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Corona-Krise Keine Mieten bis September?

Wegen der Corona-Krise sind die meisten Geschäfte geschlossen.
Wegen der Corona-Krise sind die meisten Geschäfte geschlossen.
© dpa
Die Regierung plant ein neues Gesetz, das Mieter in der Krise vorerst von Mietzahlungen entlasten und vor Kündigung schützen soll. Auch bei laufenden Immobilienkrediten sollen dann die Zahlungen ausgesetzt werden. Das Moratorium gilt vorerst bis September

Was ist geplant?

Die Bundesregierung arbeitet zurzeit an einem Gesetz, das vor allem Mietern in der Coronakrise entlasten soll: Es soll ihnen etwas mehr Luft bei den Mietzahlungen verschaffen und verhindern, dass Vermieter ihnen die Wohnungen kündigen, wenn sie mit Mietzahlungen in Rückstand geraten. Bisher lautet die Rechtslage: Wer zwei Monatsmieten nicht gezahlt hat – oder bei wem sich die Gesamtmietschulden bis zur Höhe von zwei Monatsmieten aufsummieren – dem kann der Vermieter fristlos kündigen. Wird das neue Gesetz bis zum April durchgewunken, so wie es aktuell geplant ist, dann ist so eine Kündigung vorerst nicht möglich, jedenfalls nicht für alle Mietschulden, die zwischen April und September dieses Jahres auflaufen. Die rückständigen Beträge müssen Vermieter also ihren Mietern erst einmal stunden und zwar für bis zu zwei Jahre, wenn nötig.

Doch auch für Darlehensnehmer und Immobilienbesitzer, die mit den Mieteinnahmen einen Immobilienkredit abtragen, soll es Erleichterungen geben: Sie können ebenfalls die Zahlungen für den Kredit aussetzen, wenn bei ihnen die Arbeits- oder Mieteinnahmen coronabedingt ausbleiben – ohne dass sie dadurch Nachteile von den Banken befürchten müssen. Die Kreditnehmer zahlen das Geld dann später nach. Dadurch verlängert sich entsprechend ihre Kreditlaufzeit.

Das Moratorium soll in erster Linie verhindern, dass in nächster Zeit massenhaft Miet- Kreditverträge gekündigt werden oder dass sogar Immobilienkredite platzen, weil derzeit das Wirtschaftsleben brachliegt und daher Privatmieter und Gewerbetreibende ihre Wohnungen und Geschäftsräume nicht mehr bezahlen können.

Noch ist das Gesetz nicht beschlossen. Das Kabinett hat den Gesetzesentwurf aber am Montag verabschiedet. Es soll im Eilverfahren bis zum 1. April auch vom Bundesrat abgesegnet sein und in Kraft treten.

Was genau sagt der Gesetzesentwurf?

Grundsätzlich ist das Gesetz kein Freibrief dafür, einfach Mietzahlungen auszusetzen, sondern: Es soll die „Erfüllung vertraglicher Ansprüche“ gewährleisten – und zwar sowohl von Mietern als auch Vermietern – so heißt es im Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Weil zu erwarten sei, dass Mieter in den kommenden Wochen Einnahmeverluste hinnehmen müssten und dadurch nicht wie gewohnt ihre Mieten zahlen könnten, sei das notwendig. Die Höhe der Mietrückstände könne sich dann auf durchschnittlich mehr als zwei Monatsmieten belaufen. Damit ihnen dann nicht fristlos von den Vermietern gekündigt wird – sonst käme nämlich zur Wirtschaftskrise auch noch der Wohnungsverlust – werden die Kündigungsmöglichkeiten für Vermieter in solchen Fällen ausgesetzt.

Für Mieter heißt das: Bricht ihnen das Einkommen weg, weil sie ihre Geschäfte wegen des Lockdowns schließen mussten oder von ihren Firmen in Kurzarbeit oder Auszeiten geschickt worden sind, dann können sie vorerst ihre Mietzahlungen aussetzen. Das gilt ab 1. April und erst einmal bis zum 30. September. Sollte sich dieser Zeitraum als zu kurz erweisen, weil die Corona-Pandemie bis dahin nicht unter Kontrolle ist, kann die Regierung die Frist sogar bis Ende Juli 2021 verlängern. Und zwar dann ohne eine erneute Zustimmung des Bundestages.

Wichtig ist dabei aber: Der Schuldner (also Mieter in diesem Fall), muss belegen, dass ihm große Teile seiner lebensnotwendigen Einnahmen auch tatsächlich wegen der Corona-Krise weggefallen sind und dass er daher seine Mietzahlungen nicht leisten kann, so steht es im Gesetzentwurf. Wer dagegen lediglich zahlungsunwillig ist, obwohl er keine nennenswerten Einnahmeeinbußen hat, für den gilt die Ausnahmeregelung nicht.

Und: Das Gesetz gilt für Wohn- und Gewerberäume, aber nur für jene Verträge, die bereits vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden. Wer noch danach – also bereits mitten in der Corona-Krise - einen Mietvertrag unterschrieben hat, der gilt als „nicht schutzwürdig“, weil er bereits hätte absehen müssen, welche Folgen die Pandemie nach sich ziehen könnte.

