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Steuerreform Sind die krassen Ausreißer bei der Grundsteuer doch die Regel?

Neubauten im Kölner Stadtteil Mülheim
Erst wenn der Hebesatz feststeht, wissen Haus- und Wohnungseigentümer, wie viel Grundsteuer sie ab 2025 erwartet
© Westend61 / IMAGO
Überall in Deutschland rätseln Eigentümer, wie teuer die neue Grundsteuer für sie wird. Länder und Kommunen streiten noch über die Hebesätze. Ein paar Beispiele lassen Böses ahnen – zu Recht?

Endlich geht mal etwas schnell in der Hauptstadt. Als erstes Bundesland habe Berlin nahezu alle Grundstücke und Immobilien nach dem neuen Recht bewertet. Das teilte der Berliner Finanzsenator Stefan Evers (CDU) im Februar mit und verkündete sogleich den künftigen Hebesatz. Dieser beeinflusst maßgeblich die zu zahlende Grundsteuer und soll – damit es für alle fair bleibt – deutlich sinken, von 810 auf 470 Prozent. Andere Kommunen verraten ihre Hebesätzen noch nicht.

Zumindest die Berlinerinnen und Berliner können nun ausrechnen, wie teuer die Grundsteuer ab 2025 für sie wird. Von einem überraschend teuren Fall berichtete kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Den Tiefgaragenstellplatz eines Berliners hatte die Finanzverwaltung bislang mit 255 Euro bewertet. Nach neuem Recht soll der Grundsteuerwert des Stellplatzes bei astronomischen 144.500 Euro liegen. Am Ende soll das, trotz des niedrigeren Hebesatzes, zu einer Grundsteuer in Höhe von 305,62 Euro führen – statt bisher 12,39 Euro. 

Sind solche krassen Ausreißer bei der Grundsteuer doch die Regel und treffen möglicherweise mehr Eigentümer und Mieter als angenommen? Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen will den geschilderten Fall auf Capital-Anfrage fachlich nicht beurteilen. Eine Sprecherin teilt mit, dass ein Tiefgaragenplatz nur in Ausnahmefällen als eigenes Grundstück bewertet wird. In der Regel werde er einem anderen Grundstück, zum Beispiel einer Eigentumswohnung, zugeordnet.

Neutral für die Kommunen, nicht für die Steuerzahlenden

Als das Bundesverfassungsgericht 2018 die damalige Regierung zur Grundsteuerreform verdonnerte, versprach die Politik, dass die Reform „aufkommensneutral“ sein soll. Doch so manchem Eigentümer hatte das Finanzamt in den vergangenen Monaten Grundsteuerwerte in vielfacher Höhe ihres bisherigen Wertes für Wohnungen, Häuser und offenbar auch Tiefgaragenstellplätze mitgeteilt. Das sorgte für Ärger und Unsicherheit, weil niemand ausrechnen konnte, wie viel Grundsteuer am Ende fällig wird.

Nun, da vielerorts die Grundsteuerwerte feststehen, müssen die Kommunen den von ihnen beeinflussbaren Rechenfaktor – ihre Hebesätze – anpassen, um „Aufkommensneutralität“ zu gewährleisten. Das Beispiel des Berliner Tiefgaragenstellplatzes zeigt aber, dass Eigentümer unter Umständen mitunter trotzdem tiefer als früher in die Tasche greifen müssen. Das legt ein Missverständnis offen, denn „Aufkommensneutralität“ ist lediglich für Kommunen angepeilt, deren Grundsteuereinnahmen nach der Reform ähnlich hoch ausfallen sollen wie davor. Nicht aber zwangsläufig für jeden Grundstückseigentümer.

Teurer Tiefgaragenstellplatz eher Einzelfall

Immerhin scheint der Berliner Tiefgaragenfall eine Ausnahme darzustellen. Das zeigen Recherchen von Capital in den vier deutschen Millionenstädten Berlin, Hamburg, München und Köln. Exorbitante Grundsteuerwerte von Tiefgaragenstellplätzen, die überraschend zu einem Grundsteuerschock führen könnten, seien in keiner der Städte als wiederkehrendes Problem bekannt.

Steuerexperte Patrick Straßer vom Eigentümerverband Haus & Grund Berlin berichtet Capital, anhand des neuen Hebesatzes hätten die Berliner Vereinsmitglieder bislang überwiegend sinkende Grundsteuern für ihr Eigentum ausgerechnet. Falls sie Erhöhungen erwarteten, seien diese „nicht der Rede wert“. Dass es in Einzelfällen durchaus zu drastischen Erhöhungen bei der Grundsteuer kommen kann, könne der Verband aber nicht ausschließen. 

Nordrhein-Westfalen streitet über Hebesätze

In Nordrhein-Westfalen wird zurzeit über die künftigen Hebesätze gestritten. In vielen großen Städten zeichnet sich ab, dass die Reform Wohneigentümer mehr belasten wird als Gewerbeeigentümer. Ein Hebel verbleibt, um Lasten für Wohneigentümer auszugleichen: Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) will sich zusammen mit anderen Ländern beim Bund dafür einsetzen, künftig unterschiedliche Grundsteuerhebesätze für Wohnimmobilien und Gewerbe festlegen zu können. Der Eigentümerverband Haus & Grund Rheinland Westfalen begrüßt die Pläne, merkt aber auch an, dass das Land auch die Steuermesszahlen anpassen könne. Das würde auch der Städte- und Gemeindeverbund vorziehen, der schon länger vor dieser Entwicklung gewarnt hatte. Nun müssten die Kommunen unter Zeitdruck Versäumnisse des Landes ausbaden. 

Weiter im Norden, in Hamburg, stehen die Hebesatz für 2025 ebenfalls noch nicht fest. Die Pressestelle der Finanzbehörde Hamburg weist darauf hin, dass deshalb ein Vergleich zwischen alter und kommender Steuerlast aktuell nicht möglich sei.

Bayerns Sonderweg könnte sich für Eigentümer auszahlen

In München sieht man die Debatte gelassen. Bayern hat sich gar nicht erst auf das Bundesmodell eingelassen, sondern folgt stattdessen eigenen Grundsteuer-Regeln, dem wertunabhängigen Flächenmodell. Das heißt, für die Berechnung der neuen Grundsteuer sind lediglich die Flächen des Grundstücks und der Gebäude sowie deren Nutzung maßgeblich. 

Im Gegensatz zum Bundesmodell spielen in Bayern etwa Alter, Lage und Zustand keine Rolle. Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus & Grund München, erwartet, dass die Grundsteuer weniger für Wohnungen in bayrischen Innenstädten steigt. In Bayern werde es voraussichtlich für diejenigen teurer, die viel Fläche besitzen. Wie viel, sei aber auch erst klar, wenn die Kommunen ihre Hebesätze beschließen. Und das wird nach Auskunft der bayrischen Finanzverwaltung wohl frühestens Mitte des Jahres geschehen.

Entwarnung auch für alle Münchner Stellplatzeigentümer: Auch bei einem Tiefgaragenstellplatz bestimmt sich die bayrische Grundsteuer künftig allein nach der Nutzfläche. Und ist der Tiefgaragenstellplatz einer Wohnung zugeordnet, gibt es für 50 Quadratmeter Fläche einen Freibetrag.

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