Wer träumt als Anleger nicht davon, eine Glaskugel zu haben? Nehmen wir etwa an, Sie hätten 1990 korrekt vorhergesagt, dass sich die chinesische Wirtschaftskraft bis 2019 verdreißigfachen wird. Da hätte eine Investition in den chinesischen Aktienmarkt doch nahegelegen, oder?
Dumm nur, dass eine Anlage von 10.000 Euro im Jahr 1990 gemessen am Index MSCI China inklusive Dividenden bis heute auf magere 16.000 Euro gewachsen wäre, also nicht einmal die Kaufkraft gehalten hätte. Mit deutschen Aktien hätte man, allen Büchern über den Untergang unseres Landes zum Trotz, sein Geld seit 1990 mehr als versechsfacht, mit US-Aktien verachtzehnfacht.
Wie kann das sein? Die Forscher des „Credit Suisse Yearbook of Investment Returns“ haben eine Reihe von Gründen ermittelt: Chinas Aktienmarkt ist geprägt von überoptimistischen, spekulativ orientierten inländischen Anlegern, denen man viel verkaufen kann. Es gibt in China 5000 Aktienanalysten, die in 98 Prozent der Fälle zum Kauf raten. Die Zugänge ausländischer Investoren sind immer noch beschränkt, ferner gehen die Meinungen auseinander, was überhaupt ein passender Index für chinesische Aktien ist: Der Index FTSE China hätte das Kapital der Anleger vervielfacht, wurde aber erst 2000 erfunden. Der Blick auf das, was aus der größten Wachstumsgeschichte der letzten Jahrzehnte für Anleger herauskam, lehrt daher nicht nur, dass diese kritischer auf den Begriff des „Index“ schauen müssen.
Wachstum ist oft eingepreist
Die meisten Anleger überschätzen auch intuitiv, wie wichtig das Wirtschaftswachstum oder das Umsatzwachstum einer ganzen Branche für die Aktienrenditen sind. Oft ist Wachstum eingepreist. Und: Wo die Wirtschaft rasch wächst, sind Aktionäre eher in der Rolle der Wachstumsfinanzierer statt Dividendenkassierer. Wo Umsatzwachstum lockt, werden Wettbewerber aktiv – das spürt aktuell Apple schmerzhaft . In Ländern und Branchen wiederum, wo man von Wachstum nur träumen kann, werden Unternehmen oft sehr vorsichtig im Ausgeben von Kapital, oft zur Freude von Aktionären.
Beispiele dafür finden sich in der jährlichen Auswertung „50 Aktien fürs Leben“ , in der Capital unter anderem nach Aktien fahndet, deren Dividende ein Vierteljahrhundert lang nie gestrichen wurde. Darin finden sich Dosenfleischhersteller wie Hormel Foods, der belgische Einzelhändler Colruyt, der New Yorker Versorger Con Edison – biedere Geschäfte, aber sehr lukrativ für Anleger. Die langfristig rentabelsten Branchen aller Zeiten sind übrigens: Eisenbahnen, Alkohol und Tabak.
Auf Länderebene ist Japan ein gutes Beispiel. Unternehmen dort arbeiten in einem Umfeld, in dem die Wirtschaft seit 2009 sieben Prozent geschrumpft ist und Arbeitskräfte notorisch knapp sind. Dennoch haben Aktionäre ihr Vermögen dort seit 2009 verzweieinhalbfacht. Und billig ist Japan dennoch: Japanische Aktien sind im Schnitt nur mit dem Zwölffachen der Gewinne bewertet, bei 2,5 Prozent Dividendenrendite.