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Geldanlage Warum ICOs ein riskantes Spiel für Anleger sind

ICOs sind in, aber für Anleger auch sehr riskant
ICOs sind in, aber für Anleger auch sehr riskant
© Getty Images
Virtuelle Börsengänge - auch ICO genannt - sind derzeit der letzte Schrei. Anleger investieren massenhaft ihr Geld bei solchen Krypto-IPOs. Doch die Aufsichtsbehörden warnen.

Gute Ideen sind ja Gold wert, aber wie soll man Ideen entlohnen, von denen man noch gar nicht weiß, ob sie gut sind? Bei denen man also jetzt noch gar nicht abschätzen kann, ob sie später tatsächlich marktfähig sein werden – oder eher als Rohrkrepierer enden? Die bezahlt man dann wohl am besten mit virtuellem Geld. Und genau das machen neuerdings immer mehr Anleger weltweit. Passt ja auch irgendwie zusammen, wenn sich auf diese Weise zwei Dinge treffen, die beide noch nicht greifbar sind: unwirkliche Ideen und unwirkliche Währungen. Was in dieser Kürze einigermaßen kryptisch klingt, ist inzwischen längst Realität und ein milliardenschwerer Markt noch dazu: Rund 3 Mrd. Dollar haben Unternehmen in diesem Jahr bereits bei Initial Coin Offerings (ICOs) eingesammelt.

Über 200 Firmen sind mit solchen virtuellen IPOs an den Kapitalmarkt geprescht, das ist eine atemberaubende Menge. Denn im Jahr zuvor waren es gerade einmal 46, die das Wagnis eingingen. ICO heißt der Vorgang in diesen Fällen, und er funktioniert so: Ein Start-up entschließt sich, an die Börse zu gehen, will jedoch keine herkömmlichen Aktien ausgeben und seine Anteile nicht über eine der bekannten Handelsplattformen traden lassen. Es gibt stattdessen Tokens aus, also eine virtuelle Währung. Diese Tokens können dann später unter den Anlegern gehandelt werden – und zwar direkt von Anleger zu Anleger an Digitalbörsen. Denn richtige Börsen als Abwicklungsplattformen brauchen die Anbieter in diesem Fall nicht. Sinn der virtuellen Währungen ist schließlich, dass Zwischenhändler wie Banken, Broker und andere ausgeschaltet werden und die Finanztransaktionen rein zwischen einem Netzwerk von Computern ablaufen.

Infografik: Die größten Initial Coin Offerings 2017 | Statista

Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Was ein Token ist und welche Ansprüche der jeweilige Käufer damit hat, bestimmt dabei jede Firma selbst: Manche definieren den Token als Anteil an der Firma, so ähnlich wie es bei der Aktie auch ist. Andere versprechen, dass der virtuelle Aktionär an den späteren Gewinnen beteiligt wird, jeweils im Gegenwert seiner Tokens. Ein Token kann auch eine Art Anleihe sein. Und wieder andere sagen: Der Token ist lediglich ein Gutschein, für den sich der Investor später mit Dienstleistungen eindecken kann. Es soll sogar Firmen geben, die ihre Tokens als Spenden an die Anleger deklarieren und sagen, dass die Investoren keine weitergehenden Ansprüche hätten.

Ein ICO ist nicht mit einer Aktienemission vergleichbar

Das klingt nicht nur sehr willkürlich, das ist es auch tatsächlich. Denn Regeln oder Beschränkungen für diese virtuellen Anteilsausgaben gibt es bisher noch nicht. Nur eines ist mit den Tokens nicht verbunden: Ein Mitspracherecht wie bei Aktien haben die Investoren damit nicht. Und auch sonst wissen sie eigentlich gar nicht so genau, was sie da kaufen. Genau das bemängeln jetzt diverse Aufsichtsbehörden, die daher die virtuellen ICOs verbieten oder zumindest einschränken wollen.

Die chinesische Börsenaufsicht hat ihnen bereits den Marktzugang abgeklemmt und Kryptobörsengänge untersagt. Singapur und die Schweiz wollen sie strenger regulieren, die US-Aufsichtsbehörde SEC denkt ebenfalls darüber nach. Und selbst die deutsche Finanzaufsicht Bafin – die sie sich nun wirklich nicht den Ruf erworben hat, eine der ersten Behörden zu sein, wenn es ums Verbieten geht und Markteinschränken – gibt nun eine deutliche Warnung heraus : Allein „durch die begriffliche Nähe wird der Eindruck erweckt, ICOs seien mit Aktienemissionen vergleichbar, was jedoch weder technisch noch rechtlich der Fall ist“. Initial Coin Offerings seien „höchst spekulative Investments“, die „für Anleger erhebliche Risiken“ bergen würden. „Anleger sollten sich darauf einstellen, dass auch ein Totalverlust ihrer Investition möglich ist.“

So klar liest man es in Behördenberichten in der Tat selten. Hinzu kommt, dass sich die Bafin damit erstmals gegen ein komplettes Marktsegment wendet. Bisher beschränkten sich ihre Veröffentlichungen und Eingriffe lediglich auf konkrete Produkte oder sie untersagte einzelnen Unternehmen den Geschäftsbetrieb, wenn sie mit zweifelhaften Papieren handelten. Eine derart pauschale Verbraucherwarnung vor den Risiken der ICO erfolgt zum ersten Mal.

