„Wir haben auch Wimpernlifting im Angebot! Das würde Ihnen gut stehen.“ Die Friseurin schaute mich erwartungsvoll an. Ich starrte zurück. Ich wollte nur einen Haarschnitt bei dem Friseur ums Eck. Eine Frisur ohne Chichi. Vielleicht noch Augenbrauen zupfen. Das war's. Und jetzt dieses unsittliche Angebot: Wimpernlifting!
Was ist das, dachte ich mir. Meine Wimpern liften? Als ob meine Wimpern das nötig hätten. Ich mag meine Wimpern so wie sie sind. Ich fühlte mich bewertet. Für einen Moment. Im nächsten schoss es mir durch den Kopf: Cleveres Upselling!
So heißt das im Marketingsprech, wenn Dienstleister noch etwas on top verkaufen. Die Hosenverkäuferin also noch ein T-Shirt anpreist. Der Autoverkäufer ein Upgrade auf die größere Autoklasse empfiehlt für noch mehr Komfort, der Herrenausstatter mit einer passenden Krawatte zum Hemd ankommt, die Schuhverkäuferin mit einem Spray und der Friseur mit einer superwichtigen, neu erfundenen Haarspülung – alles ziemlich teuer! Beim Bäcker wird gefragt, ob es zum Brötchen noch ein Kaffee sein darf und im Restaurant ein Nachtisch. Und der Onlineshop drückt uns ungefragt aufs Auge: Das haben andere gekauft!
Ich sagte laut und deutlich: „Nein, Danke.“ Auch deshalb, weil die Dame am Tresen gut trainiert hinterher schob: „Das wird heute gern gebucht.“ Ich sah mich auf der Suche nach dem Preis für dieses Angebot um. 59 Euro stand auf einem Werbeschild gleich am Eingang, was mir jetzt erst auffiel. 59 Euro für gebogene Wimpern? Fast rollte ich mit den Augen. Als ich auf dem Friseurstuhl saß, fing ich an zu rechnen: Ich wollte einen Haarschnitt für 45 Euro, dazu Augenbrauen zupfen für 10 Euro. Sind zusammen 55 Euro. Dazu das empfohlene Wimpernlifting für 59 Euro und vielleicht noch Augenbrauen färben, wozu mir der adrette Friseurmeister auch noch riet. Kostenpunkt: 124 Euro statt geplanter 55 Euro. Ein stolzer Preissprung.
Mehr als ein Tausender pro Jahr
Augenbrauen halten zwei Wochen. Der Haarschnitt hält vier bis sechs Wochen. Wimpernlifting ähnlich. Heißt: Würde ich monatlich meine Augenbrauen zupfen und färben lassen und einmal ein Wimpernlifting buchen, würden monatlich 99 Euro fällig. Dazu alle sechs Wochen ein Haarschnitt. Wer dazu noch färbt, addiert auf diese Rechnung zusätzlich um die 60 Euro. Und ganz Trendige packen für etwa 30 Euro noch Glossing aufs Haar. Damit der Schopf vielleicht so glänzt wie die Mähne von Judith Rakers.
Das summiert sich: Alle sechs Wochen Haarschnitt, Färben und Glossing ergeben etwas mehr als einen Tausender im Jahr und das monatliche Wimpernlifting und Augenbrauentrimmen würde knapp 1.200 Euro jährlich kosten. Macht zusammen rund 2.300 Euro pro Jahr – oder 192 Euro im Monat. Und das nur für die Haare am Kopf! Nichts weiter. Da ist noch keine Gesichtscreme bezahlt, kein Parfum, kein Lippenstift, kein Mascara, Nagellack und Lidschatten geschweige denn Make-up, keine Pediküre, Körperlotion und auch keine Haarpflegemittel. Ich höre hier jetzt mal auf.
Nach diesem Friseurtermin wusste ich mal wieder, warum ich nur etwa alle acht Wochen für einen Haarschnitt zum Friseur gehe, ohne Färben, Glossing, Wimpernlifting und all dem Kram: Weil diese Welt des ständigen Sich-Herrichtens und Behebens vermeintlich optischer Mängel nicht die meine ist. Sie zieht mir das Geld aus der Tasche, ist überteuert, defizitorientiert, verschlingt viel Zeit und hält nur sehr kurz. Das hat nichts Souveränes.
Gepflegt sein, sich selbst wertschätzen und gut behandeln geht nicht nur günstiger und minimalistischer – es ist oft auch gesünder. Im Wartezimmer meiner Frauenärztin liegt ein Blatt mit IGEL-Leistungen aus. Auf dem steht: Frauen, die ihre Haare seit Jahren färben, wird empfohlen, einen bestimmten Krebstest zu machen. Holla!
