Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Es ist schon interessant, wie schnell sich die Vorzeichen an den Börsen drehen: Vor der Wahl hielten ihn die allermeisten für das größtmögliche Risiko, dem die Finanzmärkte entgegensehen könnten. So zumindest sagten es die großen Fondsmanager der Welt in Umfragen: Donald Trump, so lautete das einhellige Votum, würde wahre Erschütterungswellen auslösen und die Börsenlandschaft inklusive der Eurozone in Unsicherheit stürzen, wenn er denn gewählt würde. Doch passiert ist etwas ganz anderes: Nach der Wahl Trumps zum Präsidenten Anfang November sind die US-Aktien die großen Gewinner. Papiere amerikanischer Unternehmen sind gefragt wie selten, von Risiken redet kaum einer mehr.
Stattdessen hoffen alle auf den großen Trump-Effekt: Das angekündigte riesige Infrastrukturpaket werde etliche Branchen beflügeln. Und die Politik der Deregulierung würde den Unternehmensgewinnen einen Schub verpassen. In den vergangenen Tagen traf sich Trump dann auch noch mit den Chefs des Silicon Valley, um mit den Vorständen von Google, Facebook, Amazon, IBM und Co. zu besprechen, wie Politik und Wirtschaft voneinander profitieren oder sich gegenseitig beflügeln könnten. Vorauseilend hatte IBM-Chefin Ginni Rometty bereits vor dem Treffen angekündigt, IBM werde in den kommenden vier Jahren – also Trumps erster Amtszeit – 1 Mrd. Dollar in den USA investieren und insgesamt 25.000 neue Jobs im Land schaffen. Ganz Amerika hofft nun auf den Aufschwung und auf Riesengewinne durch den neuen Präsidenten. Und nicht nur Amerika.
Indexfonds pumpten Milliarden in den Markt
Auch viele Fondsmanager und Anleger weltweit hoffen bereits mit. Sie kauften in den vergangenen vier Wochen US-Aktien in großen Mengen. Das beflügelte den Dow Jones Index, der seit der Wahl um rund 5,6 Prozent zulegte. Selbst erfahrene Finanzmarktstatistiker rieben sich nach den Monatsauswertungen die Augen: US-Werte waren durch die Bank die großen Gewinner und legten die besten Wertentwicklungen aller Fondskategorien hin. Fonds, die auf amerikanische Großkonzerne setzten, gewannen im Schnitt neun Prozent hinzu. Jene, die mittelgroße Firmen bündeln zehn Prozent und die US-Nebenwertefonds, also die Kleinunternehmen kamen sogar auf 14 Prozent Zuwachs innerhalb des letzten Monats. So gut lief keine andere Anlageklasse im November.
Kein Wunder, denn vor allem Indexfonds pumpten Milliarden in den Markt. Für 52 Mrd. Dollar stockten Indexfondsmanager ihre Portfolios angesichts der steigenden US-Börsenkurse mit den entsprechenden Papieren auf. Davon flossen 20 Mrd. Dollar in Großkonzerne und 10 Mrd. in die Aktien von Kleinunternehmen. Deren Kurse reagierten aufgrund ihrer insgesamt geringeren Börsenkapitalisierung natürlich ungleich stärker auf diese Finanzspritze und zogen an.
Davon abgesehen gehen Analysten aber ohnehin davon aus, dass die Small Caps, also die kleineren Firmen, die großen Gewinner der kommenden Jahre sein werden. Die Investmentgesellschaft Blackrock etwa begründet das so: Von den geplanten Steuersenkungen, die Trump angekündigt hat, würden Kleinunternehmen besonders stark profitieren. Zudem käme es ihnen entgegen, wenn der kommende US-Präsident tatsächlich den Außenhandel eindämmen würde. Denn das hieße bessere Chancen für wenig international ausgerichtete Firmen und klassischerweise sind Kleinunternehmen ja inlandsorientierter aufgestellt. Dazu käme noch die Aussicht auf mehr Deregulierung im Energie- und Finanzsektor. Auch das schlüge bei den Kleinen positiv durch, denn viele von ihnen sind dort tätig. Gerade die Kleinen könnten also dem großen Aufschwung optimistisch entgegensehen.
Bilanz spricht für die Small Caps
Ganz überraschend wäre es nicht, wenn es tatsächlich so käme. Denn naturgegeben wachsen die Indizes der Small Caps schneller und dynamischer als diejenigen der Großunternehmen. Vom niedrigeren Niveau aus lässt sich schließlich erheblich schneller zulegen. Und bereits ein neuer Deal oder ein neu entwickeltes Geschäftsmodell kann bei einem Kleinunternehmen zu einer erheblichen Steigerung von Umsatz oder Gewinn führen. Ein multinationaler Konzern dagegen wird stets eher gemächlich zulegen und höchstens im einstelligen Bereich wachsen statt sprunghaft. So weit also die Chancen.