Setzen Mieter nun mit den Zahlungen aus, so müssen sie die fälligen Mieten dennoch später nachzahlen. Sie haben dann allerdings insgesamt zwei Jahre Zeit dafür, sie wieder abzustottern. Das heißt: Tritt ein Mietrückstand zwischen April und September 2020 ein und sind die Bewohner im September 2022 immer noch mit zwei Miethöhen oder mehr im Rückstand, gilt der jetzt beschlossene Kündigungsschutz nicht mehr. Dann dürfen Vermieter ihnen kündigen. Außerdem gilt das Gesetz nur für jene Mietschulden, die auch wirklich ab April auflaufen. Ist ein Mieter bereits jetzt säumig und ist klar, dass er es auch unabhängig von Corona wäre – also dass er auch nach Abklingen der Pandemie Zahlungsschwierigkeiten hätte, dann kann er sich nicht auf das Gesetz berufen.

Für Vermieter heißt das: Es gilt Kündigungsschutz für die Mieter. Vermieter können ihre Zahlungsansprüche also nicht geltend machen, wenn ihren Mietern nur wegen der Pandemie die Einkommen wegbrechen. Das gilt für Mietzahlungen ab 1. April und zunächst bis 30. September 2020 – gegebenenfalls aber auch darüber hinaus, wenn es zu einer Verlängerung der Gesetzeslaufzeit kommt. Danach können die Hausbesitzer zwar auf die Zahlung der rückständigen Mieten pochen, müssen aber notfalls zwei Jahre Geduld haben, bis die Mieter ihre Schulden abgestottert haben. Erst wenn Ende September 2022 noch immer zwei Mieten unbeglichen sind (oder mehr), dürfen sie den Bewohnern kündigen.

Eine Ausnahme ist: Bestanden die Mietschulden bereits vor dem 1. April 2020 oder fallen sie nach dem 1. Oktober an (wenn die Frist im Gesetz nicht verlängert wird), können sie den Mietern weiterhin fristlos kündigen.

Für Immobilien-Darlehensnehmer heißt das: Der Wegfall von Einkommen und Mieteinnahmen könnte in den kommenden Monaten dazu führen, dass viele Kreditnehmer ihre Immobiliendarlehen nicht mehr wie gewohnt tilgen können. Das betrifft sowohl Selbstnutzer als auch Kapitalanleger. In solchen Fällen können auch Darlehensnehmer die Zahlungen an die Bank aussetzen, ab dem 1. April bis vorerst zum 30. September, wenn nötig. Die Bank stundet ihnen dann die Raten.

Das bedeutet: Sie verzichtet vorerst auf die Zinsen und Tilgung, erhebt auch keine zusätzlichen Zinsen oder Verzugszinsen und spricht erst recht keine Kündigung wegen Zahlungsverzug aus. Sie kann den Kunden aber Teilleistungen anbieten (also niedrigere Ratenzahlungen) oder eine Umschuldung. Insgesamt verlängert sich dadurch nur die Laufzeit des Kredits, die jetzt ausfallenden Monatsraten werden also sozusagen hinten an den Vertrag drangehängt. Notfalls kann auch die Frist für Kreditnehmer bis Ende Juli 2021 verlängert werden, falls sich die Coronakrise als schlimmer erweist als derzeit befürchtet.

Wie sind die ersten Reaktionen?

Mietervertreter begrüßen das geplante Gesetz, weil es gerade in diesen Zeiten für Sicherheit sorgt und vielen Mietern die Angst nimmt, ihre Wohnung zu verlieren. Vor allem der Kündigungsschutz für Mieter stößt insgesamt eher auf Zustimmung. Man muss bei der Stundung geben auch bedenken, dass es vielen Mietern schwerfallen wird, die aufgelaufenen Mietschulden später innerhalb von zwei Jahren wieder abzutragen. Erst recht, wenn sie wirklich sechs Monatsraten betragen oder sogar noch mehr. Denn welcher Mieter hat schon so üppige Rücklagen, erst recht nach einer Wirtschaftskrise? Einige große Immobiliengesellschaften haben aber auch bereits angekündigt, vorerst großzügiger mit säumigen Mietern umzugehen und derzeit auf Mieterhöhungen zu verzichten.

Immobilienexperten und Hauseigentümerverbände warnen jedoch, dass der Gesetzesentwurf noch Lücken hat. Was ist zum Beispiel mit Immobilieneigentümern die zwar keine laufenden Kredite abtragen, aber dennoch auf die Mieteinnahmen angewiesen sind? Kann man ihnen zumuten, nun bis zu zwei Jahre auf ihre Einnahmen zu verzichten? Sie fordern daher, dass man lieber das Vertragsverhältnis von Mieter zu Vermieter entkoppeln sollte – und beiden Zugang zu einem Wohnkostenfonds anbieten sollte: Dann können Mieter dort Hilfsgelder anfordern, wenn sie ihre Mieten nicht zahlen können. Und Vermieter können Hilfen abrufen, wenn ihnen die Mieteinnahmen wegbrechen. Also auch sofort – ohne zwei Jahre lang zu hoffen, dass die Mieter ihre Schulden begleichen. Denn was ist zum Beispiel, wenn sie zwei Jahre lang vergeblich warten und der Mieter dann doch die Rückstände schuldig bleibt?

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW gibt außerdem zu bedenken, dass viele Immobilienunternehmen bei wegbrechenden Mieteinnahmen darauf verzichten könnten, notwendige Reparaturen und Instandhaltungen durchzuführen. Das setze eine Kettenreaktion ausbleibender Investitionen in Gang, die letztlich der gesamten Bau- und Wohnungswirtschaft und vielen Handwerkern schaden würde und damit zu weiteren Einnahmeausfällen bei anderen Berufsgruppen führen könnte.

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