Ein Rekord jagt den nächsten – und zwar nicht im positiven Sinne: Die Bauzinsen steigen, mittlerweile liegen sie bei 3,98 Prozent. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2011. War es vor gerade mal einem Jahr noch einfach, an günstige Kredite fürs Eigenheim zu kommen, müssen angehende Immobilienbesitzer jetzt deutlich tiefer in die Taschen greifen. Und auch diejenigen, die bereits einen laufenden Kredit abbezahlen, machen sich angesichts der immer weiter steigenden Zinsen Sorgen um ihre Anschlussfinanzierung.
Der Bauzins hängt eng, wenn auch nicht unmittelbar, mit dem Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen. Die Bauzinsen orientieren sich an den Renditen langfristiger Anleihen – z.B. Bundesanleihen – und Pfandbriefen. Über Pfandbriefe leihen sich Banken Geld bei institutionellen Investoren, mit dem die Geldhäuser wiederum Immobilienkredite finanzieren. Pfandbriefe werden durch das Pfandbriefgesetz (PfandBG) staatlich reguliert und sind zusätzlich in den meisten Fällen mit einer Immobilie abgesichert, die sich bereits im Besitz der Bank befindet. Auch für die Banken ist diese Art von Kredit nicht umsonst: Sie müssen den Pfandbriefzins zahlen, welcher dem Zinssatz der zehnjährigen Bundesanleihe entspricht. Um daraus ein lukratives Geschäft zu machen, geben die Banken den Pfandbriefzins mit einem Aufschlag an ihre Immobilienkredit-Kunden weiter.
Solange die Zinsen niedrig sind, ist vor allem der Kapitalmarkt attraktiv für Anleger – denn auf dem Geldmarkt gibt es im direkten Vergleich nur wenig Rendite zu holen. Steigt nun aber der Leitzins der EZB, verändert sich die Nachfrage – der Geldmarkt wird attraktiver. Jetzt können Anleger und Sparer über Geldmarktpapiere, Tagesgeld und Festgeld vergleichsweise höhere Renditen erzielen. Anleger bewegen also ihr Geld raus aus dem Kapital- und rein in den Geldmarkt. Die Folge: Zehnjährige Bundesanleihen, welche auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden, sind nun weniger attraktiv. Damit die Anleihe nicht jegliche Attraktivität verliert, muss der Staat durch höhere Zinszahlungen ihre Rendite ankurbeln. Damit kommen wir zum eigentlichen Problem: Die Zinsen der zehnjährigen Bundesanleihe ziehen an und erhöhen in weiterer Folge den Pfandbriefzins – die Grundlage der Baufinanzierung wird teurer.
Zinsen steigen weiter
Bei dem aktuellen Bauzins von 3,98 Prozent dürfte noch nicht Schluss sein. Das prognostiziert Mirjam Mohr, Vorständin des Privatkundengeschäfts bei Interhyp: „Dass die Zinsen zeitnah wieder spürbar sinken werden, ist unwahrscheinlich.“ Die gesamtwirtschaftliche Lage wird voraussichtlich noch eine Weile angespannt bleiben. So lange die Inflationsrate steigt oder auf einem derart hohen Niveau verharrte, bleibt die Geldpolitik der EZB restriktiv. „Deshalb erwarten wir weiterhin moderat steigende Zinsen“, sagt Mohr. Die Zinsexperten der Interhyp gehen bis Jahresende von Bauzinsen um rund vier Prozent aus. „Schwankungen nach unten sind aber möglich. Zudem werden Konditionsanpassungen von den Banken oft unterschiedlich schnell eingepreist, daher lohnt der Angebotsvergleich im volatilen Umfeld besonders“, sagt Mohr.
Die steigenden Bauzinsen spiegeln sich auch an anderer Stelle wider. Der Tilgungssatz für Immobilienkredite sinkt kontinuierlich. Das beobachten die Experten des Immobilienfinanzierers Dr. Klein: „Der anfänglich Tilgungssatz bei Erst- sowie Anschlussfinanzierungen nähert sich im September von oben der 2-Prozent-Marke“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. Mit der niedrigen Tilgungsrate wollen Kreditnehmer die monatlichen Kosten möglichst geringhalten. „Im besten Falle sollte die anfängliche Tilgung zwischen zwei und drei Prozent liegen, denn je niedriger getilgt wird, desto länger brauchen Kreditnehmer, bis ihre Immobilie abbezahlt ist“, sagt Neumann. „Allerdings bieten Kreditinstitute aktuell wieder vermehrt einprozentige Anfangstilgungen an.“
Im Gegensatz zur Tilgung steigt die Standardrate. Sie stellt eine Musterrechnung für eine Baufinanzierung dar und verdeutlicht Änderungen des Zinsniveaus. Die Dr. Klein-Experten berechnen sie für ein Darlehen in Höhe von 300.000 Euro, zwei Prozent Tilgung, 80 Prozent Beleihungsauslauf und zehn Jahren Zinsbindung: „Im September steigt die Standardrate auf ein neues Jahreshoch von 1393 Euro. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hat sie sich um 603 Euro erhöht“, sagt Neumann.
Bislang halten die steigenden Zinsen Kaufwillige aber noch nicht von ihrem Traum vom Eigenheim ab, so Neumann. „Sie können an der einen oder anderen Stellschraube drehen, um ihre Baufinanzierung auch weiterhin zu stemmen, wie an der durchschnittlichen Zinsbindung“, sagt der Experte. Denn je kürzer der Zeitraum ist, für den sich Interessenten einen Zins festschreiben lassen, desto günstiger fällt dieser aus. Wer sich dagegen den Zins für einen längeren Zeitraum sichert, profitiert von größerer Planungssicherheit und einem niedrigeren Darlehen bei der Anschlussfinanzierung.