Wer die Benzinpreise an Tankstellen in den vergangenen Monaten aufmerksam beobachtet hat, dem wurde schnell klar: Derzeit geht es turbulent zu auf dem Ölmarkt. Kletterte der Ölpreis im Herbst 2018 noch auf 85 US-Dollar für einen Barrel (rund 159 Liter) der Nordseesorte Brent, stürzte er kurz danach auf 50 US-Dollar ab. Seit Anfang dieses Jahrs befindet sich der Ölpreis wieder im Aufwärtstrend und erreichte zuletzt einen Wert von 74 US-Dollar.
Der Grund für den rasanten Anstieg: Es wird weniger Öl gefördert und exportiert. In immer mehr wichtigen Förderländern stagniert die Produktion – sei es in Venezuela, das in einer schweren politischen Krise steckt und dazu unter US-Sanktionen auf sein Ölgeschäft leidet, oder Libyen, wo ein Machtkampf zwischen Regierung und Rebellen tobt.
Dazu kommen die US-Sanktionen auf iranisches Öl, die seit November vergangenen Jahres gelten. Schon jetzt exportiert der Iran 1,7 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger als noch im Mai 2018, zeigen Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA). Und US-Präsident Donald Trump verschärft die Sanktionen weiter: Kein einziges Fass Öl soll der Iran mehr ab Mai exportieren. Eine Ankündigung, die die Islamische Republik bereits mit einer Gegendrohung parierte: Sollte es soweit kommen, will sie die Straße von Hormus im Persischen Golf blockieren – eine der wichtigsten Routen für Ölexporte. Das würde den Ölpreis weiter befeuern.
Trumps Iran-Sanktionen drosseln die Ölförderung
Ausnahmeregelungen für die US-Sanktionen gab es bisher für die größten Importeure iranischen Öls: China, Indien, Südkorea und die Türkei. Doch auch diesen Schutz will Trump nun aufheben. Sollten die Länder weiterhin Öl aus dem Iran beziehen, drohen die USA mit Strafmaßnahmen. Fällt nun aber auch der Iran als Öllieferant aus, dürfte das die Preise weiter in die Höhe treiben. Länder, die von iranischem Öl abhängig sind, geraten damit unter Druck – etwa die Türkei, wo die Ölimporte aus dem Iran zwölf Prozent ausmachen. Auch Indien käme in Schwierigkeiten, wenn die Lieferungen aus dem Iran ausbleiben, ist das Land doch drittgrößter Ölimporteur der Welt. China legte umgehend Protest ein, als Trump seine Entscheidung verkündete. Die Volksrepublik ist größter Abnehmer von iranischem Rohöl, das sechs Prozent ihrer Importe ausmacht.
Ersatzlieferanten sind derzeit allerdings rar. Dafür sorgt auch die Runde der „Opec+“-Staaten, die sich aus der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und verbündeten Förderländern wie Russland zusammensetzt: Als Reaktion auf einen übersättigten Ölmarkt hatte Opec+ im Dezember vergangenen Jahres eine Förderkürzung beschlossen. 1,2 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger wollen die Mitglieder fördern. Damit stellt sich das Bündnis gegen den US-Präsidenten, der seit geraumer Zeit auf einen niedrigeren Ölpreis drängt. Das Paradoxon: Durch seine Sanktionen auf iranisches Öl kürzt Trump die Ölförderung weiter – und spielt den Opec+-Mitgliedern damit in die Hände. Der Preisanstieg des Rohstoffs kommt vor allem Saudi-Arabien entgegen, dem Wortführer der Opec. Selbst im Besitz großer Ölvorkommen, freut sich das Land nun über steigende Einnahmen und zunehmende Marktmacht. Auch plant es langfristig den Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco.
Ob die Ölproduktion langfristig gedrosselt bleibt, entscheidet sich im Juni, wenn sich das Opec+-Bündnis in Wien unter der Führung Russlands erneut trifft. Sollte der Mangel an Öl bis dahin dramatische Ausmaße annehmen, dürften die Förderquoten wieder erhöht werden – was den Aufwärtstrend des Ölpreises ein Ende bereiten würde. Bis dahin sollten sich Verbraucher auf steigende Benzinpreise einstellen.