Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen
Als ich vor zwei Wochen mit meiner Familie in einer Bambushütte inmitten eines Reisfelds im Norden Thailand genächtigt habe – Strom gab es nur tagsüber aus Solarzellen, Internet gar keins – hatte die nette Vermieterin kurz nach Ankunft eine Frage an mich. Ob es denn um die Deutsche Bank wirklich so schlecht bestellt sei und wie ich das als Deutscher sähe?
Mir fiel die Kinnlade runter, denn dass ich Finanzjournalist bin, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erwähnt. So schlecht ist es also schon um das Institut bestellt, dachte ich, dass man sich schon im hintersten Winkel eines Schwellenlands Sorgen macht.
Dann aber geriet ich ins Grübeln: vielleicht ist es auch genau andersherum. Wenn schon die Bewohner von Bambushütten in Thailand die Lage der Deutschen Bank umtreibt, dürfte zumindest in Sachen Sentiment der Boden nicht mehr fern sein. Denn wen soll die Bank noch negativ überraschen?
Starkes Zahlenwerk
Die heute vorgelegten Zahlen des Instituts stützen eher diese zweite Variante.
Die Kernfrage im Vorfeld der Zahlen lautete: wie wirken sich die vielen Gerüchte, der Schrumpfkurs, vernichtende Medienberichte, die vielen Prozesse und die im Branchenvergleich dünne Eigenkapitalausstattung auf die operativen Geschäfte aus?
Das Zahlenwerk ist, mit einem Wort: stark. Und besser, als Analysten erwartet hatten. Denn annähernd jede relevante Kennziffer bewegt sich zum Vorquartal und Vorjahresquartal in die richtige Richtung: die Erträge steigen um 0,2 Milliarden Euro auf 7,5 Milliarden Euro. Das bedeutet: der Bank fliegt, anders als von manchen befürchtet, zumindest derzeit nicht das Geschäft davon, weil die Kunden türmen oder scheidende Mitarbeiter Kunden und deren Erlöse mitnehmen.
Die zinsunabhängigen Kosten gehen zurück auf rund 6,5 Mrd. Euro. Das bedeutet: die Sparmaßnahmen tragen offenbar erste Früchte. Die – freilich immer noch aufgeblähte - Bilanzsumme schrumpft leicht um zwei Prozent. Und so steht unter dem Strich statt dem von Analysten erwarteten Nettoverlust von knapp 400 Millionen Euro ein Nettogewinn von knapp 300 Millionen Euro unter dem Quartalsbericht. Zudem verbesserten sich auch die Kapitalquoten, die Auskunft darüber geben, wie krisenresistent das Unternehmen ist.
Brief an die Mitarbeiter
Das sind gute Nachrichten, und wer sich den Brief John Cryans an die Mitarbeiter und das PR-Gewitter durchliest, das die Bank heute früh niedergehen lässt, der merkt, dass das Institut mächtig stolz auf diese operativen Fortschritte unter widrigen Bedingungen ist. Und tatsächlich braucht es auch nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass es keine leichte Aufgabe ist, als Mitarbeiter der Deutschen Bank derzeit Geschäfte zu machen – als Mitarbeiter eines Unternehmens, dem das größte deutsche Nachrichtenmagazin erst am Wochenende einen Titel mit der „Geschichte eines Untergangs“ widmete und im Smalltalk am Finanzplatz Frankfurt schon lange zum Abschuss freigegeben ist.
Dass sich die Zahlen in die richtige Richtung bewegen, bedeutet freilich nicht, dass das Institut seine Krise überwunden hat. Die Eigenkapitalquote sowie - noch wichtiger - der Verschuldungsquote der Bank sind im Vergleich zu anderen Großbanken immer noch schwach, die – leicht gestiegenen – Rückstellungen der Bank für die Rechtsrisiken vermutlich nicht ausreichend, um alle Prozesse zu beenden. Noch immer ist fraglich, ob die Bank dauerhaft ihre Kapitalkosten verdienen kann. Noch immer ist offen, ob der Plan des Instituts aufgeht, zwar zu schrumpfen, aber an allen wesentlichen Geschäftsbereichen vom Privat- und Firmenkundengeschäft über das Investmentbanking bis hin zur Vermögensverwaltung festzuhalten.
Und noch immer ist das Institut schlicht nicht vollständig Herr der Lage, sondern davon abhängig, dass die Strafzahlungen für Betrügereien mit US-Hypotheken und der Geldwäsche in Russland nicht deutlich höher ausfallen, als man Eigenkapital in der Kasse hat.
Noch einmal zur Klarstellung: Liquidität war und ist nicht das Problem des Instituts. Es ist das Eigenkapital, das im Vergleich zur Konkurrenz anderer europäischer und US-amerikanischer Banken eher knapp ist und durch hohe Strafzahlungen so knapp werden könnte, dass man nicht um Kapitalmaßnahmen herum kommt.
Die Quartalszahlen demonstrieren jedoch, dass dem Institut wenigstens nicht die Zeit davonläuft und der Druck steigt, noch radikalere Maßnahmen wie der Aufspaltung der Bank oder der Verkauf seiner Teile zu forcieren. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn weiter Nettoverluste aufliefen.
Wirklich beruhigen könnte die Lage vermutlich nur eine signifikante Kapitalerhöhung von wenigstens fünf Milliarden Euro. Mit dem frischen Geld lediglich alte Prozesse zu beenden ist zwar kein sonderlich überzeugendes Verkaufsargument für neue Aktien. Das heute vorgelegte Zahlenwerk hat die Chancen auf einen solchen Befreiungsschlag aber erhöht - schließlich dürften auch potenzielle Investoren nun Belege haben, dass die Bank auch unter widrigen Umständen etwas Geld verdienen kann.
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