Die Risiken (wie die größere Krisenanfälligkeit kleinerer Unternehmen und die stärkere Volatilität ihrer Papiere) lassen wir an dieser Stelle mal außer Acht, so wie es die Kapitalmärkte momentan ja auch tun. Das kann man auch relativ beruhigt tun, wenn man vorhat, solche Papiere nicht nur kurzfristig zu halten. Denn auf lange Sicht steht außer Frage, welche Indizes besser laufen, ob die von Groß- oder Kleinunternehmen. Da sieht die Bilanz für die Small Caps eindeutig besser aus: In den vergangenen zehn Jahren legten amerikanische Kleinfirmen fast doppelt so stark zu wie der Index der Großunternehmen S&P 500. Der Small-Caps-Index kletterte von 200 auf rund 450 Punkte, legte also um 125 Prozent zu. Während die Dickschiffe des S&P 500 lediglich von 1400 auf 2100 Punkte stiegen, also um rund 50 Prozent. Wer also aufs große Wachstum aus ist, der sollte ohnehin eher auf ein Bündel aus kleinen und wendigen Werte setzen und deren Papiere notfalls länger halten, falls sie kurz darauf eine Flaute erleben.
Doch müssen es nun ausgerechnet amerikanische Small Caps sein? Oder wie schlugen sich die deutschen Werte im Vergleich? Diese Betrachtung fällt interessant aus: Denn auf kurze Sicht lief der deutsche Kleinfirmen-Index SDax zwar tatsächlich schlechter als das amerikanische Pendant. Gänzlich unbeflügelt vom jüngsten Trump-Boom schaffte er im November nur ein Plus von 3,3 Prozent. Auf Jahressicht waren knapp sieben Prozent drin, während der US-Small-Caps-Vergleichsindex immerhin 22 Prozent zulegte, also die dreifache Leistung brachte. Im Langfristvergleich von drei und fünf Jahren jedoch liefen die deutschen Nebenwerte deutlich besser als die amerikanischen, obwohl viele Analysten den US-Kleinwerten auch schon vor drei Jahren einen rasanten Aufschwung voraussagten. Seitdem zogen sie auch um knapp zehn Prozent pro Jahr an, aber der SDax legte seitdem sogar 13 Prozent jährlich zu.
Im Langfristvergleich liegen US-Aktien vorn
Apropos Silicon Valley: Dasselbe gilt übrigens für Technologiewerte: Während US-Tech-Aktien 117 Prozent auf Fünfjahressicht gewannen, was bereits eine stolze Leistung ist, konnten deutsche Tech-Aktien das noch locker überbieten mit 160 Prozent Zuwachs. Das hätten vermutlich die wenigsten Investoren noch vor ein paar Jahren angenommen, angesichts der großen Erfolge, die Amazon, Facebook und Co anhaltend feierten. Bisher also war es eine ungleich Gewinn bringendere Idee, nicht über den Teich zu schielen, sondern das Geld lieber hierzulande anzulegen. Was natürlich nicht so bleiben muss.
Auf ewig wird der Höhenflug der deutschen Aktien sicherlich nicht währen, das ist klar. Wenn man ehrlich ist, dauert er auch noch gar nicht allzu lang an. Es ist nämlich wie immer beim Betrachten von Statistiken: Wenn man nicht nur einen kleinen Ausschnitt anschaut, sondern eine viel größere Perspektive wählt, ergibt sich ein ganz anderes Bild. In diesem Fall ist entscheidend, wie nah man den Startpunkt solcher Rechnungen an das Jahr 2008 heranrückt. 2008 nämlich war der Wendepunkt, ab dem sich die Schicksale der deutschen und amerikanischen Unternehmen unterschiedlich entwickelten. Seit dem großen Finanzkrisenjahr liefen die deutschen Indizes, insbesondere die Small Caps den amerikanischen Konkurrenten davon. Bis heute hinkt die amerikanische Wirtschaft noch immer ein wenig hinterher, sie hat sich also langsamer von der großen Finanz- und Wirtschaftskrise erholt. Jedenfalls bisher.
Im richtigen Langfristvergleich nämlich liegen die US-Werte deutlich vorn: Mehr als 500 Prozent Performance weist der MSCI-US-Small-Cap-Index seit der Jahrtausendwende auf. Das ist satt, da kam der deutsche SDax mit 250 Prozent nicht annähernd heran. Die Großindizes Dax und S&P 500 schafften in der gleichen Zeit gerade einmal rund 100 Prozent. Es ist also die spannende Frage, wie weit der Trump-Effekt wirklich trägt und ob sich Amerikas Firmen künftig wieder zu alter Größe aufschwingen. Dann wären sie nun tatsächlich ein Investment wert. Es braucht dazu allerdings auch präsidiale Taten. Bisher regiert allein der Faktor Hoffnung an der Börse.