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Kolumne Wir haben die Chance, lange zu leben – sorgen wir vor

Dani Parthum
Dani Parthum
© Tom Salt
Sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, ist eine Zumutung – und doch von entscheidender Bedeutung, um sich für das Alter finanziell abzusichern. Kolumnistin Dani Parthum rät: Hinsehen, rechnen, handeln

Der Tod ist eine Zumutung. Mir geht es da wie der Schauspielerin Iris Berben. Aus einem Interview ist von ihr überliefert, dass der Tod sie wütend mache, weil sie dann nicht mehr am Leben teilhaben könne und Sterben eine Frechheit sei. Von positiven Gefühlen kann normalerweise keine Rede sein, wenn wir an unseren eigenen Tod denken. Nur: Er wird kommen. Die Frage ist nur wann. Oder anders: Wie alt werden wir? Wie alt werde ich?

Freilich ließe sich an dieser Stelle patzig einwenden: Das sehe ich dann schon, wie alt ich werde! Mit Blick auf die Rente ist diese Haltung allerdings nicht empfehlenswert; sie ist das Gegenteil von Eigenfürsorge für die Zeit, in der wir schwächer werden und finanzielle Mittel uns helfen, würdevoll zu leben.

Wie alt man wird ist eine zentrale Frage der persönlichen Finanz- und Vermögensplanung und damit Eigenfürsorge, damit das Geld auch wirklich bis zu den letzten Tagen reicht. Da wir aber nun nicht wissen können, wie lange wir Geld benötigen, also wie alt wir werden, behelfen wir uns mit Schätzungen, biologischen Anhaltspunkten, statistischen Durchschnittswerten. Sie kennen das.

Durchschnittswerte taugen nicht für die Finanzplanung

Statistisch gesehen werden Frauen 83,4 Jahre alt. Männer erreichen statistische 78,8 Lebensjahre. Durchschnittswerte. In Baden-Württemberg leben Frauen 84 Jahre und Männer werden fast 80 Jahre alt. Im Saarland dagegen ist für Männer nach 76,5 Jahren Schluss. Das Statistische Bundesamt erhebt jährlich diese Daten und ihre Veränderungen.

Derzeit leben in Deutschland 2,5 Millionen Menschen, die über 85 Jahre alt sind. Zumeist Frauen. Haben Frauen den 80. Geburtstag erst erreicht, haben sie statistisch gesehen noch weitere zehn Lebensjahre für sich, Männer weitere acht. Und wer die Neun vor der Null stehen hat, könnte weitere vier Jahre leben. Versicherungsunternehmen nennen das: Langlebigkeitsrisiko. Ich nenne es: Langlebigkeitschance.

Zum Risiko wird es – für mich jedenfalls – erst dann, wenn das Dasein von finanziellen Sorgen geprägt ist. Wenn also Geld und Ressourcen fehlen, mit 90 noch würdevoll und selbstbestimmt zu leben. Gerade für uns Frauen ist das ein großes Thema, weil wir die Chance haben, richtig lange zu leben. Statistische Lebenserwartungen helfen uns persönlich leider wenig weiter.

Wie stellen wir uns also dieser Langlebigkeitschance finanziell?

In dem wir uns der Tatsache bewusst werden und hinsehen. Hinsehen, dass nach dem offiziellen Rentenbeginn mit 65 – oder neuerdings 67 – noch mehr als 20 plus 10 Jahre Leben stehen. Je jünger, desto wahrscheinlicher ist es, noch viele Lebensjahre für sich zu haben. Freilich ist das abhängig vom persönlichen Lebensstil, der eigenen Resilienz, genetischen Vorprägungen, den allgemeinen Lebensumständen und auch von ein wenig Glück. Die Tatsache aber bleibt: Wir werden älter und älter. Und das ist großartig!

Wie oft sind Sie schon tot umgefallen?

Oft höre ich Argumente wie: „Ich weiß doch gar nicht, wie alt ich werde; was soll ich da jetzt sparen und vorsorgen? Ich kann doch morgen schon umfallen!“ Stimmt. Nur: Wie oft sind Sie in den vergangenen Jahrzehnten gestern tot umgefallen? Das Morgen kommt. Freuen wir uns darauf und bereiten uns darauf auch finanziell vor – mithilfe von zwei Überlegungen:

Erstens können nur wir selbst unsere Lebenserwartung abschätzen, weil wir uns kennen. Und zweitens bestimmen wir unsere Rentenhöhe mit – über Ausgaben und Einkommen. In vielen Ratgebern steht, eine gute Faustregel sei, im Rentenalter etwa 80 Prozent des aktuellen Einkommens einzuplanen und als Rente aufzubauen – mit der gesetzlichen Rente und privater Vorsorge. Ich halte das für Augenwischerei. Realistischer sind 100 Prozent. Also eine Rente, die dem eigenen, durchschnittlichen Monatseinkommen entspricht. Wer es sich einfach machen will, plant genau damit.

Wer lieber rechnet, nimmt sich als Anhaltspunkt für eine Mindestrente seine aktuellen, grundlegenden Ausgaben pro Monat wie Miete, Krankenkasse, Lebensmittel, Kommunikation, Mobilität, Gesundheits- und Körperpflege und so weiter. Dazu Ausgaben, die das Leben bunt machen wie Reisen, Restaurantbesuche, Geld für die Enkel, Kino, Theater – so etwas. Hinsehen, was wir brauchen. Nicht starre Prozentwerte.

Zahlen legen, bitte!

Die gesetzliche Rente wird absehbar nur noch rund 43 Prozent des letzten Einkommens betragen, also weniger als die Hälfte! Wer kommt denn damit aus? (Höhere Einkommen sind auf das doppelte Durchschnittsentgelt gedeckelt.)

Für mich plane ich mit 95 Lebensjahren, auch wenn ich freilich lieber viel, viel länger leben würde. Auf die 95 habe ich meinen Vermögensplan ausgerichtet. In Zahlen übersetzt bedeutet das, um ab 65 meinen Lebensstandard einigermaßen halten zu können, muss ich in den nächsten 13 Jahren jeden Monat mindestens 800 € investieren. Mindestens. Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie Ihre Mindest- oder Wunschrente ausgerechnet und bauen dafür strategisch das Vermögen auf?

Heute gut zu leben und finanziell für die Zeit ohne Erwerbseinkommen vorzusorgen – diese Balance zu finden ist eine Herausforderung und wichtig, weil wir Rentenvermögen nur aktiv im Erwerbsleben aufbauen können. Dieser Herausforderung stellen wir uns, wenn wir uns unsere „Zahlen legen“: Uns ehrlich fragen, wie lange wir wahrscheinlich leben – und welchen Geldbetrag wir brauchen, damit es uns bis dahin wirklich gut geht.

Dani Parthum ist Diplom-Ökonomin, Geldcoach, Finanzbloggerin und Buchautorin. Unter der Marke Geldfrau unterstützt sie Frauen dabei, ihre Angst vor Finanzen abzulegen und für sich selbst Strategien zu entwickeln, selbstbestimmt mit Geld umzugehen und Vermögen aufzubauen.

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