Das können Sie auch!
Statt wucherische Schönheits- und Pflegeprodukte zu finanzieren, die suggerieren, Frauen seien optische Mangelwesen, investiere ich mein Geld lieber. Das können Sie auch: Aktien-ETF-Sparplan statt Wimpernlifting oder Glossing und anderen Kosmetikfirlefanz. Damit Sie auch später noch Geld für Pflege und Optik haben. Denn mit den 800 Euro der durchschnittlichen gesetzlichen Rente, die Frauen in Deutschland erhalten, ist im Alter nicht mehr viel Friseur und Kosmetik drin.
Rechnen wir neu: Augenbrauen lassen sich prima selbst trimmen und färben. Eine Profipinzette zum Selbstzupfen kostet weniger als 30 Euro. Farbe ist günstig und hält ewig. Bei Youtube gibt es Videos, wie Frau – und Mann – sich die Augenbrauen selbst nach Lust und Laune herrichten kann.
Das spart monatlich 40 Euro oder jährlich 480 Euro. Diese Summe, 15 Jahre lang monatlich in einen Aktien-ETF investiert, wächst bei einer konservativen, realen Durchschnittsrendite von fünf Prozent zu 10.736 Euro heran. Nur durch selbst behandelte Brauen. Nicht zu reden von der Wimperndauerwelle für mehr Schwung am Auge, der auch mit einer Wimperntusche für fünf Euro alle drei Monate erreicht werden kann. Die nicht ausgegebenen Euros können investiert werden. In die Zukunft. Eine Fortbildung. In eine gute Rente.
Kennen Sie Ihre Ausgaben für Friseur, Ihre pflegende und dekorative Kosmetik? Rechnen Sie diese einmal bewusst zusammen, bezogen auf den Monat und das Jahr. Packen Sie alles rein. Und dann vergleichen Sie diese Ausgaben mit Ihrer Sparrate und überprüfen auf Ihrem Tagesgeldkonto und Depot, welche Werte dort stehen. Dann wägen Sie ab, was Ihnen wichtig ist: Äußerliches, Wertschätzung, ein Leben ohne Sorgen?
Ich finde: Vermögen macht Frauen attraktiv
Eine gute Daumenregel für Ausgaben ist die Frage: Wie oft nutze ich etwas? Und: Wie zufrieden macht es mich? Wenn wir etwas regelmäßig verwenden – wie eine hochwertige Tagescreme –, kann es auch etwas teurer sein. Je seltener wir etwas nutzen und je eher es dazu dient, andere zu beeindrucken, desto dringender stellt sich die Frage: Wozu das Geld ausgeben? Für mich hat auch immer Vorrang: Selbst ist die Frau. Was ich selbst erledigen kann, erledige ich auch selbst.
Die US-Journalistin Susan Faludi schrieb in einer Studie über die Modegewohnheiten von Frauen in den 1980er Jahren: Frauen kauften umso seltener Kleidung, je selbstbewusster und emanzipierter sie wurden. Das trifft es für mich bei Frisur und Kosmetik auch.
Ich finde, Vermögen macht Frauen viel attraktiver – und dazu unabhängig – als das nächste teure Beauty-Treatment um irgendwelchen überholten, frauenverachtenden gesellschaftlichen Normen zu entsprechen statt eigene Werte zu leben.
Und was ist mit den Männern? Auch sie hauen Geld raus um attraktiv zu wirken. Nicht nur 59 Euro für Liftings, sondern auch gleich mal 59.000 Euro für ein Auto-Upgrade. Oder für eine Firma, die Raketen und Fluggeräte baut für Weltraumtouristik. Auch wenn es klischeehaft klingt und längst nicht alle Männer so leben, viele greifen doch gern zu technischen (Spiel-)Geräten wie Laptops, Smartphones, Uhren, Segelbooten, einer speziellen Gangschaltung fürs Fahrrad oder einer Top-Ausstattung für das Auto, um sich von anderen abzusetzen. Protzen statt kleckern, wieso auch nicht auf Kredit? Dieser überdimensionierte Konsum zahlt nicht auf das Vermögenskonto ein und lässt auf fehlende Finanzbildung schließen. Zumindest mir stellt sich auch hier die Frage, ob Vermögen und Familien- wie Eigenfürsorge einen Mann nicht attraktiver machen als der neueste, heiße Technikschrei, der schon morgen wieder unmodern ist.
Dani Parthum ist Diplom-Ökonomin, Geldcoach, Finanzbloggerin und Buchautorin. Unter der Marke Geldfrau unterstützt sie Frauen dabei, ihre Angst vor Finanzen abzulegen und für sich selbst Strategien zu entwickeln, selbstbestimmt mit Geld umzugehen und Vermögen aufzubauen.