Auf den Baustellen konnte 2020 auch während der Pandemie der Betrieb meist weiterlaufen. Das zeigt sich an der Wirtschaftsbilanz der Branche. „Im Corona-Jahr 2020 konnte die deutsche Hochbaubranche preisbereinigt noch um 1,1 Prozent wachsen“, meldete die Wirtschaftsberatung EY im Juni 2021 bei ihrer Jahresbilanz. Damit stand die Baubranche sehr viel besser da als andere Wirtschaftszweige, musste aber einen Dämpfer verkraften.
Sie war den Angaben zufolge seit 2016 jedes Jahr zwischen 2,5 und 4,5 Prozent gewachsen. Die nunmehr acht Jahre währende Wachstumsphase wird nach Ansicht der Analysten 2021 mit einem minimalen Netto-Wachstum von 0,1 Prozent zum Stillstand kommen. Sie erwarten für 2022 aber wieder einen Anstieg um 1,4 Prozent, 2023 könnte die Bauwirtschaft demnach um 1,5 Prozent wachsen.
Baubranche in der Corona-Krise
„Die Vergangenheit zeigt, dass sich der Hochbau nach Wirtschaftskrisen zügig erholen kann“, teilte EY mit. Hauptgründe für das aktuell ausgebremste Wachstum seien sinkende Mietrenditen, Kapazitätsengpässe, knapper werdendes Bauland und in der Folge steigende Baukosten.
Die Entwicklung für 2021 zeichnet sich bereits ab. Die europäische Statistikbehörde Eurostat verzeichnete im April 2021 gegenüber dem Vormonat in der EU einen Rückgang der saisonbereinigten Produktion im Baugewerbe um 1,6 Prozent. In Deutschland belief sich das Minus sogar auf 4,3 Prozent.
Mehr Wohnungen , mehr Renovierungen und steigende Preise –eine Bilanz der Baubranche in Bildern
Baubranche: eine Jahresbilanz in Bildern
Während 2020 im Lockdown das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen kam, ging auf den meisten Baustellen der Betrieb fast wie gewohnt weiter. Das zeigt sich auch bei der Zahl der fertiggestellten Wohnungen. Sie belief sich laut dem Statistischen Bundesamt auf 306.376 Einheiten. Damit erreichte die Branche im Corona-Jahr ein Plus von 4,6 Prozent oder 13.374 Wohnungen mehr als im Vorjahr. „Der im Jahr 2011 begonnene Anstieg setzte sich somit weiter fort. Eine höhere Zahl an fertiggestellten Wohnungen hatte es zuletzt im Jahr 2001 gegeben (326.187 Einheiten)“, teilten die Statistiker mit.
Die größten Wachstumsraten verzeichnete die Behörde 2020 bei Wohnungen in neu errichteten Mehrfamilienhäusern. Ihre Zahl stieg um 7,2 Prozent auf 153.377 Einheiten. Es folgten Gebäude mit zwei Wohnungen (plus 6,0 Prozent auf 20.472 Einheiten) und Eigentumswohnungen (plus 5,0 Prozent auf 68.573 Einheiten). Den einzigen Rückgang gab es bei Wohnheimen. Hier brach die Zahl der neuen Wohnungen den Angaben zufolge um 21,6 Prozent auf 7650 Einheiten ein. „Dies ist der niedrigste Wert seit 2013 (7241 Einheiten)“, teilte das Statistische Bundesamt mit.
Auch die Zahl der Baugenehmigungen ist 2020 gestiegen. Sie erhöhte sich laut Statistischem Bundesamt mit 368.589 Genehmigungen um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr und lag damit weiter deutlich über der Zahl der Baufertigstellungen. „Dies führte nunmehr zu einem Überhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen von insgesamt 779.432 Wohnungen. Der seit 2008 anhaltende Anstieg des Bauüberhangs setzte sich damit im Jahr 2020 weiter fort und erreichte den höchsten Stand seit 1998“, teilte die Behörde mit.
Der Bauüberhang ist auch die Folge der Kapazitätsauslastung in der Branche. Letztere wirkt gekoppelt mit dem hohen Auftragsbestand und sorgt so weiterhin für steigende Preise für Bauherren und Käufer. „Wir rechnen auch in den nächsten Jahren mit überdurchschnittlichen Preissteigerungen im Baugewerbe“, teilte EY mit. „Die hohen Preissteigerungsraten der vergangenen Jahre werden jedoch wahrscheinlich nicht mehr erreicht werden.“ Demnach waren die Preissteigerungen 2020 mit 1,7 Prozent deutlich geringer ausgefallen als im Vorjahr (über drei Prozent). Wer sich für eine Eigentumswohnung interessiert, muss aber oft sehr tief in die Tasche greifen. Laut EY mussten Käufer 2020 über zehn Prozent höhere Quadratmeterpreise bezahlen als noch 2019.
Nicht überall in der Baubranche waren die Auftragsbücher 2020 jedoch voll. Der Wirtschaftsbau wurde laut EY besonders hart von der Krise getroffen. Die Auftragseingänge sanken demnach dort um 9,1 Prozent. Das war der Hauptgrund für das Gesamtminus von 2,5 Prozent bei den Auftragseingängen. Denn Zuwächse gab es beim Wohnungsbau (plus 4,7 Prozent) und dem öffentlich Bau (plus 1,1 Prozent). Der Wirtschaftsbau umfasst den Hoch- und Tiefbau mit privaten Auftraggebern aus den Bereichen Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft.
Viele Immobilienbesitzer haben das Krisenjahr 2020 für Renovierungen genutzt. Nicht nur Betreiber von Restaurants oder Kinos nutzten auf diese Weise den Lockdown. Auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern gab es einen Anstieg der Renovierungen gegenüber dem Vorjahr (plus 2,5 Prozent), wie EY mitteilte. Dieser Trend werde in den nächsten Jahren vermutlich anhalten. „Wir sehen eine leichte Verlagerung von Neubauvorhaben zu Renovierungen“, hieß es.