„Wolf of Wall Street“ warnt vor ICOs

Sind die Kryptobörsengänge also wirklich so gefährlich? Sie seien „die größte Abzocke, die es je gegeben hat“, so formulierte es jüngst sogar Jordan Belfort, ausgerechnet der Mann, der als „Wolf of Wall Street“ in die Geschichtsbücher einging und selber etliche Anleger um insgesamt 200 Mio. Dollar prellte, wofür er eine zweijährige Gefängnisstrafe verbüßte. Jener Börsenhai also warnt nun vor dem aktuellen Börsenhype, der in seinen Augen tausende Anleger noch viel stärker schädigen werde, als er es jemals getan habe, so drückte er das aus.

Viele diejenigen, die bereits Anteile bei solchen virtuellen Börsengängen gekauft haben, werden das freilich ganz anders sehen: Einige Firmen vervielfachten innerhalb weniger Wochen den Wert ihrer Anteile. Von einer Verfünffachung der Einlage in nur zwei Wochen träumen seitdem die Investoren, denn das habe bei Vorzeigeunternehmen durchaus schon geklappt. Deshalb springen auch immer mehr Investoren auf die Krypto-ICOs an und machen dafür große Summen locker. Die bisher größten Börsengänge erlösten jeweils über 200 Mio. Dollar und ein deutsches Start-up soll demnächst ebenfalls diese Größenordnung erreichen. Warum sollte man da also nicht mitmachen, wenn endlich einmal wieder die Börse auch den Kleinanlegern mächtige Chancen eröffnet?

Weil der Markt so unreguliert ist. So sagen es die Behörden im Gleichklang mit jenen Börsenprofis, die genau wissen, wie man das bestehende System ausnutzt – selbst wenn es strenge Regeln gibt. Umgehen kann man beinahe jede Regel, das machen Finanzskandale dieser Tage wieder einmal deutlich. Wo es aber gar nicht erst Regeln gibt, da ist es noch viel einfacher für diejenigen, die vorwiegend selber auf ihre Kosten kommen wollen.

Das Risiko für Anleger ist enorm

Das größte Problem ist, dass viele der Start-ups noch gar keine richtigen Geschäftsmodelle haben, sondern oft lediglich ein Whitepaper vorlegen, in dem sie ihre Ideen und ihre Businesspläne beschreiben. Es liege als lediglich ein Konzeptpapier vor und schon gar kein Wertpapierprospekt wie bei anderen Anlageformen. Im Grunde kaufen die Anleger also nichts als ein paar kühne Ideen. Nun ist das bei anderen Unternehmen, die an die Börse gehen nicht anders. Auch bei Start-ups wie Snap kann man nach der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells fragen, bei Facebook taten viele es früher ebenso. Bei den Kryptowährungen aber lauten die Businessbeschreibungen heute ungefähr so: Wir sind ein Social Trading Netzwerk, das sich auf hochspekulative Differenzkontrakte spezialisiert hat und virtuelle Gegenstände handelt. Zum Beispiel Spielgeld aus Computerspielen. Andere treten an um Kreditkarten für Kryptowährungen zu entwickeln und sammeln dafür Geld von Anlegern ein.

Da mag man als Anleger selbst entscheidet, für wie aussichtsreich man so eine Geschäftsidee hält. Sollte aber im Hinterkopf behalten, dass von den vielen Unternehmen, die gegründet werden etwa neun von zehn nicht überleben. Das ist der grobe Marktschnitt. Wie die Zahlen speziell im Kryptobereich ausfallen ist noch nicht erfasst. Fakt ist aber: Das Risiko für Anleger ist enorm hoch. Und durch den unregulierten Markt ist es noch höher. Denn dort garantiert später niemand, dass die Anteilseigener ihre Anteile auch wieder loswerden und verkaufen können. Dadurch können sich erhebliche Preisschwankungen bei den Kryptoanteilen ergeben, zeigte die jüngste Vergangenheit: Selbst hochgejubelte Anteile brachen von einem Tag auf den anderen ein.

Und dann steht natürlich noch die Frage im Raum: Kaufe ich mit dem Token nun einen Anteil an der Firma, ein Stück vom irgendwann erwarteten Gewinn oder lediglich das Versprechen, ihn später in Spielgeld für ein Computerspiel tauschen zu können? In jedem Fall sollte man nur dann echtes Geld in solche virtuellen Welten pumpen, wenn man auch damit leben kann, wenn es vollends in Bits und Bytes verpufft.

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