Ein solides Aktienjahr 2016 ist zu Ende gegangen und deutsche Staatsanleihen weisen auch bei mehrjährigen Laufzeiten inzwischen negative Renditen von fast einem Prozent auf. Hierzu passend publizierte die Europäische Zentralbank jüngst eine Studie zur Vermögensentwicklung in den Ländern der Euro-Währungszone. Nachdem 2014 die erste derartige Untersuchung der EZB noch für Erstaunen gesorgt hatte, nahm die Öffentlichkeit diesmal kaum Notiz davon. Terror und Trump dominieren den medialen Diskurs.
Dabei wird auch in dieser Studie den Deutschen ein unterdurchschnittliches Nettovermögen im Vergleich zu anderen Europäern wie etwa Franzosen, Italienern oder Belgiern bescheinigt. Dem politisch wohlgepflegten Selbstbild des Exportweltmeisters, Sparweltmeisters und Wirtschafsprimus in Europa laufen solche Erkenntnisse diametral zuwider. Nüchtern stellt die EZB fest, dass sowohl beim durchschnittlichen Mittelwert als auch beim Median Deutschland bestenfalls in Mittelfeld der Euro-Länder rangiert.
Zur Begründung dieses peinlichen Befundes wird entschuldigend oft auf die geringe Immobilienbesitzquote in Deutschland verwiesen. Zu ihrer Legitimierung wird dann gerne auf die Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg verwiesen. Auf diese Weise versuchen die politisch Verantwortlichen davon abzulenken, dass in Wahrheit ein ganz anderer Faktor der Kardinalfehler beim Vermögensaufbau der Deutschen ist.
Die Deutschen haben mehrere Jahrzehnte verpasst
Sprechen wir es einmal ganz deutlich aus: Die Deutschen sind überwiegend ein Volk von Mietern und abhängig Beschäftigten. Den Kern der Marktwirtschaft – der Möglichkeit zum Besitz an Produktionsmitteln – haben unsere Landsleute nie verstanden geschweige denn internalisiert. Generationen von führenden deutschen Politikern sind und waren auf diesem Gebiet völlig visions- und vor allem ahnungslos. Im Herzen scheint ein Großteil der Bundesbürger und ihre politischen Führer nach wie vor von sozialistischen Umverteilungsneigungen inspiriert zu sein. Anders lassen sich die hierzulande hohen und weiter steigenden Steuern und Abgaben kaum deuten.
Über die Quellen des Wohlstandes und seiner Entstehung dürften sich die meisten Menschen gar nicht recht im Klaren zu sein. Noch weniger wissen sie, dass es ein Leichtes gewesen wäre und ist, sich am Produktivvermögen zu beteiligen. Angesichts des demografischen Wandels wiegt es aber immer schwerer, dass die Deutschen mehrere Jahrzehnte verpasst haben, um sinnvollen Vermögensaufbau durch Mitinhaberschaft an der Wirtschaft zu betreiben. Stattdessen nimmt in Deutschland der Staat in seiner Bedeutung als Vermögenstransferquelle ungehemmt zu, nachdem Zinsanlagen abgedankt haben. Unser Staat wächst beständig, allem Austeritätsgeschwafel und der jahrelangen Bevölkerungsstagnation zum Trotz. Und das Heer derjenigen, die vom Staat Leistungen beziehen, wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Das Wort von der „Altersarmut“ geht in Berlin um.
Jeder kann etwas ändern
Ob die EZB-Studie zur enttäuschenden Vermögenssituation in Deutschland ein Weckruf für die Politik ist, um endlich einen Weg aus der lange gepflegten Schuldenwelt hin zu einer Eigenkapitalorientierung zu finden, darf bezweifelt werden. Dafür fehlt es in der deutschen Politik an Leuten mit Sachverstand auf diesem Gebiet. Und ein personeller Austausch zwischen Politik und Wirtschaft ist in Deutschland – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten – schlechterdings nicht vorstellbar.
Gleichwohl ist zu betonen, dass jeder Bürger die Freiheit besitzt, seinen eigenen Vermögensaufbau klüger zu gestalten, als dies der Durchschnitt seiner Landsleute offenbar tut. Die Hauptverantwortung für die relativ schwache Vermögenssituation in Deutschland liegt trotz aller ärgerlichen Erschwernisse durch den Staat letztlich bei den Bürgern selbst. Freie Bürger werden sich vom Joch der herrschenden Fehlurteile auf dem Gebiet der Geldanlage emanzipieren und ihr Heil in der Beteiligung an den privaten Unternehmen der weltweiten Wirtschaft suchen.
Aus ChicagoIhr
Dr. Christoph Bruns
Christoph Brunsist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.
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