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Geldanlage Snap - Börsenstar mit Fragezeichen

Snap legt einen furiosen Börsenstart hin. Aber hält die Aktie auch, was der Auftakt verspricht? Von Nadine Oberhuber
Snap: Das Börsendebüt ist geglückt
Snap: Das Börsendebüt ist geglückt
© Getty Images

In Amerika redet man gern von Stars und Sternchen, wenn etwas großartig ist. Dementsprechend feierte die Börse auch einen neuen Star auf dem Parkett: nämlich den Börsengang von Snap, der Mutter von Snapchat. Tatsächlich war es der größte Börsengang (IPO), den die Welt seit Längerem erlebt hat, größer als der von Facebook im Jahr 2012 und annähernd so kapitalbringend wie der von Alibaba, der im Jahr 2014 einen Rekordwert markierte. Ob aber nun an der Börse tatsächlich ein neuer Stern aufgegangen ist oder eher eine Sternschnuppe durchziehen wird, die schon bald wieder verglüht sein wird, das muss die Zukunft erst noch zeigen. Denn große Börsengänge – erst recht in der Technologiebranche – müssen nicht bedeuten, dass damit immer eine Erfolgsgeschichte beginnt, zumindest nicht für die Aktionäre.

Was bringt Snap also aufs Parkett? Zunächst einmal 200 Millionen Aktien zu einem Kurs von 17 Dollar. Das ist mehr, als zuletzt vom Unternehmen angepeilt war, denn es hatte die Spanne nur auf 14 bis 16 Dollar angesetzt. Zudem haben die Aktien kein Stimmrecht, weil die beiden Unternehmensgründer sich selbst insgesamt 90 Prozent der Stimmrechte erhalten wollen. Dennoch hätte die Firma insgesamt sogar rund das Zehnfache an Papieren auf den Markt werfen können – sie wäre sie bei den Anlegern losgeworden, verrieten Insider, die Einsicht in die Zuteilungsdaten hatten. Insgesamt platziert Snapchat damit ein Aktienpaket im Wert von 3 Mrd. Dollar am Markt (so viel hatte der Rivale Facebook noch vor ein paar Jahren für das Gesamtunternehmen geboten, um den unliebsamen Konkurrenten zu schlucken) und der Börsenwert von Snapchat liegt damit bei gut 24 Mrd. Dollar.

Den Rekord hält Alibaba

Das ist erheblich mehr als Facebook bei seinem eigenen IPO im Jahr 2012 schaffte, dessen Börsenwert lag nur bei 16 Mrd. Dollar. Und blieb damit bisher unübertroffen. Inzwischen wird der Social-Media-Gigant schon auf stolze 340 Mrd. Dollar taxiert, also auf das Zwanzigfache von damals. Der Snapchat-Börsenstart setzt jedoch auch keinen absoluten Rekord, denn den hält immer noch der chinesische E-Commerce-Konzern Alibaba, der 2014 aufs Parkett drängte und dabei 25 Mrd. Dollar einspielte. Heute ist sie knapp das Neunfache wert, nämlich 205 Mrd. Dollar.

Heute können diejenigen Investoren, die sich beim Börsengang von Facebook und Alibaba Aktien sicherten, sehr froh sein. Denn beide Papiere legten seit dem IPO gehörig zu. Alibaba gewann insgesamt 36 Prozent, Facebook sogar satte 333 Prozent. Das klingt nicht nur gigantisch, das ist es auch, wenn man die Wertentwicklung aufs Jahr herunterrechnet. Dann liegt Alibaba bei zwölf Prozent plus, Facebook sogar bei 66 Prozent. Und die Zahlen von Google, das jetzt Alphabet heißt und schon eine Weile länger an der Börse ist, sehen ähnlich aus: Seit 2004 erlebte die Aktie ein Kursplus von rund 37 Prozent – pro Jahr wohlgemerkt. Auf zehn Jahre gesehen waren es 378 Prozent.

Kein Wunder, dass solche Zahlen die Anleger zu den Papieren greifen lassen und die Hoffnungen groß sind. Wie aber sieht es nun um die reellen Chancen des Börsenneulings Snap aus? Wenn man diese Frage stellt, reagieren viele Analysten derzeit zurückhaltend. Zuletzt wuchs die Firma nämlich deutlich langsamer als sie es gewohnt war. Insgesamt 158 Millionen Nutzer kommunizieren jeden Tag über die App. Ihre Zahl wuchs um nur noch fünf Millionen vom dritten zum vierten Quartal vergangenen Jahres. Es hätte vermutlich mehr sein können, wenn Rivale Facebook nicht seit einer Weile viele der Snapchat-Features kopieren würde, wo es nur geht – um den Konkurrenten möglichst überflüssig zu machen. Was noch nachdenklicher stimmt: Zwar verdient Snapchat schon viel Geld mit Werbung, was im vergangenen Jahr den Umsatz von knapp 60 auf über 400 Mio. Dollar in die Höhe katapultierte. Doch bisher verdient Snapchat kein Geld. Der zuletzt verbuchte Verlust lag 2016 bei einer halben Milliarde Dollar, im Jahr zuvor waren es immerhin 373 Mio. Dollar. Das ist verdammt viel Geld auf der Negativseite.

Ergeht es Snap wie Twitter?

