Diese eine Frage im Coaching bei der Finanzplanung für das Alter zu stellen, fällt auch mir schwer. Jedes Mal nehme ich mit einem tiefen Atemzug Anlauf. Es ist die Frage nach der Lebenserwartung. Also, wie lange die Klientin glaubt, dass sie noch leben werde. Oft folgt darauf Stille. Weil die Frage absurd erscheint, weil doch klar ist, dass sie nicht wirklich beantwortet werden kann. Was also sagen? Wie abschätzen? Die Klientinnen reflektieren dann meist die Familiengeschichte, ihre körperliche Konstitution und ihren Gesundheitszustand. Und sprechen dann recht nüchtern eine Zahl aus.
Unter uns: Diese Zahl ist nicht das Relevante an der Frage. Eine seriöse Altersvorsorge plant großzügig einen Finanzpuffer nach hinten raus mit ein. Selbst wer krank ist, hat wegen des medizinischen Fortschritts heutzutage sehr gute Chancen, deutlich älter zu werden als erwartet. Relevant ist der Gedankenanstoß, sich mit dem eigenen Tod und den finanziellen Folgen für sich und die Menschen im Umfeld auseinanderzusetzen.
Besonders in Beziehungen fällt der Austausch über die eigene Endlichkeit schwer. Zu wissen, die Partnerin oder der Partner ist eines Tages nicht mehr da, verstärkt die Angst vor Verlust, Schmerz und Ungewissheit, gesellschaftliche Normen lassen zudem Gespräche über den Tod unangemessen erscheinen. Wenn wir dazu keine Geldgespräche als Paar eingeübt haben, gehen wir unangenehmen Gefühlen und Konflikten lieber aus dem Weg, als das Unausweichliche zu klären. Miteinander – und mit den Kindern.
Verdrängung ändert nichts an den finanziellen Folgen
Bei meiner Frage schwingt also immer die Hoffnung mit, einen Denkprozess auszulösen, den Frauen mit ihren Männern, Kindern oder Freundinnen weiterführen. Besonders mit ihren Männern. Die Themen zu tabuisieren hilft nicht, denn sie werden nicht verschwinden. Die Gesellschaft aber verhält sich so: Wir tauschen uns kaum darüber aus, wie wir die letzten Jahre des Lebens finanziell gestalten und für die sorgen, die uns am Herzen liegen und finanziell abhängig sind.
Manchen erscheint es womöglich als unangemessen, über die finanziellen Folgen des eigenen Ablebens zu sprechen. Als ob sich das nicht „gehöre“. Lieber nimmt man in Kauf, dass der geliebte Mensch in einem ohnehin emotionalen Ausnahmezustand in eine Krise stürzt, weil die Ausgaben eines Paares wie Miete, Mietnebenkosten, Telefon oder Abonnements weiter bezahlt werden müssen oder der Splittingvorteil der Einkommenssteuer nach zwei Jahren wegfällt.
Sieht man auf die gesetzlichen Durchschnittsrenten, lässt sich schlussfolgern: Frauen sind finanziell eher abhängig von den Renten ihrer Männer, als umgekehrt. Männer haben höhere Renten als Frauen, sie haben häufiger Betriebsrenten und mehr Vermögen. Sie kümmern sich dazu weitaus häufiger um die finanziellen Belange des Paares. Und: Sie sterben drei bis fünf Jahre früher. Viel Stresspotential für Frauen, wenn das Paar vorab nichts geregelt hat.
Laut Statistischem Bundesamt haben Frauen, die zurzeit in ihren 50-ern sind, eine Lebenserwartung von 89 Jahren, Männer 84 Jahre. Frauen in ihren 40-ern können sogar damit rechnen, über 90 zu werden, Männer etwa 86. Sind Sie darauf eingestellt? Dass sie als Frau ihre Männer im statistischen Schnitt um drei bis fünf Jahre überleben? Und Männer, Sie auch? Wenn nicht noch länger bei gutem Lebenswandel? Wie haben Sie das finanziell organisiert?
Finanzplanung für das Alter auf die Frauen auslegen
Letztlich ergibt sich für mich nur ein Schluss: die Altersvorsorge ist auf die Frau zu optimieren. Weil sie im statistischen Schnitt länger lebt. Freilich ist die persönliche Situation ausschlaggebend. Die längere Lebenserwartung von Frauen gehört aber dringend in die Alters-Finanzplanung – für beide, von beiden.
Wie könnte das aussehen, an was ist zu denken? Hier einige Aspekte:
- Finanzplanung: Planen Sie den Aufbau von Vermögen und Renten bis mindestens 90 Jahre, besser länger. Damit auch wirklich noch genug da ist.
- Witwen- bzw. Witwerrente: Rechnen Sie sich die große Witwen- bzw. Witwerrente (auch schon mit Anfang 50) der gesetzlichen Rente aus. Sie beträgt 55 Prozent der gesetzlichen Rente des oder der Verstorbenen, abzüglich eines Teils der eigenen gesetzlichen Rente. Da bleibt nicht mehr so viel übrig.
- Gesetzliche Rente erhöhen: Wichtig ist, dass beide eine eigene, auskömmliche Rente haben. Sie lässt sich ab 55 Jahren aufstocken. Dann können Sie bis zur Höchstgrenze Entgeltpunkte zukaufen. Das geht über den Kniff des vorzeitigen Ruhestandes, für den Sie Rentenabschläge in Kauf nehmen müssten. Diese lassen sich aber ausgleichen und sind steuerlich absetzbar. Ob Sie dann tatsächlich früher in Rente gehen oder nicht, spielt keine Rolle.
- Betriebs- und private Renten: Informieren Sie sich bitte Jahre vor dem Bezug, ob und wie die Renten an die Hinterbliebenen weiter bezahlt werden. Nur dann können Sie abwägen, ob es klug ist, eine Rentenzahlung zu wählen, oder lieber sich das Kapital auszahlen zu lassen, wenn es diese Wahlmöglichkeit gibt.
- Erbe klären: Regeln Sie frühzeitig Ihre finanziellen Verhältnisse bewusst, gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Hinterbliebene finanziell im Alltag abgesichert ist. Und zwar so, dass finanzielle Mittel da sind. Besprechen Sie ernsthaft, was der Tod für die Alltagsfinanzen bedeutet. Ein sehr unterschätzter Aspekt des Vererbens. Vielen Paaren mit Berliner Testament ist zum Beispiel nicht bewusst, dass das Alleinerbe Erbschaftsteuer auslösen kann, auch nachträglich, wenn Freibeträge überschritten und bestimmte Bedingungen nicht (mehr) erfüllt sind.
- Rentenberater:in: Besprechen Sie sich mit unabhängigen Rentenberater:innen. Diese können die tatsächliche Situation Ihrer gesetzlichen Rente, Betriebsrenten und privaten Renten präzise erklären. Und Ihnen wertvolle Tipps geben.
Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie lieber mit oder ohne finanzielle Sicherheit im Alter dastehen? Mit natürlich! Also reden Sie miteinander, planen Sie ihre Finanzen gemeinsam bis zum Ende. Auch wenn das schmerzlich ist und Sie überfordert. Ignorieren ist der völlig falsche Weg. Augen schließen und sich unsichtbar wähnen, hilft nur als Kind. Denn der Tod kommt auf uns alle zu. So ungern wir das hören. Ich schließe mich hier explizit mit ein. Wie ich das für mich persönlich löse? Mit Nüchternheit. Und Fokus auf Zahlen, Reden, Abklären, Verhandeln, Vorbereiten. Denn eines weiß ich sicher: Altern ohne genug Geld ist scheiße!