Wenn man sich im Freundeskreis über Twitter unterhält, gehen die Meinungen sofort auseinander. Die einen schwören auf den Dienst und preisen seine Dynamik, die anderen belächeln ihn eher als Austauschplattform für Journalisten und Menschen mit zu viel Zeit. Die jüngst auch auf dem eigenen Portal zu früh bekannt gewordenen Zahlen von Twitter haben die Aktie abstürzen lassen und die Investoren mal wieder enttäuscht. Ist Twitter womöglich wirklich nur eine Luftnummer? Nachdem Investoren zuvor vor allem Sorgen wegen des langsameren Wachstums der User-Zahlen hatten, kommt nun eine weitere Sorge hinzu. Was aber noch schlimmer ist: Die Ergebnisse des Kurznachrichtendiensts könnten darauf hindeuten, dass der Höhepunkt im Bereich Soziale Medien schon bald bevorstehen könnte.
Das Vertrauen in das Management von Twitter steht nun auf dem Spiel: Seit die Zahlen des Kurznachrichtendienstes zu früh erschienen sind, versinkt die Aktie im Tal der Tränen. So lagen die Erlöse trotz eines Anstiegs um 74 Prozent auf 436 Mio. Dollar deutlich unter den Erwartungen der Analysten (456,2 Mio. Dollar). Eine Aktie, in die eine so riesige Menge Euphorie eingepreist ist, bei der darf der Vorstand keine schlechten Zahlen abliefern.
Zweifel am Twitter-Management
Dass Vorstandschef Dick Costolo gleichzeitig noch die Prognose für das zweite Quartal und das Gesamtjahr kräftig eindampfte, hat für zusätzlichen Druck auf das Papier gesorgt. Ursprünglich hatte er versprochen, dass die Einführung neuer Produkte für einen kräftigen Umsatzanstieg sorgen würde. Nun wachsen wieder die Zweifel am Twitter-Management.
In den vergangenen Quartalen hatten sich Investoren vor allem wegen des langsameren Wachstumstempos bei den User-Zahlen Sorgen gemacht. Das Plus ist im ersten Quartal auf 18 Prozent zurückgegangen gegenüber 20 Prozent im vierten Quartal. Profianleger fragen sich jetzt, ob auch der Umsatz künftig hinter den Erwartungen zurückbleiben könnte.
Die Bedenken sind umso verständlicher, wenn man einen Blick auf die Präsentation zu den Quartalszahlen wirft und sich die Kennzahl „Ad Engagement“ anschaut. Sie zeigt, wie stark die Twitter-User auf die geschaltete Werbung reagieren, indem sie die Werbung beispielsweise anklicken oder retweeten.
Das Wachstum beim „Ad Engagement“ implodiert: von einem Plus von 694 Prozent für das erste Quartal 2014 über 152 Prozent im dritten Quartal 2014 auf nunmehr 32 Prozent im ersten Quartal 2015. Da sich das Wachstum in den vergangenen Quartalen gegenüber dem Vorquartal jeweils ungefähr halbiert hat, dürfte Twitter beim „Ad Engagement“ innerhalb von zwei oder drei Quartalen nur noch ein prozentual einstelliges Wachstum zeigen.
Kommt Twitter je in die schwarzen Zahlen?
Da der Umsatz hinter den Erwartungen zurückbleibt, drängt sich die Frage auf, ob es Twitter je gelingen wird, Gewinne zu schreiben. Im vergangenen Quartal war der Verlust kräftig gestiegen auf 162,4 Mio. Dollar, was einem Verlust je Aktie von 0,25 Dollar entspricht. Die Analysten rechnen aber die horrenden Kosten für Aktienoptionen für das Management und Abschreibungen für immaterielle Vermögenswerte einfach heraus, und schon steht ein bereinigter Gewinn von 46,5 Mio. Dollar zu Buche.
Auf dieser Basis soll der Konzern im laufenden Jahr einen bereinigten Gewinn je Aktie von 0,38 Dollar erwirtschaften, der laut Analysten im nächsten Jahr auf 0,81 hochspringen könnte. Auf Basis des Bilanzierungsstandards US-GAAP wird in diesem Jahr aber ein Verlust je Aktie von 0,81 Dollar anfallen, der im nächsten Jahr halbiert werden soll. Aus einem 2016er-KGV von horrenden 47 wird so schnell ein „Kurs-Verlust-Verhältnis.“ Trotz des Kurseinbruchs gestehen Investoren der Firma aber immer noch einen Börsenwert von 27,7 Mrd. Dollar zu.
Bedenklicher als die enttäuschenden Quartalszahlen ist der Schatten, den Twitter auf die gesamte Social-Media-Branche wirft. Anfangs haben die kleineren Anbieter wie Twitter Probleme, aus den Aktionen der User Einnahmen zu generieren, sprich das Geschäftsmodell zu monetarisieren. Die Gefahr ist allerdings, dass das Problem schon bald die großen Player wie Facebook erfassen könnte, wenn auch die User dieses Dienstes weniger auf die Werbung klicken.
Taugt das Geschäftsmodell?
In dem Zusammenhang sollten Anleger die jüngsten Aussagen von Evan Spiegel, Vostandschef bei Snapchat, im Hinterkopf behalten: „Wenn die Begeisterung für Tech-Aktien abkühlt, wird der Börsenwert von Facebook einbrechen und Unternehmen, die den Erfolg ihres Geschäftsmodells noch nicht bewiesen haben, werden nicht an Kapital herankommen können“, sagte Spiegel. „Die gesamten Ausgaben für Internetwerbung können nicht die übertriebenen Bewertungen für Social-Media-Firmen rechtfertigen, die ihre Umsätze mit Werbung genieren.“
Anleger, die bei Twitter oder Facebook mitmischen und ihre Engagements etwas beschleunigen möchten, können in Sachen Handwerkszeug zu Knock-out-Papieren greifen. Diese sind aufgrund der hohen Volatilität geeigneter als Optionsscheine, sollten aber unbedingt im Hebel gering sein. So bieten sich bei Facebook und Twitter auf der Long-Seite die WKNs DT7YVW und VZ11H8 an, auf der Short-Seite als Handwerkszeug die CF8RKS und CW0EBD an – jeweils mit Hebel von 4.
Daniel Saurenz betreibt das Investment- und Anlageportal Feingold Research. Der Journalist hat unter anderem für Börse Online und die Financial Times Deutschland geschrieben