Nun kann man sagen: Das ist ja nichts Außergewöhnliches, schließlich verbrannten auch Facebook, Google und viele andere Technologieunternehmen Milliarden, bevor sie richtig durchstarteten. Auch bei Facebook vermisste man anfangs ein überzeugendes Geschäftsmodell. Richtig, doch allein das ist keine Garantie dafür, dass es auch künftig besser wird. Das zeigt das Beispiel Twitter: Der Kurznachrichtendienst hat 300 Millionen Nutzer, wächst neuerdings kaum noch und hat überdies immer noch Probleme, Gewinne zu erwirtschaften. Zwar nimmt Twitter Geld durch Werbung ein, aber die Nutzer beachten die Banner kaum. Das alles beflügelt den Aktienkurs nicht gerade: Mit 26 Dollar war der Kurznachrichtendienst an der Börse gestartet vor gut drei Jahren rissen sich die Aktionäre ebenfalls um die neuen Papiere. Sie erlebten zuerst innerhalb weniger Wochen einen Höhenflug auf 70 Dollar und befindet sich seit Ende 2013 im Sinkflug. Inzwischen notiert sie bei nur noch 16 Dollar, das ist eine Wertvernichtung von 63 Prozent. Minus 21 Prozent pro Jahr. Ergeht es Snap vielleicht ähnlich? Das fragen sich derzeit viele.

Infografik: Tech-Börsengänge garantieren keinen Geldregen | Statista

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Zumindest eines ist klar: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Kommunikationsdienstes Snap dürfte – wenn man es schon ausrechnen könnte – ähnlich aussehen wie das von Twitter, das horrende 47,9 fürs laufende Jahr beträgt und rund 35 fürs kommende Jahr. Das heißt, dass die Aktie zumindest satt überbewertet ist. Das KGV von Facebook lag allerdings 2015 auch noch bei 79 und ist inzwischen auf 25 geschrumpft. Das macht die Aktie für Anleger erst recht zu einem guten Kandidaten. In dieser Spanne um 25 liegen auch Google/Alphabet und Alibaba zurzeit. Wobei Alibabas Zukunftsaussichten auch noch ungewiss sind: Die Wertentwicklung von 51 Prozent im vergangenen Jahr und 36 Prozent über drei Jahre relativiert sich ziemlich, wenn man sich den Kurs der Aktie langfristig anschaut: Sie schwankt nämlich unter gehörigen Ausschlägen stets auf und ab und bewegt sich insgesamt eher in einem Seitwärtskorridor. Das belegt auch die Performance pro Jahr, die langfristig bei „nur“ 12 Prozent liegt. Im bisherigen Rückblick ist klar: Google und Facebook hätte man beim Börsengang kaufen müssen, beide waren die wirklich aussichtsreichen Kandidaten.

Risiko minimieren mit einem Indexfonds

Wer daher angesichts des neuen Stars am Börsenhimmel über ein Investment im Technologiebereich nachdenkt, um ein Stückchen Sternenstaub von den gigantischen Wertsteigerungen abzubekommen, die in diesem Bereich ja immer mal wieder möglich sind, der sollte sich entweder nicht grämen, wenn der Neuling Snap patzt. Oder lieber etwas ganz anderes machen, nämlich einen Indexfonds auf einen der großen Technologieindizes kaufen. Damit nämlich ist das Risiko viel kleiner als bei einem einzelnen Papier, weil man es über sehr viele Aktien streut. Und die Gewinnchancen sind dennoch fast so groß wie bei Einzelwerten.

Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich diese Zahlen an: Eine Wertentwicklung von 20 Prozent pro Jahr klingt doch schon mal verlockend – sie war selbst mit dem langfristig schwächsten der Technologieindizes drin, dem Stoxx Europe 600 Technology. Der warf über fünf Jahre nämlich 100 Prozent ab, auf drei Jahre gesehen waren es 44 Prozent, also 15 Prozent pro Jahr. Über den Zehnjahreszeitraum allerdings schaffte er nur knapp 5 Prozent pro Jahr. Besser lief da der deutsche TecDax. Der gewann in den vergangenen drei Jahren 50 Prozent, in fünf Jahren sogar 150 Prozent und landete auf Zehnjahressicht bei 141 Prozent Plus, also bei 14 Prozent pro Jahr. Auf kurze Sicht schlug diesen Wert der weltweite Technologieindex MSCI World Information Technology diese Performance noch (er kommt auf 26 Prozent in fünf Jahren), aber er holte auf Zehnjahressicht „nur“ 8,8 Prozentpunkte Performance pro Jahr.

Der wirkliche Star unter den Tech-Indizes ist allerdings – wie könnte es anders sein – der amerikanische Nasdaq 100 Technology Total Return. Mit ihm hätten Anleger eine Wertentwicklung von 33 Prozent jährlich über fünf Jahre erfahren und von knapp 24 Prozent in zehn Jahren. Eine Steigerung um 238 Prozent also. Inklusive Dividenden. Ohne Dividenden waren es immerhin noch 20 Prozent pro Jahr. Was man dafür gekauft hätte? Aktien von Alphabet, Amazon, Apple, Amgen, Cisco, Facebook, Intel, Mircosoft, Texas Instruments und 91 anderen, im Paket.

Geldanlage: Snap - Börsenstar mit Fragezeichen

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

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