung finden können

In ihrem Urteil bestätigte die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin, dass die Vermieterin ein berechtigtes Interesse daran hat, das bestehende Mietverhältnis zu kündigen: Die Klägerin arbeite in einem Restaurant in Berlin und wollte nicht länger zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln, weshalb sie künftig ihre Eigentumswohnung –zusammen mit ihrem Sohn – beziehen will.

Trotzdem wies das Gericht die Räumungsklage ab und lässt das Mietverhältnis fortsetzen: Obwohl die Interessen der Vermieterin berechtigt seien, stelle die Kündigung eine unzumutbare Härte für den Mieter dar. Dieser habe glaubhaft machen können, dass er sich ernsthaft um eine geeignete und bezahlbare Ersatzwohnung bemüht habe. Innerhalb von zweieinhalb Jahren hatte sich der Mann auf 244 Wohnungsangebote beworben, bei kommunalen und privaten Vermietern, von Adlershof bis Wittenau, in Berlin und im Umland – vergeblich. Die Suche blieb erfolglos.

Lage auf dem Wohnungsmarkt ursächlich

Ein Grund seien die beschränkten finanziellen Mittel des Mannes. Doch auch die Verhältnisse auf dem Berliner Mietmarkt verhinderten, dass der Mann eine neue Wohnung finden konnte: In den vergangenen 20 Jahren hat die Leerstandsquote drastisch abgenommen, während die Bevölkerung wuchs. Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich verringert und der Wohnungsneubau stagnierte.

Mehrere Verordnungen – zur Mietenbegrenzung, über Kappungsgrenzen sowie über Kündigungsschutzklauseln – belegten die desolate Lage des Wohnungsmarktes. Außerdem bestätigte dies ein Sachverständigengutachten, welches das Landgericht Berlin extra in Auftrag gegeben hatte. Bei dem geringen Angebot sind die wenigen freien Wohnungen hart umkämpft. Selbst auf dem öffentlich geförderten Wohnungsmarkt stehe dem Mann in absehbarer Zeit keine Alternativwohnung zur Verfügung, wie das Bezirksamt Mitte dem Gericht mitteilte.

Urteil auch für Mieter außerhalb Berlins bedeutsam

Schließlich war das Gericht überzeugt, dass dem Mieter bei Räumung Wohnungslosigkeit droht und sein Schutz dem Interesse der Vermieterin überwiege. Der Eigenbedarf der Frau, die mit dem Umzug ihre derzeitigen Wohnverhältnisse verbessern wolle, sei dagegen nicht besonders dringlich.

Revision ließ das Landgericht nicht zu, „da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts (…) eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern“. Heißt übersetzt: Das Urteil ist eigentlich nichts Neues. Das Landgericht Berlin bestätigt erneut, dass auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt eine unbillige Härte darstellen kann.

Für viele Mieter ist der Richterspruch dennoch bedeutend. „Bemerkenswert an dem Urteil aus Berlin ist, dass demnach etwa die Verordnung über eine Mietpreisbremse bereits als Indiz für eine Mangellage auf dem Mietmarkt gelten kann“, sagt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund. „Wehren sich Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung, müssen sie dies also nicht mehr per Gutachten nachweisen.“ Diesen Umstand können sich auch Mieter andernorts zunutze machen. Berlin ist bekanntlich nicht die einzige Stadt mit einem stark angespannten Wohnungsmarkt und auch in zahlreichen anderen Großstädten existieren Mietpreisbremsen und Co. 

Der Mieterbund weist allerdings darauf hin, dass eine Pflicht bestehen bleibt: Mieter müssen weiterhin belegen, dass sie sich ernsthaft um eine Ersatzwohnung bemühen.

Für Vermieter könnte eine Eigenbedarfskündigungen damit schwieriger werden. Bislang entschieden Gerichte bei berechtigtem Eigenbedarf eher im Sinne der Immobilien-Eigentümer. Mieter konnten sich regelmäßig nur dann erfolgreich wehren, wenn besondere persönliche Härtegründe wie eine schwere Erkrankung vorlagen, die durch ein Sachverständigengutachten bestätigt wurde.

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