Capital: Herr Bach, die Bundesregierung plant im Zuge des Wachstumspakets einen Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte. Im ersten Jahr sollen 30 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei gestellt werden, im zweiten Jahr 20 Prozent, im dritten dann 10 Prozent. Ist das überhaupt steuer- und verfassungsrechtlich umsetzbar?
STEFAN BACH: Das passt schon. Der Gesetzgeber hat grundsätzlich einen großen Gestaltungsspielraum, wenn er die formale Gleichbehandlung verletzt. Er muss die Steuerrabatte nur halbwegs nachvollziehbar begründen und konsistent umsetzen. Wenn er argumentiert, dass das ein wichtiges Instrument für qualifizierte Zuwanderung ist und auch was bringt, sollte es kein rechtliches Problem sein. Die politische Dimension steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Genau die scheint der Knackpunkt, sowohl Teile der Grünen als auch die SPD warnen davor, der FDP-Vorstoß sei ungerecht und man würde dadurch In- und Ausländer ungleich behandeln.
Ich würde das nicht so kritisch sehen. Gegen Gleichheitsgrundsatz und Leistungsfähigkeit verstoßen wir bei allen möglichen Steuervergünstigungen, wie zum Beispiel für Forschung, Umwelt und Klima. Und bei der Erbschaftsteuer werden Unternehmensnachfolgen mit mehreren Milliarden Steuervergünstigungen gefördert, auch wenn die Erben gar nicht im Unternehmen arbeiten. Andere europäische Länder geben schon längst Rabatte für Zuwanderer, zum Beispiel die Niederlande, Österreich, Dänemark, Spanien und Belgien.
Wie hoch wäre die Steuervergünstigung für ausländische Fachkräfte in Summe?
Das kommt auf das Gehalt an. Nehmen wir mal einen Bruttolohn von 50.000 Euro im Jahr, das kriegen ja IT-Experten und Ärzte leicht zusammen. Bei Steuerklasse I oder IV zahlen die da drauf 7265 Euro Lohn- bzw. Einkommensteuer. Also sparen sie in drei Jahren ungefähr die Hälfte davon, nämlich 3633 Euro. Bei höherem Gehalt natürlich mehr.
Und wie würden Berechtigte so einen Steuerrabatt bekommen – automatisch oder erst nachträglich als Gutschrift, wenn sie eine Steuererklärung abgeben?
Den Rabatt ins Lohnsteuerverfahren einzufügen wäre wohl ein bisschen übertrieben und zu bürokratisch für die Arbeitgeber. Wobei die deutsche Steuererklärung und Elster ja auch nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig sind. Immerhin gibt es das auf Englisch. Das ist in der Digitalwüste Deutschland schon ein Riesenfortschritt. Da sollten die Leute dann einen möglichst einfachen Antrag stellen können. Der wird dann ans entsprechende Finanzamt weitergeleitet und der Rabatt automatisiert geprüft.
Also keine reine Erhöhung des Grundfreibetrags?
Das kann man auch machen. Beim Rabatt auf den Bruttolohn profitieren Besserverdiener stärker.
Welche Gehaltsober- und untergrenzen sollten für den Rabatt gelten?
Man muss natürlich eine Lohnobergrenze einziehen. Denn dem CEO, der bei einem Dax-Konzern anheuert, will man den Rabatt sicher nicht auf den Monster-Lohn im Millionenbereich zahlen. 80.000 bis 85.000 Euro brutto scheint mir da eine sinnvolle Grenze zu sein. Das sind Einkommen, ab denen der erste Spitzensteuersatz von 42 Prozent gilt.
Und die Untergrenze?
Die spielt in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle. Dass jemand nach Deutschland zieht, dann nur für 15.000 Euro brutto arbeitet und auch noch Stütze bekommt, sollte ja möglichst nicht vorkommen. Wenn aber ein Paar aus dem Ausland kommt und ein Partner in Teilzeit für 25.000 Euro oder 30.000 Euro arbeitet, sollte die Steuervergünstigung auch greifen. Wanderarbeiter wie die Spargelstecher würden den Steuerrabatt nicht bekommen, weil sie nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die arbeiten ja immer nur ein paar Monate hier und kein halbes Steuerjahr.
Das klingt aber schon alles eher bürokratisch.
Ja, deswegen halte ich ein Modell für besser, bei dem alle Zuwanderer einen Steuerabzug bekommen, zum Beispiel 3000 Euro, der dann mit der Einkommensteuer verrechnet wird. Fürs Marketing könnte man das als „Welcome tax credit“ labeln. Da muss man gar keine Obergrenze einziehen. Macht die Sache ein bisschen einfacher und transparenter.
Können Sie nachvollziehen, dass das trotzdem manche als ungerecht empfinden?
Nur begrenzt. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ weiß der Volksmund. Es ist ein nettes Signal an die Leute, die kommen sollen. Wir brauchen leistungsfähige Zuwanderer, zumal, wenn die vielen jüngeren Boomer jetzt alle schwächeln und vorzeitig in den Ruhestand gehen, was ja zu allem Überfluss auch noch gefördert wird. Daher soll man es nicht übertreiben mit Sozialneid und Wohlfahrtschauvinismus. Fachlich kann man das begründen, etwa mit Umzugskosten. Die können Inländer ja auch absetzen.
Was würde der Steuerrabatt am Ende bringen – lockt er wirklich Fachkräfte an?
Das ist unklar und sollte auf jeden Fall evaluiert werden. Daher sollte der Rabatt auch unbedingt auf etwa fünf Jahre befristet werden. Vermutlich bringt es nicht viel. Vor allem sollten die Symbolpolitik-Debatten nicht davon ablenken, die Zuwanderung bürokratisch zu erleichtern. Vom Visumverfahren über Krankenkasse und Schule bis zum Wohnungsmarkt.