Die Marktsituation für Börsengänge ist hervorragend. Airbnb, Snowflake, Palantir und Lemonade konnten in der jüngsten Vergangenheit phänomenale Börsenstarts hinlegen. In Deutschland gelang dem Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 Anfang des Jahres ein großartiges Börsendebüt. Und die kommenden Monate warten noch mit vielen weiteren spannenden Initial Public Offerings (IPOs) auf.
Für Privatanleger ist es relativ schwierig, sich an einem Börsengang zu beteiligen. Zumeist sind es die Zeichnungswünsche institutioneller Investoren, die von den Konsortialbanken vor der Erstausgabe der Aktien berücksichtigt werden. Die Nachfrage von Privaten spielt oft eine untergeordnete Rolle. Für sie können IPO-ETFs eine interessante Option sein. Diese erwerben zwar keine Papiere vor dem eigentlichen Listing und damit auch nicht zum IPO-Preis. Sie enthalten aber eine Vielzahl an Börsenneulingen und profitieren von Wertzuwächsen am florierenden IPO-Markt. Auf Jahressicht konnten IPO-ETFs den US-Aktienindex S&P 500 deutlich schlagen.
Der größte ETF mit IPO-Fokus ist der First Trust U.S. Equity Opportunities ETF mit einem Gesamtnettovermögen von 1,9 Mrd. US-Dollar. Das größte Konkurrenzprodukt dazu ist der Renaissance IPO ETF mit immerhin 562 Mio. US-Dollar an verwaltetem Vermögen. Dieser wird in Deutschland an der Münchner Börse gehandelt. Die beiden ETFs bilden die Wertentwicklung von IPO-Indizes nach, die sich auf die Vereinigten Staaten konzentrieren. Sowohl First Trust als auch Renaissance haben zudem globale Pendants: den International Equity Opportunities ETF respektive den International IPO ETF. Letzterer enthält auch die deutschen Unternehmen Teamviewer und Auto1.
Die Unterschiede zwischen IPO-ETFs sind auf den ersten Blick nicht offensichtlich. „Man muss darauf achten, was für Strategien sie im Detail verfolgen“, erklärt Julian Horky, Leiter Risikocontrolling bei Berenberg Capital Markets. „Welche Papiere werden wann gekauft, wie lange werden sie gehalten?“ Gekauft wird bei Renaissance am fünften Handelstag, bei First Trust am Ende des sechsten. Dadurch werden die zum Teil enormen Kursschwankungen der ersten Handelstage bewusst umgangen. Der größte Unterschied zwischen den ETFs ist ihre Haltedauer: Während First Trust Unternehmensanteile vier Jahre lang hält, fliegen sie bei Renaissance schon nach zwei Jahren wieder aus dem Portfolio.
Vor- und Nachteile der IPO-ETFs
IPO-ETFs haben auch unterschiedliche Mindestaufnahmekriterien, was beispielsweise Marktkapitalisierung oder Streubesitzanteil betrifft. Und sie gewichten ihre Positionen anders. Renaissance investiert nach eigenen Angaben in die Top-80 Prozent aller IPOs, gemessen an deren Marktkapitalisierung. Der ETF enthält aktuell 63 Titel, angeführt vom Video-Chat-Service Zoom mit einer Gewichtung von 9,25 Prozent und dem Fahrdienstvermittler Uber mit 8,25 Prozent. First Trust investiert hingegen in die hundert jüngsten IPOs mit der besten Performance. Mit 9,53 Prozent belegt das Social-Media-Unternehmen Snap den ersten Platz, gefolgt von Uber mit 5,41 Prozent.
„Der Vorteil solcher IPO-ETFs liegt unter anderem darin, dass sie in eine Reihe von Börsenneulingen investieren, die vielleicht noch gar nicht in den großen Indizes wie etwa dem S&P 500 vorkommen“, sagt Horky. Damit bieten sie die Möglichkeit, früher an Börsentrends teilzuhaben, als das bei anderen ETFs der Fall ist. Dazu kommt die Zeitfrage für Anleger, die gern unter den Ersten sind: „Ich muss mich nicht aktiv mit jeder einzelnen IPO auseinandersetzen und auch nicht stets ein Depot bei der Konsortialbank eröffnen“, sagt Horky.
Den Nachteil einer solchen passiven Beteiligung sieht der Anlageexperte darin, nicht von potenziellen Höhenflügen am ersten Handelstag, den sogenannten IPO-Pops, profitieren zu können. „Der Emissionspreis wird von den Investmentbanken unterhalb der tatsächlichen Nachfrage angesetzt. Sie wollen nicht auf den von ihnen gehaltenen Papieren sitzen bleiben“, erklärt Horky. Und je höher die Nachfrage am breiten Markt, desto größer ist der kurzzeitige Aufschwung am ersten Börsentag. Im vergangenen Jahr betrug der durchschnittliche IPO-Pop laut Nasdaq-Analysten 38 Prozent. „Die einzige Möglichkeit, an diesen Kurssprüngen zu partizipieren ist, wenn man eine Zuteilung zum Ausgabepreis erhält, sich also selbst im IPO-Prozess engagiert“, sagt Horky.
Das kann auch schiefgehen, wie etwa der missglückte Börsenstart von Uber gezeigt hat. Damit ist die Wahl zwischen einer aktiven IPO-Beteiligung und einer Investition in einen IPO-ETF letztlich auch eine Frage der persönlichen Risikoneigung. „Für Anleger stellen IPO-ETFs jedenfalls eine gute Möglichkeit dar, das eigene Portfolio weiter zu diversifizieren“, so Horky.

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