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Geldpolitik Wie grün wird die EZB?

Christine Lagarde hat an der EZB-Spitze die Nachfolge von Mario Draghi angetreten
Christine Lagarde hat an der EZB-Spitze die Nachfolge von Mario Draghi angetreten
© dpa
Christine Lagarde will die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ökologischer gestalten. Wie dieses Vorhaben in der Praxis aussehen könnte – und welche Risiken es birgt

Als im Juli bekannt wurde, dass Christine Lagarde bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den scheidenden Präsidenten Mario Draghi folgen würde, waren Marktbeobachter überzeugt, dass die Französin in erster Linie Draghis Erbe verwalten würde. Doch noch vor ihrer ersten Sitzung als EZB-Präsidentin machte Lagarde klar, dass sie anders tickt als ihr Vorgänger – zumindest bei einem Thema: „Klimawandel und Umweltschutz sollten für jede Institution im Mittelpunkt stehen“, verkündete sie im September vor dem EU-Parlament. Ökonomen spekulierten umgehend darüber, was hinter dieser Ankündigung stecken könnte. Wohl nicht bloß die Frage, ob die EZB ihren Müll sauber trennt.

Im Dezember legte Lagarde nach – und diesmal ließ die neue Hüterin des Euros keinen Zweifel daran, was sie sich für ihre Amtszeit zum Ziel gesetzt hat. „Wir müssen den Klimawandel in unserer Arbeit berücksichtigen“, sagte die EZB-Chefin bei ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament. Das Phänomen sei vor allem in den hausinternen Prognosemodellen, mit denen die Notenbank Wirtschaftswachstum und Inflationserwartungen kalkuliert, noch nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem müssten bestimmte Paradigmen offen diskutiert werden, erklärte Lagarde und unterstrich damit ihren Willen, die Geldpolitik der Zentralbank neu zu justieren. Wissenschaftler, Politiker und die Zivilgesellschaft forderte die Französin zum Mitdiskutieren auf: „Ich brauche da Ihren Input.“

Seither befindet sich die Finanzwelt in Aufruhr. Zwar hat die EZB-Chefin noch nichts darüber gesagt, wie eine grüne Geldpolitik für die Eurozone konkret aussehen könnte. Viele Marktbeobachter interpretieren ihre bisherigen Aussagen aber so, dass sich die Notenbank bald zu einer Art Klimafeuerwehr aufschwingen könnte. Den unter Draghi gestarteten Anleihekäufen, im Notenbankjargon „Quantitative Easing“ oder kurz „QE“ genannt, könnte womöglich eine grüne Variante folgen – eine Art „Green QE“, bei dem die Notenbank gezielt Green Bonds kauft.

Die Idee stößt vor allem unter Notenbankern auf Widerstand. Denn eigentlich folgt die EZB dem Grundsatz der Marktneutralität. Das heißt: Bei ihren Anleihekäufen achtet sie darauf, den Querschnitt des Marktes abzubilden, um den Markt nicht zu verzerren. Würde die EZB nun bevorzugt grüne Anleihen kaufen und Bonds aus „schmutzigen“ Branchen meiden, wäre dieser Grundsatz nicht mehr gegeben. Im Namen des Klimas würden sich die obersten Währungshüter von einer ihrer wichtigsten Leitlinien verabschieden. Bundesbankchef Jens Weidmann hält ein „Green QE“ deshalb für hochproblematisch: „Eine Geldpolitik, die explizit umweltpolitische Ziele verfolgt, läuft Gefahr, sich zu übernehmen“, warnte Weidmann, der als Vertreter Deutschlands auch im EZB-Rat sitzt. Der Klimaschutz sei für Notenbanken ein wichtiges Thema, für eine wirksame Klimapolitik brauche es aber „die richtige Instrumente und die dafür demokratisch legitimierten Akteure.“

Kritiker eines Green-Bond-Kaufprogramms fürchten zudem, dass der Kauf ausschließlich grüner Anleihen von Seiten der Notenbank Greenwashing fördern würde. Die Ankündigung eines „Green QE“ könnte Staaten und Unternehmen dazu verleiten, sich ein grünes Image zu verpassen – einzig, damit die EZB ihre Anleihen kauft.

Bisher ist noch nicht einmal klar, welche Kriterien Green Bonds und andere nachhaltige Finanzprodukte überhaupt erfüllen müssen. Zwar hat eine EU-Kommission jüngst entsprechende Regeln ausgearbeitet. Mehrere Mitgliedsstaaten blockieren aber ein EU-weites Klassifizierungssystem für nachhaltige Geldanlagen. Frankreich, Tschechien, Ungarn, Polen, die Slowakei, Rumänien, Slowenien und Großbritannien lehnten die neuen Regeln ab. Sie befürchten, dass Investitionen in Atomenergie künftig kein grünes Licht mehr bekommen. Solange sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht einmal auf einen gemeinsamen Standard einigen können, dürften es Lagarde schwer haben, eine Mehrheit für grüne Anleihekäufe zu finden.

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